Zu den aktuellen Arbeitsmarktdaten

Geschrieben von: am 05. Jan 2010 um 20:44

Es geht ja schon wieder ein verhaltener Aufschrei durch die Medienlandschaft, weil die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit nun doch nicht so schlecht ausgefallen sind wie befürchtet. Frau von der Leyen spricht gar erleichtert von einer stabilen Entwicklung am Arbeitsmarkt. Heute gab der Chef der Bundesagentur Weise bekannt, dass die Zahl der Erwerbslosen mit 60.000 im Dezember sehr moderat angestiegen sei. Darüber könne man sich ja mal freuen, hörte ich aus den zahlreichen Berichten heraus. Ein Gefühl der Erleichterung bricht sich bahn inklusive der Botschaft, dass 2009 nicht so schlimm war und in 2010 der Aufschwung bereits schon wieder auf uns wartet.

Einfach total durchgeknallt, kann man dazu nur sagen. Allein wie die Medien die offizielle Arbeitslosenzahl immer noch als ein Abbild der Realität betrachten, ist nicht mehr zu verstehen. So oft wurde darauf hingewiesen, dass viele Arbeitslose einfach nicht mehr mitgezählt werden, weil sie in Maßnahmen versauern, zu alt oder krank sind oder in einem Ein-Euro-Job arbeiten oder ganz dreist, weil viele von einem privaten Arbeitsvermittler betreut werden. Wer über die geschönte Arbeitsmarktstatistik noch immer nicht Bescheid weiß, und es scheinen sehr viele zu sein, sollte sich unbedingt den Panorama-Bericht vom 04.06.2009 anschauen (siehe auch hier im Blog).

Zu den Fakten: Um zu verstehen, was die Bundesregierung und die ihr unterstellte Bundesagentur mit „Beschäftigung“ meint, muss man nun wirklich nicht besonders ausgeschlafen sein. Dieser Begriff soll vor allem täuschen, in dem man suggeriert, „Beschäftigung“ sei ein Äquivalent zu normalen sozialversicherungspflichtigen Tätigkeiten. Dabei werden unter der Worthülse „Beschäftigung“ Minijobs, Trainings- und weitere Eingliederungsmaßnahmen verstanden, die nichts mit „Beschäftigung“ als vielmehr mit Unterbeschäftigung zu tun haben.

Würde man diese Unterbeschäftigung und faktische Arbeitslosigkeit (Kurzarbeiter ausgenommen) korrekt in der Statistik abbilden, würde man feststellen, dass die reale Arbeitslosenzahl bei rund 4,5 Millionen liegt (offiziell 3,276 Millionen), also über eine Million höher. Es ist ein Skandal, dass man es zulässt, eine so wichtige statistische Größe wie die Arbeitslosenzahl in so ungeheurlichem Umfang zu manipulieren. Aber noch viel schlimmer ist der Totalausfall der Berichterstatter, die es nicht vermögen, den offensichtlichen Betrug klar zu benennen.

Man kann die Arbeitsmarktdaten auch anders und wie ich finde sehr viel klarer darstellen. Von den sechs Millionen Menschen in diesem Land, die entweder Arbeitslosengeld I oder II beziehen, werden nur 54,2 Prozent auch tatsächlich als arbeitslos gezählt. Denn das entspricht genau jener Zahl von 3,276 Millionen, die heute verkündet wurde. D.h. 45,8 Prozent oder 2,770 Millionen Menschen, die entweder Arbeitslosengeld I oder II beziehen, werden nicht ofiiziell als arbeitslos gezählt. Ist das nicht verrückt?

