![Union und SPD werden regieren](https://www.taublog.de/wp-content/uploads/2025/02/Bildschirmfoto-2025-02-11-um-14.14.52-538x218.png)
Nach der Bundestagswahl wird es eine Koalition aus Union und SPD geben. Weitere TV-Duelle kann man sich daher sparen. Es genügt, sich den lauen Tatort vom Sonntag noch einmal vor Augen zu führen, den auch das ZDF 90 Minuten lang übertrug. Da traten die beim Publikum gänzlich unbeliebten Hauptcharaktere Olaf Scholz und Friedrich Merz gegeneinander an, die mit ihrer Körpergröße übrigens lustigerweise auch die tatsächlichen Umfrageergebnisse widerspiegelten. Ergebnis war aber: Sie sind sich handelseinig.
Denn worin die Unterschiede zwischen Union und SPD nun genau liegen, war nicht zu erkennen, selbst bei dem Thema nicht, das seit Wochen diskutiert wird und zwischen Empörungsritualen und Bekenntniskitsch hin- und her wabert. Die Asyl- und Migrationspolitik. Olaf Scholz warf seinem Kontrahenten vor, einen Tabubruch begangen zu haben, weil dieser mit Stimmen der AfD einen Antrag im Bundestag beschließen ließ und ein Gesetz auf diese Weise beinahe auch noch zustande gekommen wäre. Inhaltlich sind sich beide aber vollkommen einig. Scholz erklärte, was für ein konsequenter Abschieber er doch sei und Merz wiederum, dass man das noch viel lauter tun könne und müsse, damit die Leute auch merken, dass eine geschmacklose AfD-Politik bei Union und SPD auch unter dem Label „demokratisch“ zu haben ist.
Gemeinsame Unfähigkeit
Die Strategie von Scholz, der angriffslustiger und redseliger als sonst auftrat, war klar. Alles, was bisher geschah, ist ein Erfolg. Ich regiere, ich habe gemacht. Merz kann auf einen ähnlichen Werdegang schließlich nicht verweisen. Er hat noch nie regiert und noch nie etwas gemacht, das politisch von Bedeutung gewesen wäre. Er klagte im Jahr 2006 erfolglos gegen die Veröffentlichungspflicht für Nebeneinkünfte von Abgeordneten und schaffte in der Nach-Merkel-Zeit erst im dritten Anlauf den Sprung an die Spitze der CDU. Der Mann ist zwar groß, wirkt aber wie ein Zukurzgekommener, der nun mit einem Umfragevorsprung im Rücken wie Rumpelstilzchen auf den Boden stampft, wo früher Sozialdemokraten noch an Zäunen rüttelten.
Was Union und SPD verbindet, ist nicht nur eine restriktive Migrationspolitik, sondern auch ihre Unfähigkeit, die Ökonomie richtig zu verstehen. Das zeigt der Eiertanz um die Staatsfinanzen. Das Thema ist die zentrale Frage unserer Zeit. Sie wird nicht zuletzt durch einen kompromisslosen amerikanischen Präsidenten erneut gestellt. Bei der Beantwortung scheiterten bereits die Architekten der Ampel, die sich zunächst noch mit Notlagenbeschlüssen, um eine Ausnahme von der Schuldenbremse zu begründen, herumdrücken konnten. Sie verständigten sich aber auf einen Dreisatz aus mehr Investitionen bei Einhaltung der Schuldenbremse und Ausschluss von Steuererhöhungen. Die Lösung hieß Umwidmung von Sondervermögen und deren Kreditermächtigungen. Man machte also Schulden auf Vorrat und konnte sagen, die Schuldenregel dennoch einzuhalten.
Das ging zwei Jahre gut, bis eben jener Friedrich Merz und andere ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht anstrengten, um bestätigen zu lassen, dass diese Art der Haushaltsführung rechtswidrig war. Mit Erfolg. Denn mehr Schulden macht man in Deutschland nur mit Zustimmung der Union, indem man beispielsweise ein Sondervermögen Bundeswehr über 100 Milliarden Euro bildet und dieses mit Zweidrittelmehrheit ins Grundgesetz schreibt. So oder so ähnlich wird es auch bei einer Koalition aus Union und SPD wieder kommen. Der amtierende Kanzler, der ebenfalls viel Richtiges an der Schuldenbremse findet („Ich habe überall in Europa gesagt: Ein deutscher Finanzminister ist ein deutscher Finanzminister, egal welches Parteibuch er hat. Ich glaube, die Botschaft ist gut angekommen.“, Regierungserklärung Bundesfinanzminister Olaf Scholz am 22. März 2018), möchte lediglich eine sanfte Reform des Instruments, nicht dessen generelle Infragestellung oder gar Abschaffung.
Gleich als erstes
Das ist konsensfähig. Denn Friedrich Merz hat ein Problem. Er knüpft seine Ausgabe-Versprechungen wie Aufstockung des Rüstungsetats oder seine Einnahme-Verzichtsankündigungen durch Steuersenkungen bei allen, inklusive der Reichen und der Unternehmen auf ein nicht näher erklärtes wirtschaftliches Wunderwachstum, das die Defizite in naher Zukunft ausgleicht, obwohl das – follow the science – bereits wissenschaftlich und empirisch klar widerlegt worden ist. Im Gespräch sind natürlich auch Einsparungen durch Kürzungen von Ausgaben, die allerdings rechtlich vorgeschrieben sind, was nur das geringste Problem an dieser Art von grundgesetzwidriger Politik darstellt. Viel schwerwiegender ist der unerschütterliche Glaube an Staatsausgaben, deren Charakter ausschließlich darin bestünde, Kosten zu sein. Das ist falsch. Staatsausgaben sind Einkommen. Folglich kann der Staat auch nur das einnehmen, was er selbst ausgibt.
