Einige Bundesländer wollen die Corona-Quarantäneregeln abschaffen, Schleswig-Holstein schlägt sogar ein Ende der Maskenpflicht in Bussen und Bahnen vor. Dagegen regt sich Widerstand. Manche Aussagen widersprechen sich dabei. Der Zirkus beginnt von vorn, allerdings ohne Publikum, das hat andere Sorgen. Die Politik tut sich aber weiterhin schwer mit dem Ende der Pandemie.
Beispiel Niedersachsen: Ministerpräsident Stephan Weil erklärt zum Vorschlag, die Maskenpflicht in Bussen und Bahnen aufzuheben: „Wir sind froh, dass wir derzeit die Situation gut unter Kontrolle haben. Aber gerade mit Blick auf die kalte Jahreszeit sind wir nicht der Auffassung, dass wir von dem jetzt niedrigen Niveau von Schutzmaßnahmen noch weiter heruntergehen sollten.“ Seine Gesundheitsministerin Daniela Behrens reagierte einige Tage zuvor auf die Ankündigung einiger Länder, die Quarantäne abzuschaffen: „Ich halte es epidemiologisch für grundfalsch, mitten im dritten Pandemie-Herbst auf die Isolationspflicht für Corona-Infizierte zu verzichten.“
Das Team Vorsicht ist zurück? Mitnichten. Denn was die Gesundheitsministerin in dem einen Fall für epidemiologisch grundfalsch hält, sieht sie in einem anderen Bereich deutlich lockerer. So regte Niedersachsen im Bundesrat eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes an, um die Maskenpflichten in Alten- und Pflegeheimen sowie für Menschen mit Behinderungen zu ändern. Hier sind allerdings keine epidemiologischen Gründe ausschlaggebend, sondern die Belastungen der Betroffenen im Alltag, von denen die Ministerin annimmt, dass sie sich sehr verantwortungsvoll verhalten. Hohe Impfquoten würden das beweisen.
Nur schützen Impfungen aber nicht vor Infektionen, weshalb an Maskenpflichten immer noch so verbissen festgehalten wird. In Gemeinschaftsräumen sieht man das aber nicht mehr so streng, wie es das Gesetz dem Wortlaut nach eigentlich vorschreibt. Niedersachsen zählte außerdem zu den Ländern, die zum 1. Oktober auf die FFP2-Maskenpflicht im ÖPNV verzichteten und stattdessen lediglich das Tragen von OP-Masken anordneten, während im Fernverkehr weiterhin die FFP2-Maske gilt. Der Grund war auch hier kein epidemiologischer, sondern schlicht Herdentrieb. Man habe sich eben der Auffassung anderer Länder gebeugt, um die Bürger nicht zusätzlich zu verwirren. Doch die verstehen sicherlich gut, dass sie in dem einen Zug jene und in dem anderen Zug eine andere Maske aufsetzen müssen, auf die sie dann aber beim Überqueren der Staatsgrenze oder beim Gang ins Flugzeug gänzlich verzichten können.
Wenn der Ministerpräsident von einem niedrigen Niveau spricht, kann er keinesfalls irgendwelche Schutzmaßnahmen meinen, sondern eher die Qualität deutscher Pandemiepolitik. Der Bundesgesundheitsminister sagt, eine Maskenpflicht in Bussen und Bahnen sei erforderlich, damit die Menschen sicher zur Arbeit kommen können. Wie das, weil eine Ansteckung nur hier stattfindet? Nein, denn eine „gutgemachte Studie“ dazu gibt es auch auf der Twitter-Universität des Karl Lauterbach noch nicht, aber Millionen Menschen nutzen den ÖPNV ja täglich und nur wenige würden mit dem Flugzeug zur Arbeit fliegen, weshalb man da auch auf eine Maskenpflicht verzichten könne. Das ist kein Scherz, sondern die anhaltend unaufrichtige Argumentation eines Mannes, der nie hätte Bundesgesundheitsminister werden dürfen.
Der Grüne Janosch Dahmen erklärte in der Manege des Bundestages, es gebe keine neuen, medizinisch evidenten Gründe, die dafür sprächen, jetzt von den bisher gesetzlich vorgesehenen Absonderungs- und Isolationspflichten oder aber der Maskenpflicht im Nahverkehr abzuweichen. Richtig, es gibt aber auch keine alten medizinisch evidenten Gründe, die Absonderungs- und Isolationspflichten oder aber eine Maskenpflicht im Nahverkehr rechtfertigen. Infektionen mit den aktuell zirkulierenden Varianten werden weder durch das eine noch das andere effektiv verhindert, sofern das überhaupt noch sinnvoll ist. Man hört auch wenig über den Missbrauch der Absonderungspflicht. Fünf Tage frei, weil es einfach auch im Verdachtsfall geht, wäre doch mal ein Thema. Maßnahmen sind daher reine Symbolpolitik oder eine Einladung zum Betrug oder aber ein letzter Schutz vor der drängenden Frage nach der politischen Verantwortung für die bislang angerichteten Schäden.
Wie das Elend nun beendet wird, bleibt fraglich. Einige meinen, dass der Vorstoß der Länder bei Isolations- und Maskenpflichten eine Art Dominoeffekt auslösen werde. Mag sein, sicher ist nur, dass dafür erst einmal wieder Konferenzen abgehalten werden müssen, um beim Finden einer einheitlichen Position kläglich zu scheitern. Die Politik tut sich schwer mit dem Ende der Pandemie. Das hat einen Grund. Sie ist tief in das Misslingen ihrer Bekämpfung verstrickt und will vielleicht warten, bis noch mehr Gras über die Sache gewachsen ist. Aufarbeitung ist da zum jetzigen Zeitpunkt unerwünscht. Und da in Niedersachsen kürzlich gewählt worden ist, muss sich hier auch niemand mehr um eine aktive Rolle im Team Freiheit bemühen. Anderswo wird dagegen schon wieder an der Profilierung gearbeitet. Dem Publikum ist das aber herzlich egal.
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Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.