Eine gruselige Vorstellung

Geschrieben von: am 19. März 2025 um 10:05

Der künftige Kanzler, ein zu groß geratener Zukurzgekommener, hat einen hohen Preis für den Einzug ins Kanzleramt gezahlt. Er verstieg sich bei seiner Rede im alten Bundestag sogar zu der Behauptung, Russland habe nicht nur die Ukraine angegriffen, sondern führe gegen ganz Europa Krieg. Als die gänzlich untalentierte Bundesaußenministerin im Europarat vor zwei Jahren sichtlich genervt von einer Panzerdiskussion dahinplapperte, wir führen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander, wurde sie noch zurückgepfiffen und entschuldigte sich für eine derart unbedachte Wortwahl. Man befinde sich nicht im Krieg mit Russland. Heute ist das alles egal und der Diskurs verschoben. Deutschland will nicht nur kriegstüchtig werden und weiter schwere Waffen liefern, sondern auch Führungsmacht sein. Eine gruselige Vorstellung.

Die Satirepartei „Die Partei“ hat einmal ein geniales Wahlplakat entworfen. Darauf steht der Satz in Form eines Imperativs: „Kein Weltkrieg ohne Deutschland!“ Viele Reden in der letzten Debatte des 20. Deutschen Bundestages vermittelten den Eindruck, dass diese Realität unausweichlich sei, nur habe diesmal eben nicht Deutschland angefangen, sondern Russland. Wie schon bei der Wiederbewaffnung nach dem Zweiten Weltkrieg dient die vornehmlich westdeutsche Dämonisierung Moskaus als Mittel, um der Bevölkerung eine Zustimmung zu massiver Aufrüstung abzuringen. Und das gelingt auch wieder. Rund drei Viertel der Deutschen befürworten höhere Ausgaben für Verteidigung. Das ist ein gefährliches Manöver, vor allem deshalb, weil es in Wirklichkeit ja um etwas ganz anderes geht. An einer Verständigung mit Russland führt kein Weg vorbei, das zeigen die Bemühungen der Vereinigten Staaten, den Krieg in der Ukraine zu beenden. Dem wird sich auch Europa und Deutschland fügen müssen, die immer lauter und schärfer formulieren, je bedeutungsloser sie in der internationalen Politik werden.

Was aber bleibt, sind die Kosten des Krieges, die jetzt und auch in Zukunft getragen werden müssen. Es ist ja kein Zufall, dass die finanzielle Unterstützung von angegriffenen Ländern wie der Ukraine explizit Bestandteil der Ausnahmeregelung zur Schuldenbremse ist. Hier werden ganz konkret sehr viele Mittel für den Erhalt staatlicher Strukturen oder den Wiederaufbau eingesetzt werden müssen, was nur außerhalb der Haushaltslogik mit starren Fiskalregeln geschehen kann. Es gilt dem Eindruck entgegenzutreten, dass diese Aufwendungen nur leistbar sind, wenn die Bevölkerung hierzulande auf öffentliche Leistungen verzichtet und massive Einschnitte hinnimmt. Europa soll die Rechnung bezahlen und wird das auch tun – „whatever it takes“. Um diese robuste Zurechtweisung im geopolitischen Kräftespiel zu kompensieren, plustert man sich auf. Die zusätzlichen Milliarden für die Verteidigung oder Verteidigungsfähigkeit bleiben allerdings abstrakt. Zudem existiert bereits ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro, das bereits nahezu komplett verplant ist, wobei gebundene Mittel nicht bedeutet, dass auch tatsächlich Ausgaben entstanden sind.

Denn das hängt wiederum von der Lieferung der bestellten Ausrüstung ab. Und das dürfte in vielen Fällen, wie etwa bei den georderten 35 F-35-Kampfjets für rund 33,4 Milliarden Euro noch dauern. Bis Mitte 2023 waren aus dem Sondervermögen Bundeswehr etwa 1,2 Milliarden Euro tatsächlich abgeflossen. Selbst die omnipräsenten „Experten“ betonen in ihren Einschätzungen, dass es noch Jahre dauern werde, bis sich eine merkbare Veränderung hinsichtlich der Verteidigungsfähigkeit ergebe. Noch mehr Geld an dieser Stelle sorgt dann eben nicht für eine höhere Verteidigungsfähigkeit, sondern lediglich für andere Zahlen auf dem Papier. Mehr Bestellungen führen vermutlich auch nicht dazu, dass es in Sachen Beschaffung schneller vorangeht, sondern die Prozesse eher verlangsamt werden, schließlich braucht der Aufbau zusätzlicher Kapazitäten in der Rüstungsindustrie ebenfalls Zeit. In ein paar Jahren wird man dann wieder über einen Beschaffungsfilz jammern, während der Russe wahlweise immer noch vor der Tür steht oder schon längst auf eine irgendwie magisch hybride Weise einmarschiert ist und Krieg führt. Zu welchem Zweck, bleibt unklar.