Diese Logik ist umso wichtiger, da ein amerikanischer Präsident nicht mehr bereit ist, ein Leistungsbilanzdefizit mit Deutschland länger hinzunehmen. Möge daher die Zollschlacht beginnen, auf die keiner der beiden eine überzeugende Antwort weiß. Merz wolle auf Augenhöhe mit dem amerikanischen Präsidenten reden und die Dinge dann im Dialog klären und Scholz die EU bemühen. Doch die ist genauso hilflos wie er. Merz wird daher vermutlich als begossener Pudel aus Washington zurückkehren und einzig vermelden können, dass Trump immerhin kein Interesse am Sauerland hat. Dort würde man sich aber etwas wünschen, was der reiche Blackrocker mit Privatjet noch nie verstanden hat. Eine höhere inländische Nachfrage nach Dienstleistungen und Waren, die es nur geben kann, wenn auch höhere Einkommen zur Verfügung stehen. Vom Staat wird man sich wünschen, dass der seine Aufgaben erfüllt und durch Investitionen beispielsweise für stabile Brücken, Straßen und Schienen sorgt.
Doch weder Merz noch Scholz haben auch nur den Hauch einer Ahnung davon, was Schulden eigentlich sind. Sie wissen daher nicht, dass die Überschüsse im Außenhandel (Exportmodell), die beide weiterhin anstreben und toll finden, nur durch Schulden gebildet werden können. Da die aber ein anderer in seiner Bilanz verbuchen muss, können beide einfach so tun, als wüssten sie, wie man eine vernünftige Finanz- und Wirtschaftspolitik ohne neue Schulden betreibt. Trump wird es dem Merz aber erklären. Und der wird mit seinem Koalitionspartner SPD eine moderate Reform der Schuldenbremse aushandeln müssen, gleich als erstes übrigens, weil ein Haushalt für das laufende Jahr noch gar nicht beschlossen ist. Ohne einen Ausgabenplan kann die sauerländische Trump-Karikatur aber auch keine zusätzlichen Truppen mobilisieren, um die deutschen Grenzen vor was auch immer zu schützen.
Zum Verzweifeln
Und da kommt man schließlich an einen Punkt, der einen Verzweifeln lässt und auf den Heribert Prantl gerade hingewiesen hat. Merz sei es gelungen, den Wahlkampf zu monopolisieren und den Eindruck zu erwecken, die Umsetzung einer Reihe von extremen Forderungen sei der Schlüssel zur Lösung der wichtigsten Probleme in Deutschland. Alle Personen, die „vollziehbar ausreisepflichtig“ sind, sollen demnach in Haft kommen, heißt es im Fünf-Punkte-Migrationsplan des Unions-Kanzlerkandidaten. Weil das aber je nach Lesart sehr viele Menschen betrifft, sollen statt Wohnungen eben in erster Linie Knäste gebaut oder leerstehende Liegenschaften ertüchtigt werden. „Wer dies fordert und so formuliert („vollziehbar Ausreisepflichtige müssen unmittelbar in Haft genommen werden“), hat entweder keine Ahnung von der Materie oder ist im Rechtsextremismus zu Hause.“
Und Leute, die so etwas bejubeln, übersehen vermutlich, dass die Schaffung derartiger Kapazitäten samt Personal natürlich auch enorme Summen an Geld verschlingt, das der Steuerzahler dann ebenso aufzubringen hat. Dadurch sinken aber weder die hohen Lebensmittel- und Energiepreise noch die Mieten oder gar die Kosten für Gesundheit und Pflege, also in den Bereichen, in denen immer häufiger Menschen mit Migrationshintergrund für vergleichsweise niedrige Löhne arbeiten und somit den Laden überhaupt noch am Laufen halten. Prantl schreibt: „Im Jahr 2030 werden fünfeinhalb Millionen Menschen solche Fürsorge brauchen. Schon heute fehlen mindestens 200.000 Pflegekräfte. In einigen Pflegeheimen machen Pflegekräfte mit Migrationshintergrund bis zu vierzig Prozent des Personals aus.“ Das bleibt dann wohl ein Thema für den Koalitionsausschuss.
Das Gespräch der beiden künftigen Koalitionspartner bot dagegen keine neuen Erkenntnisse und es ist auch nicht zu erwarten, das weitere Duelle, die mit noch mehr Spitzenkandidaten aufgeblasen werden, daran etwas ändern. Sie sind sich ja einig bei einer härteren Gangart in der Asylpolitik und bei Steuererleichterungen für die große Industrie. In Sachen Außenpolitik fehlt bei beiden und anderen eine Strategie. Sie eint lediglich der Wille, in Zukunft noch mehr Geld für Rüstung auszugeben und dem zu folgen, was der Verteidigungsminister „kriegstüchtig werden“ nennt. Mit einem wie Pistorius wird ein Kanzler Merz vermutlich dann auch ohne größere Probleme weitermachen können. Scholz hingegen sieht unter Merz keine Perspektive für sich. Er müsste sich ohnehin verstärkt seinen Erinnerungslücken widmen.
Bildnachweis: Screenshot, TV Duell ARD und ZDF vom 9. Februar 2025.
FEB.
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.