Am Samstag war der Putsch schnell futsch, am Sonntag die Diskussion darüber bei Anne Will ein Hohn und am Montag ist wieder einmal Wählerbeschimpfung angesagt, weil das Ergebnis einer Landratswahl die aufrechten Demokraten plagt. Nur sollten die jetzt nicht glauben, beim nächsten Mal mehr Stimmen abzustauben.
Die Tatsache, dass einem die Regierungspolitik nicht passt, sei noch lange kein Grund eine rechtsextreme Partei zu wählen, heißt es im belehrenden Ton. Nicht zu wählen geht auch irgendwie nicht, da man auf diese Weise die Demokratie schwäche und damit wiederum den Rechten in die Hände spiele. Eine der Kleinstparteien zu wählen, die üblicherweise unter Sonstige gelistet werden, wäre demnach zwar immerhin demokratisch, aber nicht mehr als ein sinnloses Verschenken der wichtigen Stimme, was ebenso nur den Rechten nütze. Was bleibt dann also dem Souverän? Er muss eine der Parteien wählen, die ihm schon lange nicht mehr passen. Das ist die genehme Demokratie.
Im thüringischen Sonneberg standen sich nun aber nur zwei Kandidaten in einer Stichwahl um ein kommunales Spitzenamt gegenüber. Demokratisch wäre es nach gängiger Lesart also nur gewesen, den Wahlempfehlungen aller bis dahin unterlegenen Kandidaten zu folgen und für einen CDU-Mann zu stimmen. Alles andere sei ein Tabubruch, eine Bedrohung der Demokratie, vielleicht sogar ihr Untergang. Nur wie demokratisch ist es eigentlich, ständig Angst vor Wahlen zu haben und diese auch noch mit einer Art von Katastrophenrhetorik zu schüren? Wird denn nicht ständig erklärt, dass die Rechten nur deshalb profitieren, weil sie selbst immer wieder Ängste schüren? Nun gewinnen sie aber auch, weil ihre Gegner dieselbe hilflose Strategie anwenden, aber glauben, damit ein anderes Ergebnis zu erzielen.
Dabei ist es doch offenkundig so, dass die Parteien, die sich in Abgrenzung zur AfD als alleinig demokratisch zulässig betrachten, immer unattraktiver für Wähler werden. Und zwar eben nicht nur im Osten, worauf Sebastian Friedrich hinweist.
Besonders stark ist die AfD im Osten, wo sie inzwischen sogar mit Abstand auf Platz eins liegt. Dennoch wäre es falsch, die AfD primär zu einem hauptsächlich ostdeutschen Phänomen zu erklären, denn auch bei der Bundestagswahl hatte sie bereits überdurchschnittlichen Erfolg im bevölkerungsarmen Osten – dennoch kamen zwei von drei Wählerstimmen aus den westdeutschen Bundesländern.
Er macht noch weitere Gründe aus, über die man vielleicht einmal diskutieren sollte, was dann auch gewinnbringender wäre, als ständig nur die Nazikeule zu schwingen, um sich durch moralische Überhöhung oder den Wippschaukeleffekt in einem besseren Licht darzustellen und Wählerstimmen regelrecht einzufordern. Man hat zwar keine überzeugende Politik mehr anzubieten, besitzt aber die richtige Haltung. Das muss reichen, langweilt die Wähler aber inzwischen zu Tode. Die AfD hingegen spiele falsch, weil sie einen Kommunalwahlkampf ausschließlich mit Bundesthemen bestritt. Das sei Täuschung. Dabei ist das Vorgehen strategisch klug, weil sich die bundesdeutsche Öffentlichkeit selbst gar nicht für die kommunalen Belange in Sonneberg interessierte, sondern nur dafür, ob es der AfD erstmals gelänge, einen Landrat zu stellen.
So haben es die politischen Gegner der AfD, die übrigens im kommunalen Bereich tatsächlich sehr präsent ist, einmal mehr leicht gemacht und sie fahren den gescheiterten Kurs immer weiter, indem sie nun vor der nächsthöheren Katastrophe warnen, der Landtagswahl in Thüringen, die versprochenerweise schon längst hätte stattfinden sollen, was aber nicht klappte, weil die Parteien, die vorgeben, sich gemeinsam gegen die AfD zu stellen, im Landtag keine sichere Zweidrittelmehrheit schmieden konnten oder wollten. AfD Stimmen hätten schließlich wieder den Ausschlag geben können, was man sich wohl unter keinen Umständen vorhalten lassen wollte. Am 1. September 2024 ist nun der reguläre Wahltermin, dem man schon jetzt mit allergrößter Sorge entgegenblickt. Zurecht. Man tut schließlich alles dafür, die AfD zur stärksten Fraktion zu machen, auch, indem man fortwährend die Wähler beschimpft.
Mit Blick auf den Landrat bleibt festzuhalten, dass er, Überraschung, keine Bundespolitik machen wird, sondern eine Kreisverwaltung leiten, mit alltäglichen Themen, die vor Ort eine Rolle spielen. Das kann man jetzt entsetzlich finden, taugt aber bei Weitem nicht zu der Dramatisierung, die am heutigen Montag wieder allerorten, vor allem im Westen, zu vernehmen ist. Hier wird der Osten ohnehin immer noch als eine Art Abweichung von der Norm (Dirk Oschmann) wahrgenommen. Der Diskurs über den Osten ist demnach „zynisch, herablassend, selbstgefällig, ahistorisch und selbstgerecht“. Auch das macht die AfD gerade hier immer stärker. Hinzu kommt, dass die Bundesregierung über eine Kommission weiter für schlechte Mindestlöhne sorgt. In Thüringen ist der Anteil der Mindestlohnempfänger im Kreis Sonneberg mit 44 Prozent übrigens besonders hoch. Nicht, dass die AfD daran etwas ändern würde, sie wird es aber sicherlich wieder strategisch zu nutzen wissen.
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JUN
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.