Abseits der Kittelschürze

Geschrieben von: am 19. Dez 2022 um 9:15

Die WM in Katar ist vorbei und es war ein exzellent organisiertes Turnier mit einem äußerst interessanten Finale, wahrscheinlich eines der besten. Aber das interessiert die verhinderten deutschen Moralweltmeister nicht. Sie empören sich diese Woche wahrscheinlich lieber über eine Kittelschürze des Emirs.

Man muss dem argentinischen Trainer Lionel Scaloni nicht nur hohen Respekt zollen, sondern auch danken für eine riskante und im Ergebnis erfolgreiche Taktik gegen eine französische Mannschaft, die alles hat, das aber erst ab der 80. Minute auch zeigen konnte. Bis dahin stand die Équipe Tricolore unter dem Eindruck der argentinischen Offensive, die vor allem über links lief, aber viel mit Messi, der wie immer über halbrechts spielte, zu tun hatte.

Erwartungsgemäß kümmerten sich zwei Verteidiger (Hernández und Upamecano) um den Weltfußballer und zwar auch dann, wenn der sich gar nicht in die Offensive einschaltete, sondern im Mittelfeld für Überzahl sorgte. Das zwang wiederum Verane in ein 1:1 gegen den argentinischen Stürmer Alvarez. Ziel dieser Markierung war nun, die Schwachstelle der französischen Defensive über links mit dem Außenstürmer di Maria zu nutzen, was einfach nur wunderbar gelang.

Umgekehrt vermochte es Frankreich nicht, die nun offenen Räume über die argentinische rechte Seite mit Mbappé zu nutzen. Der französische Starstürmer sah vor seinen drei Treffern keinen Stich. Bis zum 2:0 von di Maria war er mit sieben Ballkontakten sogar der Feldspieler mit den wenigsten Aktionen auf dem Platz. Frankreich insgesamt war in der ersten wie auch über große Strecken der zweiten Hälfte vollkommen harmlos und schoss eigentlich gar nicht aufs Tor.

Dem ebenfalls genialen Trainer Didier Deschamps wurde schnell klar, dass er reagieren musste und tat das noch vor der Pause mit der für deutsche Kommentatoren unverständlichen Herausnahme des Stürmers Olivier Giroud. Ebenfalls runter musste der komplett überforderte Ousmane Dembélé. Er brachte Randal Kolo Muani und Marcus Thuram. Später mussten noch Griezmann und Linksverteidiger Hernández das Feld verlassen.

Deschamps wollte die Offensive stärken und endlich ins Spiel kommen, musste aber hinnehmen, dass die Argentinier über die rechte Abwehrseite der Franzosen weiterhin Druck machten und leichtes Spiel hatten. Immer wieder Di Maria. Er war der Aktivposten. Das Übergewicht links hätten die Franzosen nun rechts, also auf ihrer linken Angriffsseite ausnutzen können, taten das aber nicht, wohl auch deshalb, weil dort Messi ungewöhnlich mitverteidigte.

Der macht aber auch mal Fehler und war verantwortlich dafür, dass den Franzosen das 2:2 in der 81. Minute gelang. In der Verlängerung gelang Messi wiederum das 3:2. Er interpretierte seine Position, ja, man muss es wohl so sagen, doch ein wenig wie Maradona, als klassische 10 hinter zwei Spitzen. Damit hatten die Franzosen, die eindrucksvolle Comebacks hinlegten, wohl nicht gerechnet. Die güldene Kittelschürze für Messi, eine Art örtlicher Heiligenschein, war damit schon berechtigt.


Bildnachweis: UnCafePorFavor auf Pixabay

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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