
„Stellen Sie sich vor, ein mäßig erfolgreicher Komiker, Wolodymyr Selenskyj, hat die Vereinigten Staaten von Amerika dazu überredet, 350 Milliarden Dollar auszugeben, um in einen Krieg zu ziehen, der nicht gewonnen werden kann, der nie hätte begonnen werden müssen, aber einen Krieg, den er, ohne die USA und ‚Trump‘, nie wird beenden können.“ Für diejenigen, die die Geschichte erst 2022 beginnen lassen, sind die Aussagen von Donald Trump über die Kriegsschuld natürlich skandalös, wer hingegen etwas weiterschaut, wird zumindest über die Frage nachdenken müssen, wie man den Krieg hätte verhindern können. Möglicherweise hat Trump einen Beitrag dazu geleistet, dass diese notwendige Diskussion beginnt.
Denn bisher gilt die Sprachregelung, dass Russland einen unprovozierten, völkerrechtswidrigen Angriffskrieg (sic!) begonnen habe und nur Russland diesen stoppen könne. Diese Gewissheit ist mit den jüngsten Verhandlungen in Riad (Saudi-Arabien) gehörig ins Wanken geraten. Hier sprechen Russland und die USA über eine Beendigung der Kampfhandlungen, ungeachtet der gegenseitigen Vorwürfe, die man sich in den vergangenen drei Jahren und darüber hinaus machte. Es geht also nicht um das Zählen von Staatschefs, wie auf anderen Friedenskonferenzen, die sich für ein deutliches Signal an Russland hinter die Ukraine stellen, was auch immer das bezwecken sollte, sondern um konkrete diplomatische Schritte.
Zu dieser Bewegung hatte man Russland drei Jahre lang schlichtweg für unfähig erklärt und damit die weitere Unterstützung der Ukraine sowie deren Versorgung mit Kriegsmaterial begründet. Trump beweist nun das Gegenteil. Erstaunlich ist, dass die Europäer, die sich auf nichts einigen können, jetzt aber unbedingt mitverhandeln wollen, im Kern lieber einen Krieg fortsetzen wollen, der nie zu gewinnen war. Trumps Initiative wird hingegen als Appeasement beschrieben. Denn Diplomatie sei nicht, dem Aggressor das zu geben, was er will. Einen Diktatfrieden dürfe es nicht geben. Das Problem an dieser kindischen Betrachtung ist, dass sie die Realitäten vollkommen ignoriert. Denn die Ukraine gewinnt auf dem Schlachtfeld eben nicht, sie verliert.
Wer einen Krieg verliert, ist wiederum nicht in der Position, dem Sieger irgendwelche Zugeständnisse abzuringen. Der Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Das heißt, dass die Politik, die Fähigkeit, sich über strittige Dinge und Themen friedlich auszutauschen und Lösungen zu erarbeiten, der bewaffneten Auseinandersetzung zwingend vorausgehen muss. Seit drei Jahren wird diese notwendige Bedingung allerdings mit der Bemerkung beiseite gewischt, dass der Diktator in Moskau nur aus imperialistischen Motiven heraus handele, es also so etwas wie eine Vorgeschichte gar nicht gebe oder sie allenfalls nur in Form einer Abhandlung verbrecherischer Ereignisse bestehe, die das Narrativ vom wahrhaftigen Bösen unterstützt.
Das Wohl der Sofageneräle
Das ist aber alles beschämende Kinderkacke, für die hunderttausende nun ihr Leben hergeben mussten. Die Verantwortung der vermeintlich guten Seite besteht eben darin, sich einfach hinzustellen und diese Opfer mit der Bemerkung zu akzeptieren, dass allein der Diktator in Moskau das Sterben beenden könne, indem er sich vollständig zurückziehe und sich anschließend selbst den Behörden in Den Haag stelle. In Wirklichkeit bestimmen also die Sofageneräle über das Leben der Menschen in den Schützengräben und überhöhen deren Opfer auch noch damit, dass diese ja für die Freiheit Europas stürben, womit nichts weiter als die körperliche Unversehrtheit eben jener Sofageneräle gemeint ist.
Aus deren Sicht besteht also eine zwingende Logik in der Behauptung, Russland würde seinen Krieg auf ganz Europa ausweiten, obwohl es gleichzeitig in der Ukraine unter hohen Verlusten an Mensch und Material kaum vorankomme. Die vom Einsturz bedrohten Weltbilder werden natürlich in eilig zusammengetragenen Textbeiträgen kompensiert. Einer erinnert sich da gerade an die ersten Kriegstage zurück, als er morgens die Reporterkollegen gesehen habe, die abends nicht mehr wiederkamen. Eine andere Edelfeder sinniert über Narren des Rückzugs, die ohne Not eine Weltordnung aufgeben. Das ist große journalistische Märchenkunst. Dabei geben die USA ein Land auf, was man mit relativ klarem Blick auch als deren Alltagsgeschäft bezeichnen könnte.
