Gewinner und Verlierer

Geschrieben von: am 27. Feb. 2025 um 18:48

Eine Vereinbarung zur künftigen Ausbeutung eines Landes wird als Erfolg bewertet, weil es dem ukrainischen Präsidenten gelungen ist, die Erlöse aus der künftigen Verwertung von Bodenschätzen in einen Fonds einzuzahlen, statt direkt nach Washington abzuführen. Auf den Fonds haben die Amerikaner aber weiterhin Zugriff. Teile des Fonds „sollen“ für Investitionen in der Ukraine genutzt werden. Die ursprüngliche US-Forderung nach 500 Milliarden Dollar Rücküberweisung sei damit vom Tisch. Außerdem werde in der Vereinbarung von Sicherheitsgarantien gesprochen, deren konkrete Ausgestaltung aber bei näherer Betrachtung offen bleibt. Die Freude, die nun vor allem deutsche Berichterstatter zum Ausdruck bringen, weil sich die Ukraine gegen die Übergriffigkeit des erratischen US-Präsidenten zur Wehr gesetzt und eigene Punkte im Rohstoffdeal durchgesetzt habe, ist rundheraus unverständlich.

Denn vor allem Europa ist Hauptgläubiger der Ukraine. Je nach Lesart stehen zwischen 40 und 50 Milliarden Euro Kredite im Feuer. Wenn nun die Einnahmen aus künftigen Rohstoffgeschäften vornehmlich in einen Fonds fließen, auf den nur die Amerikaner Zugriff haben, woher kommen dann eigentlich die Mittel, um die europäischen Kredite zurückzuzahlen? Eine Möglichkeit bietet die ukrainische Rüstungsindustrie. Die arbeitet nämlich profitabel, was vor allem auch europäische Rüstungskonzerne wie Rheinmetall anlockt. Die Ukraine verfügt in Wirklichkeit nicht über Waffenknappheit, sondern produziert militärische Exportgüter, weil die Fertigungskosten hier besonders niedrig sind. So werden künftig also nicht nur die Rohstoffe des Landes zu dessen überwiegenden Nachteil ausgebeutet, sondern auch die Menschen, die, wenn sie ihr Leben nicht schon für einen sinnlosen Krieg hergeben mussten, nun eine Zukunft als billige Arbeitskraft in der Rüstungsindustrie vor sich haben.

Das Bemerkenswerte daran ist die Rolle Europas und hier insbesondere Deutschlands, das eine moralische Haltung wie eine Monstranz vor sich herträgt, die in Wirklichkeit aber nichts weiter als Fassade ist. Während die Amerikaner wieder ganz normal Geschäfte mit Russland zu Lasten der Ukraine machen wollen, empören sich die europäischen Haltungsweltmeister und ziehen die Sanktionsschraube zu eindeutig ihren Lasten und damit gegen jede Logik noch ein wenig stärker an. Auf der anderen Seite stellen sie bei jeder Gelegenheit unter Beweis, dass ihre hohen moralischen Ansprüche, die mit ebenso hohen Kosten für die eigenen Bevölkerungen verbunden sind, gar nicht gelten, wenn es beispielsweise um Kriegsverbrecher aus dem Nahen Osten geht, auf die ein internationaler Haftbefehl ausgestellt ist. Die werden sogar eingeladen und damit jenes Gericht düpiert, das das internationale Recht und damit auch die moralischen Vorstellungen seiner Unterstützer bewahren und durchsetzen soll.

Bemerkenswert ist auch, dass die Experten der Haltungsweltmeister nach drei Jahren Krieg plötzlich wertvolle Rohstoffe in der Ukraine entdecken, die es strategisch zu sichern gilt. Das klingt fast so, als lohnte es sich, dafür weiter Krieg zu führen. Es ging also nie um die Verteidigung von Demokratie und europäischen Werten, um ein Bollwerk gegen Imperialismus, Unterwerfung und Diktatur, sondern um Schürfrechte. Dass die Ukraine, die gestern noch heldenhaft einem übermächtigen Aggressor trotzte, nun zu einer Kolonie des Westens gemacht werden soll, stört das moralische Weltbild der Dauerempörten nicht. Solche Einfaltspinsel haben es vielleicht verdient, dass man sie auf offener Bühne vorführt und zunehmend ins Abseits stellt, wenn auf der Grundlage von geopolitischen Interessen verhandelt wird.

Und noch etwas mit Blick auf Deutschland. Nach dem Bruch der Ampelregierung drangen alle politischen Kräfte sowie die öffentliche Meinung auf schnelle Neuwahlen, der Klarheit wegen. Und nun lässt man sich mit der Konstituierung des neuen Parlaments einfach alle Zeit der Welt und beabsichtigt, die im Grundgesetz vorgesehene Frist von bis zu 30 Tagen vollständig auszureizen. Weil es opportun ist, soll das alte Parlament noch einmal antreten, um ungestört vom gerade geäußerten Wählerwillen eine Operation an der Verfassung vornehmen zu können, mit dem Ziel, die Ausgaben für Rüstung noch einmal deutlich in die Höhe zu treiben. Der Abbruch der Legislaturperiode wäre also gar nicht nötig gewesen. Er geschah offenbar nur, damit ein zu groß geratener Zukurzgekommener aus dem Sauerland endlich mal „Rambo Zambo“ machen kann. Doch auch ein paar Tage nach der Wahl werden die 28 Prozent nicht größer, eine Regierungsbildung aber durch die ungeschickten Auftritte des vermeintlichen Siegers immer schwieriger.


Bildnachweis: WOKANDAPIX auf Pixabay

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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