Deutschland debattiert über komisches Zeugs. Zum Beispiel über Uniformierte auf CDU-Parteitagen, obwohl es wichtiger wäre, der Referentin, die gut Schlittschuhlaufen kann, einen Kurs im Vorlesen zu spendieren. Außerdem wird sich über Farben auf Wetterkarten mokiert. Da fühlen sich Faktenchecker gleich berufen, weil sie sich dann wieder an irgendwelchen rechten Twitter-Dödeln abarbeiten können oder müssen. Die seien wiederum sehr stark von Moskau beeinflusst, merkt das Bundesamt für Verfassungsschutz an. Das sollten Wähler im Hinterkopf haben. Doch es scheint, als seien vor allem die Vordenker in Not.
Denn überall wittern sie Desinformation und Gefahr. Das Land ist bedroht, weshalb es auch einer Nationalen Sicherheitsstrategie bedarf, die sich auf sämtliche Lebensbereiche und vor allem 72 Seiten erstreckt und nicht nur von einem Kanzler, sondern gleich von drei Ministern flankiert, verkündet werden muss. „Wehrhaft. Resilient. Nachhaltig. Integrierte Sicherheit für Deutschland“, so ist das Werk untertitelt. Es kommt allerdings ohne ein Vorwort von Claudia Pechstein aus. Dafür haben Olaf Scholz und Annalena Baerbock in die Tasten hauen lassen. Die Außenministerin lässt da unter anderem verkünden…
…unser Frieden ist verletzlich. Unsere Freiheit ist kostbar. Zu lange haben wir in Deutschland geglaubt, unsere Sicherheit in Europa sei selbstverständlich. Doch unsere Friedensordnung ist nicht in Stein gemeißelt. Das sehen wir spätestens seit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Auch die Klimakrise gefährdet die Sicherheit der Menschen in unserem Land, mit Fluten und Hitzewellen. Die Corona-Pandemie, Cyberattacken, Desinformationskampagnen – all diese Bedrohungen zeigen, wie verwundbar wir sind. Uns in allen Lebensbereichen robuster zu machen, das ist Ziel dieser ersten Nationalen Sicherheitsstrategie.
Auf dem kleinen Parteitag der Grünen ist das übrigens gelungen, als die Führungsriege einen sogenannten schmerzhaften Asyl-Kompromiss robust verteidigen musste, der natürlich gar kein Kompromiss ist, aber trotzdem so genannt werden muss, weil ja das Regieren so schön ist. Da ist die grüne Basis inzwischen überraschend resilient. Auf diese Weise konnte eine Bedrohung für die Partei erfolgreich abgewendet werden, obwohl es weiter Internierungslager außerhalb der EU, auch für Kinder gibt, und natürlich auch keine Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU, Strafzahlungen wohl auch nicht, weil einige Länder, die sich auch weiterhin allem verweigern, selbst diesen ausgedachten schäbigen Ablasshandel immer noch für überzogen halten. Aber an irgend etwas, das selbstredend nicht Desinformation genannt werden darf, müssen sich so Moralisten wie die Grünen doch noch festhalten dürfen.
Übrigens war heute eine chinesische Delegation beim Kanzler zu Gast. Die Journaille unkt, war der Jubel etwa organisiert verordnet? Es gebe jedenfalls Hinweise darauf, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland investigativ recherchierte.
Auf Nachfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) äußerte sich die chinesische Botschaft bis zur Veröffentlichung dieses Artikels nicht zu der Versammlung und der Frage, ob sie von ihr organisiert wurde.
Weshalb man trotzdem mal so etwas behaupten sollte, es steht ja schließlich auch ein Fragezeichen dran. Außerdem sind da noch diese Leute, die in Zeiten von Gefahr immer Bescheid wissen und erklären können, was Teilnehmer eben nicht bestätigen (wollen)…
Entziehen können sich die Studierenden dem Zugriff chinesischer Stellen nach Einschätzung von Expertinnen und Experten nur schwer – weil sonst Druck auf Familienangehörige in China droht.
Natürlich, die Expertinnen und Experten. Das sind die, die neben den rechten Spinnern auch ständig auf Twitter herumdödeln, um eine andere Blase mit Hang zum Extremismus im virtuellen Stellungskrieg mit ebenso allerhand Unsinn zu bespielen. Sie sollten daher auch ein eigenes Kapitel in der Nationalen Sicherheitsstrategie hinzufügen dürfen, damit das Werk am Ende vom Umfang her mehr oder ähnlich viele Seiten enthält wie das bescheuerte Heizungsgesetz, das in einer bereits veralteten Version, aber immer noch 177 Seiten stark, dann doch noch zur Beratung in den Bundestag ging. „177 Seiten zum Heizen, 72 zu Deutschlands Rolle in der Welt“, spottet Robin Alexander in der Welt. Das Besondere an den beiden Schlüsseldokumenten grünen Regierens sei seiner Meinung nach, dass man sie am Tag nach ihrem Erscheinen in den Mülleimer werfen kann. Da ist wohl etwas dran.
Wie gut, dass es da noch Abgeordnete gibt, die klar und fokussiert sind, wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann zum Beispiel, die man um Himmelswillen nicht mit dem Fußballspieler Jan-Ingwer Callsen-Bracker verwechseln sollte. Sie fand jedenfalls im Interview bei Tilo Jung heraus, dass dieser den Scheiß, den sie so von sich gibt nicht nur im O-Ton aufnimmt, sondern auch mit Bild und viel Reichweite versendet, weshalb parallel zu der gruseligen Veranstaltung jemand aus dem Bundestag heimlich oder auch eilig „StraZis“ Einträge zu Mitgliedschaften in diversen Rüstungslobbys auf Wikipedia änderte. Falsch! Desinformation! Das sind natürlich keine Lobbytätigkeiten, sondern im weitesten und engeren Sinne ehrenamtliche Dienste am Volke, zu dessen Sicherheit. Sie sitze da im übrigen auch nur im Präsidium herum, weil „die ne Frau brauchten.“
Man darf jetzt natürlich nicht sagen, dass Teile dieses politischen Establishments sehr stark von Rheinmetall beeinflusst werden und Wähler mal im Hinterkopf haben sollten, dass es aufgrund politischer Unterstützung aus dem Bundestag für das Rüstungsunternehmen das „beste Jahr ever“ werden wird. Rheinmetall findet übrigens auch die AfD total toll, was aber nicht heißen soll, dass man StraZi jetzt als Rechte bezeichnen darf oder die Grünen, die mit ihrem „Asyl-Kompromiss“ den Seehofer locker toppten. Das geht natürlich nicht und würde auch das Redaktionsnetzwerk Deutschland nicht dazu veranlassen, bescheuerte Fragen in Überschriften zu stellen. Die Sache mit dem Weltfrieden ist ohnehin abgehakt, da die Ukraine gegen Russland einfach siegen muss. Die Empörungswelle schwappt daher weiter. Statt Ramstein interessiert nun Rammstein und ein weiterer liberaler Vordenker in Not fragt bei einem Talkshowgast relativ sinnbefreit nach, ob sie denn kein Englisch könne. Willkommen im allseits beliebten Sommerloch.
Bildnachweis:: André Tautenhahn
JUN
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.