Ist denn etwa die überstürzte Abreise aus Afghanistan schon wieder vergessen, als sich verzweifelte Menschen an die Tragflächen von startenden Flugzeugen klammerten? „In der UNO sagten wir immer, wenn eine Partei von Moral spricht, dann läuft es auf Krieg hinaus, und wer von Interessen redet, der sucht eine Lösung. Friedensverhandlungen sind so, das ist knallhart“, erklärt der ehemalige Diplomat und BSW-Europaabgeordnete Michael von der Schulenburg. Nach dem Prinzip des Interessensausgleichs ist allenfalls zu Beginn des Krieges noch verfahren worden, als Russland und die Ukraine direkt miteinander verhandelten, erst in Minsk, später in Istanbul.
Aufgescheuchte Hühner
Das war aber angeblich alles nichts. Erst wurden die Gespräche von den Sofagenerälen nicht sonderlich ernst genommen, später der Verhandlungsstand im Namen der Ukraine (natürlich nicht über sie hinweg) als Diktat für indiskutabel oder unannehmbar erklärt. Als sich Russland dann zurückziehen musste, weil es mit der Invasion überfordert war, nahm man das nicht als Chance für Verhandlungen aus einer Position der Stärke heraus, sondern glaubte wie selbstverständlich an einen Sieg über die Atommacht. Es waren immer die Ansichten der westlichen Sofageneräle, die galten. Die Ukraine hatte nur zufällig die gleiche Meinung wie sie und hätte sich eine andere Sicht auf die Dinge vermutlich gar nicht erlauben dürfen. Warum, weil die Ukraine eben nicht nur die eigene Freiheit verteidigt, sondern vor allem auch die des intellektuell verwahrlosten und den ganzen Tag auf Twitter/X herumdödelnden Superexperten, der ständig im Fernsehen auftreten muss oder ab und zu, allein oder in der Kolonne, auch noch Namensbeiträge in der Zeit veröffentlicht.
Zum großen Finale, weil sich die Lage auf dem Schlachtfeld eben nicht nur theoretisch verbessern, sondern vor allem auch ganz praktisch verschlechtern kann, wird dann eben über „Die Angstmacher“ schwadroniert, die den sicheren Endsieg schon immer gefährdet hätten. Der Twitter-Dödel, der nicht Regierungsberater genannt werden will, er bleibt im Felde unbesiegt. Die Politik muss sich hingegen anpassen. Noch flattern sie wie aufgescheuchte Hühner umher, doch der Kanzler in spe, der erst noch ein Ultimatum mit dem Taurus als Druckmittel an Moskau formulieren wollte, schlägt nun dem amerikanischen Vizepräsidenten am Rande der Sicherheitskonferenz in München einen „vertrauensbildenden“ Waffenstillstand vor. Und Europa? Gipfel folgt auf Gipfel, weil man offenbar nicht damit rechnete, dass Trump das tut, was er lang und breit ankündigte.
Nun wird es ein Ergebnis geben, das schlechter kaum sein könnte. Die Ukraine verliert neben unwiederbringlichen Leben auch noch Land und Ressourcen. Und alles nur, weil der Westen (wiederum im Namen der Ukraine und nicht über sie hinweg) eine Bündnisneutralität nicht akzeptieren wollte. Die Aussicht auf eine Mitgliedschaft in der NATO, die Amerikaner sagen jetzt klipp und klar nein. Schon wieder müssen die Sofageneräle erkennen, dass Freiheit und die davon abgeleitete freie Wahl von Bündnissen eine Illusion ist, aber nicht, weil es der östliche Tyrann militärisch verhinderte, sondern weil es nicht mehr im Interesse des westlichen Hegemonen ist. Auch deshalb müssen die Sofageneräle immer weiter von der anhaltenden Bedrohung fantasieren, diese durch Forderungen nach massiver Aufrüstung unterstreichen und die eigene Bevölkerung zur Kriegstüchtigkeit ermahnen.
Es geht bloß noch um ihre Reputation. Von dem, was in der Wirklichkeit gerade vor sich geht, haben sie offenbar keinen blassen Schimmer.
Bildnachweis: André Tautenhahn
FEB.
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.