Die G7-Außenminister haben bei ihrem Treffen in Japan eine Warnung ausgesprochen. In der Abschlusserklärung heißt es: „Wir wiederholen unsere Forderung gegenüber dritten Parteien, die Unterstützung für Russlands Krieg einzustellen, oder andernfalls einen hohen Preis dafür zu bezahlen. (We reiterate our call on third parties to cease assistance to Russia’s war, or face severe costs.)“ Da muss sich der niedersächsischer Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz aber auf etwas gefasst machen.
Denn nach dem Aus der Atomkraftwerke in Deutschland, darunter auch das AKW Emsland, werden im niedersächsischen Lingen unter Beteiligung des russischen Staatskonzerns Rosatom weiter Brennstäbe für Atomkraftwerke produziert. Die Russen sind an dem Tochterunternehmen Advanced Nuclear Fuels GmbH (ANF) des französischen Atomkonzerns Framatome beteiligt, das schon seit 1979 in Lingen Brennelemente für Kernkraftwerke in ganz Europa produziert.
„Es kann doch nicht sein, dass in Lingen am Wochenende der letzte niedersächsische Atommeiler vom Netz geht und quasi nebenan weiter für eine hochgefährliche Risikotechnologie produziert und auch noch damit das dreckige Treiben von Russlands Präsident Wladimir Putin unterstützt wird“, sagte der niedersächsische Umweltminister Christian Meyer der HAZ. Er wird es aber hinnehmen müssen, da es auf Bundesebene keine Mehrheit für eine Änderung des Atomgesetzes gibt.
Meyer hat sogar einen Antrag auf dem Tisch liegen, wonach Framatome die Produktion mit Uran, das aus Russland geliefert wird, sogar noch ausweiten will. Wie er den ablehnen kann, ist unklar. Die Welt führt in einem Bericht als denkbare Lösung Paragraf 7 des Atomgesetzes an, wonach atomrechtliche Genehmigungen nur erteilt werden dürfen, „wenn keine Tatsachen vorliegen, aus denen sich Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Antragstellers ergeben.“ Der Antragssteller ist aber zuverlässig.
Und zwar deshalb, weil er auch die französischen Atomkraftwerke beliefert, die in der nächsten Zeit womöglich dabei helfen müssen, eine deutsche Stromlücke zu schließen, die nicht nur, aber auch durch das Abschalten der letzten deutschen Meiler entstehen könnte. Den Ast abzusägen, auf dem man sitzt, hat allerdings Tradition. Lingen wird aber auch Brennstäbe nach Osteuropa liefern, vielleicht sogar in die Ukraine, wo Kernkraftwerke nach Robert Habeck ruhig weiterlaufen können, weil die „Dinger ja schon gebaut sind“.
Die russische Atomindustrie exportiert trotz Sanktionen Uran im Wert von rund 455 Millionen Euro pro Jahr in die EU. Alles zusammen sind das laut Euratom-Jahresbericht gut 40 Prozent des gesamten Rundbedarfs der EU. Am stärksten ist die Abhängigkeit von russischem Kernbrennstoff in Ost- und Mitteleuropa. Wenn da Robert Habeck nun ein härteres Durchgreifen fordert, wie zuletzt, trifft das mit Ansage auf deutliche Ablehnung bei denen, die auch weiterhin auf Atomkraft setzen wollen, weil die durch die EU offiziell als klimafreundlich gelabelt worden ist.
Diese Länder sind dann nicht bereit, aus moralischen Gründen einen energiepolitischen Irrweg wie Deutschland zu gehen, das erst auf günstiges Gas verzichtet, sich sogar die Infrastruktur von Freunden wegsprengen lässt, und dann auch noch die letzten Atomkraftwerke abschaltet, obwohl die „Dinger ja schon gebaut sind“. Man muss daher befürchten, dass der niedersächsische Minister wegen Dummheit der Kollegen von den G7-Außenministern, also vornehmlich der Parteikollegin Baerbock, in Sippenhaft genommen und hart sanktioniert wird, egal was die eigenen Parteifreunde darüber denken.
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APR
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.