Das Gespräch zwischen Elon Musk und Alice Weidel war natürlich viel Lärm um Nichts, nicht weiter von Belang, allerdings gibt es manchmal auch so Kleinigkeiten, die aufhorchen lassen, und zwar als die beiden am Anfang über die Energiepolitik sprachen und sich gegenseitig darin bestätigten, wie verrückt es doch sei, die Atomkraftwerke in Zeiten von Energieknappheit abzuschalten. Elon Musk sagte sinngemäß, dass er kaum etwas Verrückteres erlebt habe.
Wenn man nun einmal annimmt, dass Elon Musk stellvertretend für die amerikanische Position steht und man sich das Jahr 2022 noch einmal in Gänze vor Augen führt, insbesondere die Debatte um die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken innerhalb der Ampelregierung, darf man davon ausgehen, dass die Amerikaner möglicherweise sehr verunsichert darüber waren, wie die Deutschen ihre Energiepolitik für die kommenden Jahre ausrichten würden.
Nun sprechen Musk und Weidel wohl vor allem über die Zeit nach dem Anschlag auf die Nord Stream Pipelines. Der fand am 26. September 2022 statt. Davor gab es allerdings bereits eine ausgeprägte Debatte in der Bundesregierung wie auch in der Öffentlichkeit darüber, wie eine drohende Energieknappheit kompensiert werden könnte. Insbesondere eine Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken war im Gespräch und sorgte für Streit, der vor allem ideologisch geführt worden ist.
„Die politische Debatte entwickelt sich rund um den drohenden dauerhaften Gasstopp aus Russland also ständig weiter“, heißt es in einem damaligen Bericht. Worin besteht nun die Unsicherheit aus amerikanischer Sicht? Ganz einfach. In der Ostsee lag mit Nord Stream 2 eine mit russischem Gas befüllte und technisch betriebsbereite Pipeline, die zudem vom russischen Präsidenten wie Sauerbier angeboten worden war. Sein Interesse bestand stets darin, mit der Betriebsaufnahme endlich einen Haken an dieses insgesamt sehr teure Investment zu machen und gegenüber den USA Fakten zu schaffen, die dieses Projekt von Anfang an verteufelten.
Die Bundesregierung lehnte es bekanntermaßen ab, Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen, der Kanzler posierte in dem Sommer, der 3. August 2022 war das, sogar vor einer gewarteten Gasturbine in Mühlheim, um deutlich zu machen, dass Putin sie nur abzuholen braucht (der internationale Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten existierte ja noch nicht), um Nord Stream 1 vertragsgemäß wieder in Betrieb zu nehmen. Das Ganze hatte buchstäblich etwas von einem Kindergarten, der zunehmend auf Unverständnis stieß und vor allem Zweifel an der Haltung der Bundesregierung aufkommen ließ.
Das trieb sogar den ein oder anderen Bürger auf die Straße. Kurz vor der Sprengung von Nord Stream 2 demonstrierten beispielsweise 3000 Menschen in Lubmin für die Öffnung der Pipeline und für bezahlbare Energie. Diese Unmutsbekundung sortierte man wie üblich an den rechten Rand ein, jedoch waren die Gegenargumente lächerlich. Wenn Russland schon nicht durch Nord Stream 1 liefern wolle, dann auch nicht durch Nord Stream 2, so die Behauptung, die um den Zusatz, Putin habe den Gashahn abgedreht, erweitert wurde.
Nur stand das im Widerspruch zum Angebot des russischen Präsidenten und einem simplen Experiment, es einfach darauf ankommen zu lassen. Man hätte das Gas, das sich bereits in Nord Stream 2 befand, auch einfach pfänden können, um die angeblich unterschlagene Menge, die durch Nord Stream 1 hätte geliefert werden sollen, auszugleichen. Nichts davon geschah. Stattdessen wurde sich die Bundesregierung darüber bewusst, auf welch verlorenem Posten sie stand. Wirtschaftsminister Habeck lehnte die Forderung nach einer Inbetriebnahme von Nord Stream 2 schließlich mit der Begründung ab, dass Putin dann sein Ziel erreicht hätte, Sanktionen zu brechen.
Mit anderen Worten: Es gab gar kein logisches Argument gegen die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 (offiziell war der Prozess der Zertifizierung nur nicht abgeschlossen) außer die der Sanktionen, die vor allem amerikanische waren. Dass Putin angeblich gar nicht liefern wollte, war also ein Märchen. Diese widersprüchliche Kommunikation der Bundesregierung dürfte jenseits des Atlantiks die Alarmglocken noch einmal zum Schrillen gebracht haben. Würde die Ampel doch noch umkippen, vor allem, wenn sich der parallel laufende Streit um die Atomkraftwerke weiter zuspitzen sollte?