Der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten an allen Beschäftigten – und nur dann ergibt das mit der „Beschäftigung“ auch einen volkswirtschaftlichen Sinn – liegt aktuell bei 68,4 Prozent. Im Jahr 1995 lag der Anteil noch bei 75 Prozent. D.h. die Zahl der Beschäftigten mag sich im Laufe der Agenda-Jahre durchaus erhöht haben (über 40 Millionen), der Anteil der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung aber geht immer mehr zurück. Kurzum: Vollzeitstellen werden in Teilzeitstelen umgewandelt. Die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes infolge der Agendapolitik bewirkt vor allem ein Anwachsen des Niedriglohnsektors und damit auch ein Anwachsen des Drucks auf noch bestehende Vollzeitbeschäftigung. Etwa 2,36 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte „übten zusätzlich einen geringfügig entlohnten Nebenjob aus – gegenüber dem Vorjahr 52.000 oder 2,2 % mehr -, was die teilweise minderwertige Qualität auch der versicherungspflichtigen Beschäftigung zeigt.“ (Quelle: Jahnkes Infoportal)

Die Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur und damit der Bundesregierung können sie getrost in der Pfeife rauchen und das Gerede, wie der Arbeitsmarkt habe sich robust gezeigt, können sie in den Abfalleimer schmeißen, aus dem es wahrscheinlich auch durch die Herren Vorstände und Frau Ministerin entnommen wurde.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. adtstar  Januar 5, 2010

    Ich habe mal das Video aktualisiert!

  2. Einhard  Januar 5, 2010

    Streng genommen muß man die Kurzarbeiter ja dazuzählen, denn ohne massiv staatlich bezuschußte Kurzarbeit würden sich die meisten von ihnen in die Reihen der Arbeitslosen bereits einreihen, so wird das geringfügig nach hinten verschoben.

    • adtstar  Januar 6, 2010

      Richtig. Die Kurzarbeiterproblematik wird aber durchaus von den Verantwortlichen erkannt. Man rechnet ja nach wie vor damit, dass die Regelung auslaufen und im Zuge dessen die Arbeitslosigkeit formal steigen werde.

      Viel wichtiger finde ich daher die Manipulationen an der aktuellen Statistik wie oben beschrieben. Der Regierung geht es vor allem darum zu kaschieren, dass Deutschland während der Agenda-Jahre es zu keinem Zeitpunkt geschafft hat, Langzeitarbeitslosigkeit abzubauen.

  3. Megahoschi  Januar 6, 2010

    Moin

    Die Zahlen müssen so niedrig sein, die Taktik dahinter ist so ähnlich wie mit dem weißen Band für die Sklaven, man soll nicht wissen mit wie vielen Leidensgenossen man im Boot sitzt.

    Es sind laut BA Bericht 7.869.871 Leistungsempfänger von ALG I, ALG II und Sozialgeld, dazu kommen 1,67 Millionen Kurzarbeiter und 419 000 Leute die kein Geld bekommen obwohl es Ihnen zu stehen würde.

    • adtstar  Januar 6, 2010

      Moin,

      Mit den knapp 8 Millionen Leistungsbeziehern hast du natürlich Recht. Ich habe aber der Verständlichkeit halber und um mich gegen Angriffe zu schützen nur die Bezieher von ALG I und II zusammengerechnet, also laut Bericht der BA 1.149.403 Mio ALG I-Empfänger und 4.896.363 Mio ALG II-Empfänger. Diese Menschen werden ja auch offiziell als erwerbsfähig betrachtet. Die Sozialgeldbezieher gelten dagegen als nichterwerbsfähig.

      Aber auch ohne die Sozialgeldbezieher und Kurzarbeiter zeigt die wirkliche Statistik ein dramatisches Bild auf, wie man oben nachvollziehen kann.

      • Megahoschi  Januar 6, 2010

        Nabend

        Ich finde es allerdings schon sehr extrem das sogar nach offiziellen Zahlen 10 Prozent der Bundesbevölkerung auf staatliche Hilfen angewiesen ist. Wenn man sich nun überlegt das nach einer anderen Statistik nur noch 22 Mio überhaupt Vollzeit arbeiten muß ich mir wirklich an den Kopf fassen.

  4. Teja552  Januar 6, 2010

    Freut mich, das Du dich auch dieser Thematik angenommen hast auch wenn diese Zahlen natürlich nicht erfreulich sind.

    Es wird weiter gelogen und die Statistiken weiter geschönt und die Trickkiste ist noch nicht geschlossen.

    Ja aber wenn können diese Zahlen eigentlich noch hinter den Ofen Vorlocken, die gehören in den Müll, genauso wie deren Verfasser.