Den Frieden wollen, aber den Kompromiss fürchten

Geschrieben von: am 16. Jun 2024 um 21:47

Zwei Jahre lang hieß es trotzig von den westlichen Staatenlenkern und Experten, Russland könne den Krieg sofort beenden, indem es seine Truppen aus der Ukraine abzöge. Wer dagegen Verhandlungen fordere sei nur ein Lumpen-Pazifist. Inzwischen ist man zu der Erkenntnis gelangt, dass eine Lösung des Konflikts am Ende doch nur mit Russland an einem Verhandlungstisch gelingen kann. Aber noch nicht jetzt. Unisono wird von der Schweizer Konferenz als einem ersten Schritt von vielen gesprochen, auf dem Weg hin zu einem Friedensprozess.

Der Kanzler bringt nun beides zusammen: „Es ist wahr, dass der Frieden in der Ukraine nicht erreicht werden kann, ohne Russland mit einzubeziehen.“ Und: „Russland könnte diesen Krieg heute oder zu jedem beliebigen Zeitpunkt beenden, wenn es seine Angriffe einstellt und seine Truppen aus der Ukraine abzieht.“ Da kaum etwas vor hübscher Kulisse zu erwarten war, wurde vor allem betont, wie viele Staaten mit unterschiedlichen Meinungen an der Konferenz teilgenommen haben. Ist es also gar kein Friedens-, sondern ein Solidaritätsgipfel? Ein schönes Foto wurde jedenfalls gemacht. Allerdings bestanden einige Länder darauf, nicht in offizieller Mission vertreten zu sein, sondern lediglich nachgeordnete Beamte entsandt zu haben, die lediglich beobachten sollten.

Mitgetragen haben einige dieser Länder das Abschlussdokument dann auch nicht, andere Staaten, die ihre Unterschrift hingegen leisteten, haben damit keinen Weg aufgezeigt, um einen Friedensprozess in Gang zu setzen, sondern einen Weg, um die Sache weiter in die Länge zu ziehen. Denn für einen Frieden oder Waffenstillstand steht es für die Ukraine auf dem Schlachtfeld zu schlecht. Beides wäre nur unter dem Eingeständnis einer Niederlage zu haben. So etwas kann der Westen, allen voran die USA, gerade nicht gebrauchen. Deren Präsident kam gar nicht in die Schweiz, sondern zog es vor Wahlkampf zu machen. Um dort wiederum punkten zu können, braucht er nichts, was wie eine Niederlage der Ukraine aussieht, aber ganz sicher ein Ende des Krieges in Gaza. Israels Vorgehen ist in den Staaten nicht satisfaktionsfähig.

Insofern ist das Gerede von den „Experten“ und den Journalisten, die von einem ersten Schritt sprechen, wo auch immer hin, ebenfalls nur Propaganda. Sie sagen Russland sei nicht bereit zu verhandeln, vielleicht sind es die USA und der Westen aber auch nicht. Hat man das mal überprüft? Russland hat unmittelbar vor dem Gipfel in der Schweiz ein Angebot unterbreitet, das der Westen sofort als den gescheiterten Versuch eines Störmanövers bezeichnete und umgehend zurückwies. Denn Putin habe nichts anderes gemacht, als die Ukraine zur Kapitulation aufzufordern. Dabei tut Russland genau das, was der Westen umgekehrt von der Ukraine immer erwartet hatte und immer noch erwartet. Das Ergebnis auf dem Schlachtfeld zu nutzen, um aus einer Position der Stärke heraus, den anderen an den Verhandlungstisch zu zwingen.

Russland beweist im Grunde nur, wie dämlich diese westliche Haltung zum Krieg immer war. Denn dort hat man offenbar nie in Betracht gezogen, dass sich die Lage der Ukraine auf dem Schlachtfeld auch verschlechtern könnte, aller Waffenlieferungen zum Trotz. Die Frage, die daher im Raum steht, ist, was denn nun passiert, wenn sich die Lage weiter verschlechtert. Um das nicht beantworten zu müssen, behaupten die elenden „Experten“, die mal im Stab einer erfolglosen CDU-Vorsitzenden waren, halt stoisch weiter, die Ukraine könne diesen Krieg noch gewinnen. Kann sie vermutlich aber nicht, da der Westen nur Waffen, aber keine neuen Ukrainer bereitstellen kann. Insofern bleibt die Konferenz auch nur ein Versuch, in der Propagandaschlacht einen Punkt zu machen, schließlich ging kürzlich bei den EU-Wahlen so einiges Vertrauen in die Kriegsbegeisterten verloren.

Dazu vielleicht noch das Zitat der Woche. Es steht in der NZZ und offenbart den Charakter der Guten, die vorgeben, einen Frieden zu wollen, den Kompromiss im Rahmen ihrer Show aber fürchten.

Dass Moskau nicht vertreten ist auf dem Bürgenstock, ist daher kein Mangel, sondern ein Vorteil. Es gilt eine Situation zu vermeiden, in der die Ukraine plötzlich zu Konzessionen gegenüber dem Angreifer gedrängt wird und Moskau einen Propagandaerfolg erzielt.

NZZ

Bildnachweis: ZDF heute via YouTube.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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