Ganz konkret wird es in Sachen Ukraine. Die braucht laufend Geld. Und deshalb werden die alten Mehrheiten im Bundestag vor Wochenfrist noch einmal zusammenkommen, um im Haushaltsausschuss die bislang zurückgehaltenen 3 Milliarden Euro freizugeben. Die waren nach Lesart der amtierenden Bundesregierung deshalb blockiert, weil Unklarheit über die künftige Finanzierung dieses Fasses ohne Boden bestand. Mit den beschlossenen Änderungen des Grundgesetzes ist diese Frage nun geklärt. Die Mittel für die Ukraine unterliegen keinerlei Beschränkungen mehr, nicht mal mehr die Notlagenklausel ist nötig, ein Umstand übrigens, auf den ausgerechnet die FDP in der letzten Debatte hinwies.

Ich sage Ihnen: Für die Freien Demokraten ist die Schuldenbremse eben kein Selbstzweck. Sie schützt die Generationen unserer Kinder und Enkel vor politischer Handlungsunfähigkeit, und sie sichert in Wahrheit, dass man in Notlagen auch Schulden machen kann, meine Damen und Herren. Und genau diese Notlage, die kann kommen, ja.

FDP-Fraktionsvorsitzender Christian Dürr

War die Ampel-Regierung nicht gerade daran gescheitert, dass die Liberalen meinten, ein Notlagenbeschluss sei verfassungswidrig? Also Schuldenbremse und Handlungsunfähigkeit doch als Selbstzweck, damit die D-Day-Logik aufgeht? Egal. Was kümmert das Geschwätz von gestern, wenn es sich so schön in die außerparlamentarische Opposition lügen lässt. Mit 513 Ja-Stimmen ist der Deckel drauf. Deshalb können sich die Verantwortlichen nun auch anderen Aufgaben widmen. Der zu groß geratene Zukurzgekommene wird vermutlich ins Kanzleramt einziehen, lustig wäre ja, wenn nicht. Die Bundesaußenministerin zieht sich nach einem Leben auf Highspeed nun doch nicht ins Private zurück, um mehr Zeit mit der Familie zu verbringen, wie zunächst behauptet, sondern strebt einen Spitzenposten bei der UN in New York an. Da runzeln selbst die Kriegsbegeisterten ungläubig, wenn nicht sogar empört die Stirn.

Sicher darf man daher sein: Die gruselige Vorstellung geht weiter mit einer sauerländischen Trump Karikatur im Kanzleramt, die beim Rambo Zambo machen in Bereiche vordringt, wo auch tagsüber die Sonne nicht scheint, mit der jämmerlich abgestürzten Weinkönigin Julia Klöckner als Bundestagspräsidentin und vermutlich Jens Spahn als Minister, der sich offenbar schon viel verziehen hat. Leistung muss sich halt wieder lohnen.


Bildnachweis: Screenshot, Sitzung des Bundestages vom 18. März 2025.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Ralph  März 19, 2025

    Vielen Dank, Herr Trautenhahn!
    Eins ist jedenfalls klar: Viel Geld fliesst ab in die Rüstungsindustrie, ob direkt über die Bundeswehr oder mittelbar über die Ukraine. Ausserdem verdienen einige Wenige sehr viel mit den Geldmitteln, die sie der Bundesrepublik für das ‚Sondervermögen‘ zur Verfügung stellen. Vermutlich die gleichen, die auch an den Rüstungsausgaben profitieren. Diese Personen/Gruppen profitieren auch parallel noch an den analogen Bemühungen in anderen Ländern und in der Europäischen Union, die ebenfalls Geld leihen, um es in Rüstung und nach Ukraine zu schieben.
    Und wer zahlts? Natürlich die normale arbeitende Bevölkerung, die von dem ganzen Zauber überhaupt gar nicht profitiert, sondern – wenns ganz dumm läuft – auch noch Ehemänner, Söhne und Väter für einen Fronteinsatz opfern darf. Nach Eurokrise und Corona die dritte Welle der Vermögensumschichtung von unten nach oben, immer mit neuen Vorwänden der – zielsicher über die Medien eingespielten – Angstmache.
    Wird der ‚Deutsche Michel‘ irgendwann aufwachen? Oder müssen wir warten, bis die 40% der Wähler über 60, die zu 75% für CDU und SPD gestimmt haben, langsam aussterben?

    antworten
  2. Ralph  März 19, 2025

    Übrigens, Chapeau bas für den ‚grossgeratenen Zukurzgekommenen‘ – ein wirklicher Treffer!!!

    antworten

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