
Zum Wahlausgang ist bereits viel geschrieben worden. Heiner Flassbeck meint zum Beispiel, dass die Republik eine schwarz-blaue Regierung aus Union und AfD mit einer stramm konservativen Politik wolle. Dass, was strittig sei, ließe sich problemlos wegverhandeln. Da hat er recht. Allein der große Unterschied bei den außenpolitischen Vorstellungen, den Friedrich Merz aufmachte, ist mehr oder weniger belanglos, da Washington längst unter die Putin-Versteher gegangen ist. Im UN-Sicherheitsrat haben die USA am Jahrestag des Überfalls gemeinsam mit Russland gegen einen ukrainischen Änderungsantrag gestimmt, der den Abzug russischer Truppen aus der Ukraine verlangt. Moralisierende und dauerempörte Deutsche nimmt da offenbar keiner mehr ernst. Sie haben außer ihren unkontrollierten Emotionen auch nichts zur Lösung geopolitischer Krisen anzubieten.
Ob die SPD wiederum bei Wahlen gut abschneidet oder wie jetzt eine krachende Niederlage einfährt, dank der Brandmauer bleibt sie quasi dauerhaft an der Regierung beteiligt. Sie ist zu einer reinen Funktionspartei geschrumpft und füllt die Aufgabe aus, die bislang der FDP zufiel. Statt eigener Themen genügt sie sich darin, den Trends hinterherzulaufen. Sei es bei der Migration (größter Abschiebekanzler aller Zeiten) oder beim Thema Rüstung (Bum-Bum Boris aus Osnabrück, der in Hannover sein Direktmandat errang, was zeigt, wie sinnlos Erststimmen und das Gerede um Wahlkreise und die besondere Bindung dorthin sind). Wie wäre es einmal mit eigenen Akzenten? Verständigung und Frieden zum Beispiel. Sich dafür einzusetzen, könnte Flüchtlinge verhindern. Stattdessen wetteifert man mit den Idioten aus AfD und Union um den Titel des Abschiebeweltmeisters und arbeitet fleißig weiter daran, Kriegsparteien auf der ganzen Welt und immer häufiger in der direkten Nachbarschaft mit Waffen vollzupumpen, also Fluchtursachen nicht zu beseitigen, sondern sie zu erhalten.
Das erfordert wiederum größere Anstrengungen hinsichtlich der eigenen Sicherheit. Es könnte ja sein, dass so ein Krieg außer Kontrolle gerät. Dann gäbe es immerhin schon einmal sehr viel Waffen, die, Endverbleibserklärung hin oder her, nicht mehr unbedingt im Zugriffsbereich des Lieferanten liegen. Vor ein paar Tagen schrieb ich hier im Blog, dass der Fünf Punkte Plan für sichere Grenzen und das Ende der illegalen Migration, der im Bundestag mit den Stimmen der AfD verabschiedet worden ist, nicht die oberste Priorität haben wird, wenn die Wahl gelaufen ist. Die erste Amtshandlung werde nicht in einer Anweisung an das Innenministerium bestehen, um die Grenzpolizei in Bewegung zu setzen. Vielmehr wird nach einer Möglichkeit der Finanzierung gesucht, um weiter Aufrüstung im ganz großen Stil betreiben zu können. Und so kommt es dann jetzt auch, allerdings nicht mit dem neuen Bundestag, sondern noch mit dem alten. Plötzlich wird die Eile, Neuwahlen abzuhalten, zum Problem.
Der Grund ist simpel. Eine erforderliche Zweidrittelmehrheit, um die Verfassung zu ändern, können Union, SPD und Grüne im neuen Bundestag nicht mehr selbst erreichen. Benötigt würden die Linken, die bereits erklärten, einer Reform der Schuldenbremse zwar offen gegenüberzustehen, aber nicht, wenn damit vor allem eine massive Aufrüstung ermöglicht werden solle. Doch genau das ist der Plan. Nun könnte man natürlich darauf spekulieren, dass die neue „rote Königin“ Heidi schon umfallen werde, weil eine Sperrminorität nur zusammen mit der AfD funktionieren würde und das für die Linke unter keinen Umständen in Frage käme. Sicherer ist es aus Sicht der Kriegsbegeisterten und der Profiteure in der Rüstungsindustrie aber, wenn sich die Sache noch so im alten Parlament mit den bestehenden Mehrheitsverhältnissen regeln ließe. Man solle aber hinterher bloß nicht so genau fragen, weshalb die Ampel-Regierung doch gleich zerbrach. Nicht, dass noch jemand auf die Idee käme, diese Legislaturperiode hätte von den „demokratischen Kräften“ auch regulär im kriegsbegeisterten Konsens zu Ende gebracht werden können.
Sie wollten nicht und lieber Klarheit vom Wähler. Jetzt stehen sie irgendwie belämmert da. Das ist verständlich. Für die Silberlocke Bodo Ramelow ist daher eine Zusammenarbeit mit Friedrich Merz gar nicht so abwegig. Er gehe davon aus, dass die neue Fraktion im Bundestag genauso kompromissfähig sein werde, wie es seine Fraktion im Thüringer Landtag war. Ob das dem TikTok Shootingstar an der Fraktionsspitze gefällt, muss sich erst noch herausstellen. Jedenfalls lassen die Silberlocken erkennen, nicht ganz so grün hinter den Ohren zu sein, wie eine junge Königin aus Niedersachsen, die ihren kometenhaften Aufstieg ohnehin Friedrich Merz zu verdanken hat, wie andere Silberlocken in ihren Wahlanalysen so nebenbei fallen ließen.
So nähern wir uns am Ende oder am Anfang, je nachdem, wie man es betrachten möchte, also der wichtigsten aller Fragen an, auf deren Beantwortung man im Wahlkampf lieber verzichtet hat. Wie und von wem sollen die immensen Kosten für eine massive Aufrüstung eigentlich getragen werden? Mit Kürzungen beim Bürgergeld oder den Renten kann es eben nicht gelingen. Die Einschnitte in die soziale Absicherung wird es natürlich trotzdem geben, weil man den rechtskonservativen Wünschen der Wähler entsprechen will und die verbliebenen neoliberalen Parteien im Bundestag dann immer noch etwas zum Streiten haben, um zeigen zu können, wie unterschiedlich sie doch sind, obwohl sie es nicht mehr sind. Eins bleibt aber gewiss. Sozialer Kahlschlag und mehr Waffen verbessern das Leben nicht.
Bildnachweis: Screenshot, Berliner Runde, 23. Februar 2025
FEB.
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.