Das Unglück nimmt seinen Lauf

Geschrieben von: am 14. März 2025 um 17:44

Nach der Einigung zum Finanzpaket urteilen die Meinungsmacher, Glück gehabt, das hätte auch schiefgehen können. Nein, hätte es nicht. Die Bereitschaft zu einer Reform der absurden Schuldenregeln war auf allen Seiten vorhanden. Selbst die Grünen, die bei der ersten Lesung des Gesetzespakets am Donnerstag im Parlament eine Show der Gekränkten ablieferten, müssen Friedrich Merz am Ende ja dankbar sein. Ohne dessen tölpelhaftes Auftreten wäre am Ende nicht so viel drin gewesen.

Denn alle bekommen am Ende, was sie wollten, nur der Bürger muss weiterhin den Gürtel enger schnallen. Denn, so stellte es der zu groß geratene Zukurzgekommene Friedrich Merz in seinem Statement fest. Die Notwendigkeit zur Konsolidierung des Haushalts werde weiterhin gesehen und dieser Anspruch demnach ein unverzichtbarer Teil der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD sein. Niemandem scheint dabei die Idiotie der Argumentation aufzufallen. Man habe sich den europäischen Fiskalregeln zu unterwerfen und wolle folglich eine Regierung der guten Haushälter sein. Da aber das Thema Aufrüstung künftig von diesen restriktiven Vorgaben ausgenommen werden soll, sowohl auf EU-Ebene in Brüssel wie auch auf Bundesebene in Berlin, müsse man nur noch in bestimmten Bereichen ordentlich haushalten, also konsolidieren, also kürzen.

Ist das nicht toll? Merz stellte auch fest, dass die begrenzten Mittel für Investitionen in die Infrastruktur, die nicht mehr auf zehn, sondern nunmehr auf 12 Jahre verteilt werden, bei weitem nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken, um also das zu reparieren oder zu erneuern, was jahrelang kaputtgespart worden ist. Aber hier gelte halt die fiskalische Disziplin. Ist doch logisch. Man hätte die Schuldenbremse natürlich auch so reformieren können, dass nicht nur Aufrüstung und neuerdings Zivil- und Bevölkerungsschutz, Nachrichtendienste, Informationstechnik sowie die Hilfen für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten wie die Ukraine ausgenommen sind, sondern generell alle Investitionen. Aber nein. Während nun Geld für die Ukraine grenzenlos zur Verfügung stehen soll, hängen hierzulande Straßen und Brücken, Kitas und Schulen, Gesundheit und Pflege, Kunst und Kultur, Schwimmbäder und Bibliotheken oder einfach nur pünktliche Züge von einem Sondertopf mit Deckel ab.

Dort müssen Umwelt und Klimaschutz übrigens auch noch mit rein. Denn von den 500 Milliarden Euro des Sondervermögens sollen 100 Milliarden in den Klimatransformationsfonds KTF fließen, um der grünen Dialektik zu folgen, wonach die Klimaneutralität 2045 trotz einer massiven Steigerung der Waffenproduktion zu erreichen sei. Bei den Autobahnen und Bundesstraßen klafft in den nächsten zehn Jahren eine Finanzierungslücke von 66,5 Milliarden Euro und die Deutsche Bahn hat ihren Finanzbedarf für das Schienennetz in den nächsten zehn Jahren auf 150 Milliarden Euro beziffert. Abgesehen vom Geld dürfte es angesichts der Aufrüstungsambitionen schlichtweg an Kapazitäten fehlen, um den Sanierungsstau auch nur spürbar etwas aufzulösen. Ingenieure, die in der Waffenindustrie gebraucht werden, stehen vermutlich für die Verkehrswegeplanung nicht mehr zur Verfügung.

Aber was macht das schon, wenn die Erleichterung der Einigung überwiegt. Die demokratische Mitte habe bewiesen, dass man gemeinsam politische Verantwortung übernehmen könne, was für die politische Kultur in Deutschland ein wichtiges Zeichen sei, so der SPD-Chef Lars Klingbeil. Ob das die Wählerinnen und Wähler genauso sehen? Die haben zwar am 23. Februar ein neues Parlament gewählt, das aber bei den Vereinbarungen, die nun getroffen worden sind, gar nicht mitreden darf. Das übernimmt lieber das alte Parlament, dass sich erst wegen einer angeblichen politischen Blockade widerspruchslos auflösen ließ, um nun nach der Wahl noch einmal zusammenzukommen, damit die demokratische Mitte politische Verantwortung demonstrieren kann, zu der sie vor der Wahl nicht fähig war.

Leider steht zu befürchten, dass das Bundesverfassungsgericht nichts Anstößiges an dem Vorgehen finden wird. Karlsruhe hat Eilanträge gegen die Einberufung des alten Bundestages bereits zurückgewiesen. So bleibt am Ende nur der Eindruck, dass die Verfassungshüter ein destruktives parlamentarisches Verhalten zum Abbruch einer Legislaturperiode dulden, obwohl das Grundgesetz konstruktiven Alternativen zur Lösung einer politischen Parlamentsblockade immer Vorrang einräumt. So hätte der zu groß geratene Zukurzgekommene noch in der laufenden Legislaturperiode die in Rede stehenden Änderungen am Grundgesetz mit SPD und Grünen locker vornehmen können. Stattdessen erzählte er der Öffentlichkeit, was er mit seiner Richtlinienkompetenz als Erstes veranlassen würde.

Pustekuchen. Statt zu regieren, reagiert die sauerländische Trump-Karikatur und das dürfte auch so bleiben, was die enttäuschten Wähler nur noch mehr in die Arme der AfD treiben wird. Immerhin, und dafür darf man ihm tatsächlich dankbar sein, hat er es geschafft, die FDP aus dem Parlament zu halten. Die hätte den Wiedereinzug vermutlich geschafft, wenn Merz die große Operation an der Schuldenbremse vorher angekündigt hätte. Eine wachere Öffentlichkeit hätte das ohnehin durchschauen und aufspießen müssen, tat es aber nicht, weil sich die Medien lieber darin gefielen, ökonomischen Unsinn wie, der Staat könne nur ausgeben, was er einnimmt, einfach nachzubeten. Bis heute fehlt eine kritische Auseinandersetzung mit dieser intellektuellen Fehlleistung.

Stattdessen befürwortet man nun die Milliarden für Rüstung ohne Einschränkungen und tappt bereits in die nächste gedankliche Falle, weil sich keiner die Frage stellt, was eigentlich passiert, wenn alle gleichzeitig bei Lieferando Panzer, Kampfjets, Drohnen sowie andere Waffensystem und Unmengen an Munition bestellen. „Wir sind verteidigungsfähig und wir sind auch jetzt in vollem Umfang verteidigungsbereit“, sagte Merz, nachdem er noch ein „Deutschland ist zurück“ in die Mikrofone sprach. Nur sagt die Bereitschaft eben gerade nichts über die Fähigkeit aus und mit militärischer Macht auf dem Papier lassen sich weder Freunde noch Feinde sonderlich beeindrucken. Das und die Aussicht, außenpolitisch weiterhin auf Diplomatie zu Gunsten einer neuen deutschen Großmannssucht verzichten zu wollen, ist eben kein Glücksfall, sondern das Gegenteil. Ein großes Unglück.


Bildnachweis: Screenshot, Bundestag 14. März 2025

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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