Berlins Regierungschef Kai Wegner (CDU) hat begriffen, was zu tun ist. Er fordert die Aussetzung der Schuldenbremse für die nächsten fünf Jahre. Sie sei eine Zukunftsbremse, sagt er. Hört, hört. Das steht im Widerspruch zur Haltung von CDU-Chef Friedrich Merz, aber auch zur Ampelregierung, die sich immerhin „Mehr Fortschritt wagen“ auf die Fahnen geschrieben hat. Der scheint aber lediglich darin zu bestehen, alt-ordoliberalen Sonntagsreden ein Comeback zu verschaffen. Es droht die Rückkehr der Voodoo-Ökonomie.
Das befürchtet Thomas Fricke in seiner aktuellen Kolumne für den Spiegel. Man könnte sagen, wenn schon die vermeintlich Progressiven ihr Heil in überkommenen Dogmen suchen, braucht es halt einen CDU-Mann aus Berlin, der die richtige Einstellung an den Tag legt. Wegner koaliert mit der SPD, aber das ist wohl nicht sein Antrieb, sondern vielmehr die Tatsache, dass die Hauptstadt notorisch pleite ist und die Pflichtaufgaben trotzdem irgendwie finanziert werden müssen. Die Sparpolitik, wie in einigen Bezirken bereits angekündigt, wirkt da nicht sonderlich befriedend, sondern empörend.
Doch zurück zur Bundesregierung mit dem Fortschritt, die im Angesicht der Rezession eine massive Intervention in Form eines Konjunkturprogramms bisher ablehnt, dafür aber von einer in die nächste Kürzungsorgie stolpert. Nun hat es die Digitalisierung erwischt. Sie wissen noch, dieses komische Thema, wo die FDP plakatieren ließ „Digital first. Bedenken second.“ Das war noch zu Zeiten als man lieber gar nicht regierte als schlecht zu regieren. Nun regiert man, aber auch nicht sonderlich gut. Denn selbst die bleierne Kanzlerin wusste, dass man in eine Krise lieber nicht hinein spart, sondern antizyklisch agieren muss.
Wie das gehen könnte, zeigen andere Staaten, die sich nicht mit ideologischen Dogmen zur Staatsverschuldung beschäftigen, sondern pragmatische Lösungen wählen und dabei auch wissenschaftlichen Rückhalt genießen.
Die trotzige Ablehnung von allem, was irgendwie nach öffentlicher Industriepolitik aussieht, wirkt in der heutigen Welt befremdlich. Und das passt nicht zur wachsenden Forschung dazu, wie erfolgreich so eine Strategie für die Wirtschaft sein kann. […] Es gibt auch bei uns mittlerweile etliche Denker, die auf Modernisierungskurs sind, keine Frage. Nirgendwo sonst scheint aber das alte noch so ideologisch eindimensional präsent wie hier. Als sei die Zeit stehen geblieben. Höchste Zeit, Deutschland zu modernisieren.
Schade, das ein Christian Drosten nichts von Volkswirtschaft versteht. Obwohl das auch egal wäre. Es würde ja reichen, wenn er nur so täte. Denn mit einem wöchentlichen Podcast von ihm würde diese Bundesregierung und die etwas belämmerte Bevölkerung bestimmt endlich den Fortschritt wagen, der allerdings schon längst keiner mehr ist, weil die Strategien zum Einmaleins der Staatskunst gehören. Nur nicht in Deutschland. Bis dahin lesen wir halt noch ein paar lustige Tweets von Forschungsministerinnen und die Antwort darauf. Fußball ist ja auch schon wieder vorbei.
Bildnachweis: André Tautenhahn
AUG
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.