Die Ampelregierung ist an dem gegenseitigen Verlesen der eigenen Sprechzettel zerbrochen und alle verantwortlichen Personen leiten diese Entwicklung mit der Wahl Donald Trumps zum amerikanischen Präsidenten ein. Da muss man schon fragen, ist Deutschland doch nur ein Vasall der USA, gemäß dem Motto, Trump kommt, die Ampel geht?
Die Bundesregierung spricht endlich Klartext. Ganz unabhängig voneinander lesen sich die Ampelpartner die Leviten. In den Haltungsnoten etwa so: Scholz tritt nach langer Zeit mal wieder wie ein Sozialdemokrat auf. Die Abrechnung mit Lindner sitzt, wobei die Erkenntnis, dass eine Notlage wegen des Ukraine-Krieges besteht, etwas überraschend kommt. Krieg ist seit fast drei Jahren und diese Regierung vor allem für Waffen, statt für Diplomatie zu haben. Zwischendurch fanden aber alle drei Ampelpartner, dass haushaltspolitische Normalität wieder einkehren müsse. Der Punkt ist wohl, nach der Wahl Donald Trumps ist dem Kanzler klar geworden, deutsche Schuldenbremse funktioniert nicht mehr.
Denn bei der Sache mit den Schulden wird immer nur auf die Inlandsschulden geschaut, aber nie auf die Schulden, die das Ausland aufnimmt, um den 250 Milliarden großen Leistungsbilanzüberschuss des deutschen Staates zu finanzieren. Wenn nun einer wie Trump sagt, dass er das nicht mehr will und weiter Zölle erhebt, wie er es schon in seiner ersten Amtszeit tat – und Biden übrigens fortsetzte -, dann stellt sich die Frage, „wer dann die Schulden aufnimmt, die den ebenfalls 250 Milliarden an deutschen Ersparnissen gegenüberstehen müssen“, so Heiner Flassbeck auf Relevante Ökonomik. Der Chef des arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft Michael Hüther hat es verstanden und schlägt zum Erstaunen vieler milliardenschwere Investitionsprogramme vor. Er fordert eine Abkehr von der „Sparschweinmentalität“.
Bis zu Christian Lindner und seinem Chefberater Lars Feld ist das aber bislang noch nicht durchgedrungen. Sie klammern sich weiterhin an die vermeintliche Strahkraft der Schwäbischen Hausfrau in der Hoffnung, dass der etwas schläfrige deutsche Michel nicht erkennt, dass einstürzende Brücken etwas mit dem zu tun haben, was Lindner solide Haushaltspolitik nennt. Er wirft dem Kanzler nun einen kalkulierten Bruch der Koalition vor. Damit hat er wohl recht, aber das beruht wohl auf Gegenseitigkeit, schließlich war er es wohl, der die Meldung vom geordneten Neuwahlangebot an die Bildzeitung gab. Das Statement des Kanzlers klang vorbereitet, war lang und präzise, das von Lindner wirkte eher spontan und war auch inhaltlich falsch. Die Aussetzung der Schuldenbremse ist weder Verfassungsbruch, noch eine Verletzung des Amtseids. Er hat das ja auch schon gemacht. Er hätte sich besser vorbereiten sollen. Die Grünen wirkten in freier Rede draußen beim übertriebenen Moralisieren etwas fahrig, dafür überzeugten die Frisuren.
Wie geht es nun weiter? Neuwahlen gibt es nicht sofort, auch das lernt die Öffentlichkeit, der man den Blick ins Grundgesetz bislang nicht sonderlich nahelegte und die Opposition bereits von Hängepartie schwadroniert, um die Realität zu verschleiern. Es gibt Regeln und der Kanzler mit seinem Team, das sich wohl immer noch für ziemlich geil hält, fordert zunächst einmal den Sprücheklopfer aus der Opposition heraus. Er möge einmal in staatspolitische Klausur gehen. Gut möglich dass er als späterer Kanzler selbst die Haushaltsnotlage erklären und Überschreitungsbeschlüsse organisieren muss. Die Vertrauensfrage auf den Januar zu legen, ist daher dem Wahlkampf geschuldet. Der Kanzler muss schließlich aufholen und das kann er nur im Parlament, in dem er der Öffentlichkeit einen Oppositionsführer vorführt, der unter Umständen in Sachen Verantwortungslosigkeit dem unfähigen Finanzminister in nichts nachsteht. Er könnte zum Beispiel Fotos vom Privatjet auf Sylt zeigen, als derjenige Glamour-Hochzeit feierte, der findet, dass man die Mietkosten beim Bürgergeld pauschalisieren sollte, um den Betroffenen die Freiheit zu geben, in kleinere Wohnungen zu ziehen.
Lustig sind natürlich die müden Gesichter der Hauptstadtjournalisten. Die kommen schließlich aus Sorge um die Demokratie seit zwei Nächten nicht in den Schlaf. Die Dialektik der Kollegen ist auch schwer zu fassen. Ständig über Neuwahlen reden, berechtigte Regierungskritik aber gern als Delegitimierung des Staates diffamieren. Das passt nicht wirklich zusammen. So wird der Wähler die passende Antwort geben müssen. Der Wahlkampf ist eröffnet. Der Kanzler stellt die Gerechtigkeitsfrage. Es dürfe kein entweder oder geben, die Zeitenwende also nicht auf Kosten der sozialen Sicherheit gehen. Die Grünen schließen sich an, würden aber ausdrücklich gern zuallererst die Waffenbeschaffungslücke schließen. Sie scheinen mit impotentem Bellizismus noch mehr Wähler gewinnen zu können, die inzwischen bedauern, den Wehrdienst einst verweigert zu haben.
Und die FDP? Dazu hat der Kanzler im Prinzip alles gesagt. Dem Land kann man so eine Truppe nicht länger zumuten. „Wer Führung bei mir bestellt, bekommt sie auch“, hatte Scholz einst gesagt. Mit dem Rausschmiss Lindners hat er diesen Anspruch nach drei Jahren ein Stück weit eingelöst.
Bildnachweis: Screenshot BPK, 5. Juli 2024
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Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.