Begründete Zweifel

Geschrieben von: am 09. Aug 2024 um 8:07

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Kubicki hat auf seiner Seite einen langen Aufsatz über die RKI-Files veröffentlicht, die er genauer gelesen haben will als andere. Nach Durchsicht der Protokolle kommt er zu interessanten Ergebnissen, insbesondere was die Einflussnahme der Politik auf das RKI anbelangt und das Verhalten der Behörde in seiner Stellungnahme als sachkundiger Dritter vor dem Bundesverfassungsgericht. Hier muss aufgearbeitet werden. Das stimmt, aber ist das auch ernst gemeint? Daran bestehen Zweifel.

So macht Kubicki die Aufarbeitung lediglich zur Bedingung für die Teilnahme an einer künftigen Koalition, was im Klartext heißt, dass die FDP die Weigerung von SPD und Grünen, schon jetzt einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, mehr oder weniger akzeptiert. An der Coronaaufarbeitung wird diese Koalition nicht scheitern. Dass Kubicki dem derzeitigen Gesundheitsminister nahelegt, persönliche Konsequenzen zu ziehen, ist in diesem Zusammenhang nicht mehr als heiße Luft. Karl Lauterbauch bleibt ein Phänomen, bei dem auch weiter gilt, was Kevin Kühnert verkündete, als der noch bei Twitter unterwegs war.

Nikolaus ist, wenn Wünsche erfüllt werden. Ihr wolltet ihn – ihr kriegt ihn.

Lauterbach ist ein politischer Überlebenskünstler, dem bislang kaum eine Lüge oder wirrer Fernsehauftritt etwas anhaben konnte. Auf so eine Reizfigur scheint einer wie Wolfgang Kubicki wiederum angewiesen zu sein, um den eigenen Marktwert zu steigern. Wer erinnert sich nicht an die Spacken- und Dumpfbackendiskussion in Springers Bild, die mehr der Unterhaltung in pandemischen Zeiten diente. Natürlich macht das alles die Fragen und Einschätzungen zum tatsächlichen Pandemie Management nicht überflüssig. Sie sind notwendig und berechtigt. Kubicki legt den Finger in die Wunde und schreibt etwa:

Warum hat Lothar Wieler als Präsident gegenüber dem Bundesverfassungsgericht die zum Teil massiven internen Vorbehalte seines Institutes nicht kommuniziert? Was sollen wir davon halten, wenn eine Bundesoberbehörde hinter verschlossenen Türen einen Sachverhalt anders einschätzt als vor Gericht – und damit möglicherweise eine Entscheidung von enormer Tragweite zugunsten einer Partei beeinflusst? Und wieso waren die Karlsruher Richter so naiv anzunehmen, dass eine weisungsgebundene Behörde plötzlich unabhängig als „sachkundiger Dritter“ befragt werden könne – ohne darauf einzugehen, dass es ein problematisches Abhängigkeitsverhältnis zur Bundesregierung geben könnte? Und nicht nur das: Das Gericht versah die Einschätzungen des Robert Koch-Institutes in der rechtlichen Würdigung vielmehr mit einem besonderen Gewicht, weil jenes ja im gesetzlichen Auftrag handele. Was können wir also retrospektiv von diesem ohnehin umstrittenen Urteil zur Bundesnotbremse halten? Das sind Fragen, mit denen sich eine parlamentarische Aufarbeitung beschäftigen sollte.

Das ist genau die richtige Stoßrichtung, die andeutet, dass nicht nur die Exekutive, sondern auch das Bundesverfassungsgericht Aufklärungsarbeit zu leisten hat. Er schreibt das allerdings auf einer Seite der FDP und nicht, wie sonst üblich, in einem Gastbeitrag bei der Welt oder sonst einem befreundeten Medium. Klar soll wohl werden, wofür die FDP steht. In den Umfragen jedenfalls nicht gut.


Bildnachweis: André Tautenhahn

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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