Dem Gesundheitsminister hat man während der Pandemie jeden Unsinn durchgehen lassen, der Außenministerin nun ihre Äußerungen über den Krieg. Annalena Baerbock ist wohl der Karl Lauterbach der Außenpolitik. Sie ist angeblich vom Völkerrecht, er angeblich Arzt und wir alle sind irgendwie verloren, da beide Russland schon den Krieg erklärten, der eine über Twitter, die andere in schlechtem Englisch. Stimmt nicht, sagt ein Autor der Berliner Zeitung. Er stellt in einem Kommentar fest, dass die Außenministerin vielmehr Rückgrat zeige und einen klaren moralischen Kompass besitze. Eine seltsame Wahrnehmung.
Als Beweis für Rückgrat und moralischen Kompass wird nicht ihr Umgang mit dem eigenen Lebenslauf angeführt, so etwas macht man schließlich auch nicht mehr, sondern der Gesamtzusammenhang einer Äußerung, die mal wieder nur als Schnipsel und damit entstellt und desinformierend verbreitet wird. Wir erinnern uns. Das gab es auch bei der Geschichte mit den Gedanken der eigenen Wähler, die der Außenministerin egal seien, wenn es um die Menschen in der Ukraine geht. Auch das war aus dem Zusammenhang, aber, wie sich herausstellte, auch mit nicht besser. Hier ein weiterer Versuch der Schadensbegrenzung, denn die Ministerin habe vollständig gesagt.
„And therefore I said already in the last days. Yes we have to do more to defend Ukraine. Yes we have to do more also on tanks. But the most important and the most crucial part is that we do it togehter. And we do not do the blame game in Europe, because we are fighting a war against Russia and not against each other.“
Es handele sich hierbei lediglich um einen ganz ehrlichen und ungeschönten Blick der Außenministerin und Politikerin Baerbock auf die Lage. Hier spreche eine besorgte Einwohnerin des europäischen Kontinents und Mutter. Und eine Politikerin, die den Zusammenhalt der zivilisierten Welt beschwört und eindeutig gegen den brutalen russischen Angriffskrieg in der Ukraine Stellung bezieht. Hossa, aber eigentlich steht da immer noch, dass wir einen Krieg gegen Russland führen und nicht gegeneinander. Aus dem Zusammenhang ergibt sich sogar, dass sie alle in Europa damit meint.
Was der Autor der Berliner Zeitung nicht versteht, wird andernorts sehr wohl verstanden und damit ist jetzt nicht Russland gemeint, obwohl das eigentlich maßgeblich wäre. Schließlich kann man auch keinen Krieg führen und sich dauernd damit herausreden, dass man es ja gar nicht tue, aber das ist eine andere Geschichte. Nein, auch dieses Europa, das da von der deutschen Außenministerin vereinnahmt wird, rümpft die Nase. Frankreich stellte zum Beispiel klar. „Wir befinden uns nicht im Krieg mit Russland, und unsere Partner sind es auch nicht.“ Warum legt Frankreich Wert auf die Aussage, die Partner seien es auch nicht? Könnte ja sein, dass man da was missverstanden hat.
Dann lobt der Autor noch den Ton. Klartext statt Kauderwelsch, wobei mit Kauderwelsch wahrscheinlich Diplomatie gemeint sein könnte, die inzwischen als eine Art Schimpfwort verstanden wird. Aber wirklich lustig ist die Behauptung, Baerbock habe auch bewiesen, dass sie nicht nur bei der Bekämpfung des menschengemachten Klimawandels einen klaren moralischen Kompass besitze. Sie wolle eben etwas bewegen. Das stimmt. Sie bewegt Panzer, ökologisch nachhaltig und visionär. Und zwar so, dass es Russland propagandistisch gut gebrauchen kann. Der deutschen Chefdiplomatin muss doch bewusst sein, wie so ein „Klartext“ verstanden und instrumentalisiert wird. Wenn ihr das klar ist, hat sie gar kein Interesse am Frieden, sondern nur an einer Verlängerung des Krieges, was letztlich auch die Entsendung deutscher Panzer in jene Region beweist, wo vor 80 Jahren schon die Wehrmacht war.
Ein solches Szenario hilft doch bei der Motivation der Gegenseite ungemein oder nicht? Man darf doch nicht so dämlich sein und annehmen, dass nur eine deutsche Außenministerin über einen klaren Kompass mit Rückgrat verfügt. Und dann bleibt da noch ein Widerspruch, wenn der Kanzler gerade erklärt, dass trotz der Unterstützungsleitungen für die Ukraine eine Eskalation des Krieges zu einem Krieg zwischen Nato und Russland verhindert werden müsse. Dieses Prinzip wolle man immer beachten. Die deutsche Außenministerin scheint sich aber mit ihren unbedachten Auftritten einen Dreck darum zu scheren. Und die Medien entschuldigen dieses Verhalten zum Teil erneut als eine Art verrutschtes Statement oder Expertinnen sprechen von einem extrem unglücklichen Versprecher.
Wahrscheinlich ist sie auch nur Opfer der russischen Propaganda geworden, die schon seit langem von einem Krieg des Westens gegen Russland spricht. Nun liefert Baerbock auch noch eine Steilvorlage dafür, obwohl es doch eigentlich ihr Job als Außenministerin wäre, alle Worte auf die Goldwaage zu legen. Tut sie aber nicht. Vielleicht muss man es dann noch einmal so deutlich sagen. Wenn Krieg ist, an dem man sich beteiligt, um sich nicht zu beteiligen, kann man sich so ein inkompetentes verbales Geschisse einfach nicht leisten.
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JAN
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.