Ein noch deutlicheres Motiv, mit Nord Stream eine Variable aus der Gleichung zu nehmen, gibt es eigentlich gar nicht und ausgerechnet Musk bestätigt das indirekt im Gespräch mit einer überraschend unterwürfigen Weidel, die es für gänzlich überflüssig hält, den Amerikaner darauf anzusprechen, ob denn die USA etwas mit der Sprengung zu tun haben könnten. Stattdessen dient sich die AfD-Vorsitzende amerikanischen Interessen ebenso an, wie die von ihr gescholtenen „Altparteien“, indem sie noch mehr Geld für Aufrüstung fordert als es die allseits kriegsbereiten Grünen bereits tun.
Mit fünf Prozent der Wirtschaftsleistung möchte Weidel genau die Vorgabe erfüllen, die der neue US-Präsident Trump mal eben neben den territorialen Ansprüchen auf Grönland und Panama erhoben hat. Doch ganz Deutschland diskutiert gar nicht über eine aggressive amerikanische Außenpolitik, die es schon immer gab, sondern lediglich darüber, ob ein bestimmter Milliardär, für den man vorher noch eilig Auflagen aus dem Weg räumte, damit er eine Gigafactory neben Natur- und Landschaftsschutzgebiete in Brandenburg bauen durfte, zu viel Einfluss auf die deutsche Politik nehmen könnte.
Dass dies auch andere Milliardäre tun, muss an dieser Stelle gar nicht noch einmal erwähnt werden und dass der Versuch der Einflussnahme auch umgekehrt stattfindet, liegt ebenso auf der Hand. Ein etwas belangloses Beispiel ist der Post des Auswärtigen Amtes während des amerikanischen Wahlkampfes im Netzwerk von Elon Musk. Das Prinzip der Einflussnahme ist genuin für das westliche Selbstverständnis. Im Falle von Deutschland kommt aber auch noch eine als Überheblichkeit getarnte Dummheit hinzu. Das Land zahlt nun den Preis für eine Wirtschaftspolitik, die seit Einführung des Euro auf dauernde Leistungsbilanzüberschüsse setzt.
Schon Obamas Finanzminister Timothy Geithner forderte Länder wie Deutschland auf, die Ungleichgewichte in den Handelsbilanzen abzubauen. Die deutsche Seite wies das stets zurück, unter anderem mit dem Verweis auf die guten Produkte, die deutsche Unternehmen bauen. Man könne sich als Exportnation also gar nicht dagegen wehren, Überschüsse zu bilden, Klammer auf, sollen doch die anderen genauso gut werden, Klammer zu. Dass der relative Wettbewerbsvorteil aber nicht nur in der Innovationskraft begründet lag, sondern vor allem etwas mit Währungsunion, günstigen Energiepreisen und damit geringen Produktionskosten zu tun hatte, lernt man heute auf die harte Tour.
Durch den Anschlag auf Nord Stream hat eine Verschiebung der Abhängigkeiten stattgefunden. Statt günstiges russisches Pipelinegas, steht nun vor allem teures LNG aus den USA zur Verfügung, die ihre Marktposition in diesem Geschäft deutlich haben ausbauen können. Inzwischen dämmert auch den Fachleuten hierzulande, dass eine neue Abhängigkeit entstanden ist, die der neue US-Präsident als Druckmittel einsetzen könnte. Nicht nur der übrigens. Schon Biden drosselte die Ausfuhr von LNG unter etwas fadenscheinigen Argumenten.
Ins Bild passt der gestiegene Bezug von LNG aus Russland, den man, wie es sich für eine Kolonie wohl gehört, nun auch noch wegsanktionieren will, ganz im Sinne des Mutterlandes USA. Dort überlegt übrigens ein anderer Milliardär wiederum die Reste von Nord Stream 2 zu ersteigern. Es wäre eine einmalige Gelegenheit, die Energieversorgung Europas unter amerikanische und europäische Kontrolle zu bringen. Da Europa kaum mehr als ein Vasallenstatus zukommt, bliebe in der Gleichung natürlich lediglich „unter amerikanische Kontrolle“ stehen.
Bildnachweis: Kremlin.ru, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons
JAN.
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.