Es kann nicht nur der Russe gewesen sein, es muss der Russe gewesen sein, weil Deutschland und die Europäische Union ja eine Erklärung und Reaktion auf diesen Sabotageakt brauchen, der die Energieversorgung Europas massiv beeinträchtigt. Mit einer Aussage wie, Pipelines sprengen unter Freunden, das geht gar nicht, wäre es diesmal nicht getan. Deshalb muss eine Verschwörungstheorie ersonnen werden, die diesmal von der seriösen Seite als plausibel vorgetragen wird. Das ist lustig.
Natürlich weiß niemand, was da am Grund der Ostsee genau passiert ist. Dieser Einstieg ist es dann auch, der die Behauptung, nur der Russe könne es gewesen sein, absichern soll. Dagegen argumentieren, lässt sich freilich nicht, da die Behörden hinsichtlich der Täterschaft wohl nie Beweise präsentieren werden. Es bleibt also alles reine Spekulation, bei der lediglich Motive und Indizien eine Rolle spielen, die sich sicherlich einordnen und gewichten lassen. Welche Version der Geschichte am Ende aber als „wahr“ anerkannt wird, entscheiden wiederum die, die über die publizistische Macht verfügen. Da ist alles wie immer.
Lustig wird es aber dann, wenn unbedingt eine Täterschaft Russlands konstruiert werden muss, obwohl die Skrupellosigkeit des Freundes, der Mittel, Motiv und die Gelegenheit hatte, so eine Operation durchzuziehen, sich geradezu aufdrängt, aus Haltungsgründen aber nicht in Betracht kommen darf. Zudem würde sich die noch viel wichtigere Frage stellen, wie man auf den möglichen Angriff eines Verbündeten reagiert, zu dem man aufgrund des Krieges gerade wieder stärkere Beziehungen entwickelt hat. Diese Frage will logischerweise niemand beantworten, nachdem der Russe schon zum Hauptfeind erklärt worden ist und man auf den großen Verbündeten nun noch mehr angewiesen ist.
Und deshalb bietet der Mainstream die immer gleiche Leier an, auch mit Blick auf den Doppel-Wumms der Bundesregierung, der nun notwendig wurde, da eine Normalisierung der Energiefrage in Europa auf lange Sicht ausgeschlossen bleibt. Eva Quadbeck vom RND schreibt, und man hat es schon oft von ihr und ihren Kollegen gelesen.
Spät, hoffentlich nicht zu spät, kommt nun der beherzte Aufschlag zur Abwehr von Putins perfidem Plan, durch seinen Wirtschaftskrieg unsere Demokratie zu destabilisieren. […] Die Entwicklung ist gefährlich, denn die Zweifelnden und die Verzweifelten können von jenen eingesammelt werden, die jede Krise nutzen, den Staat zu delegitimieren. Und eben daraus kann die nächste Krise erwachsen, die – wie von Putin beabsichtigt – antidemokratischen Kräften Wasser auf die Mühlen spielt.
Der Russe war‘s. So einfach ist das. Und wer das anzweifelt oder die Regierung kritisiert, läuft Gefahr, sich von „jenen“, gemeint ist wohl die dunkle Seite der Macht, einsammeln zu lassen, was wiederum dem mächtigen Palpatine, also Putin, in die Hände spielt, der ja ganz allein Krieg gegen die Guten führt. Nur verwechselt die Autorin da etwas. Das Imperium hat seinen Sitz in Washington, und es hat, so bitter das wohl ist, mit Chuzpe zurückgeschlagen. In Europa wird es dagegen weder eine neue Hoffnung geben, noch eine Rückkehr von guten Rittern mit Leuchtschwertern, eher eine erwünschte Verlagerung. Insbesondere Deutschland bleibt bloß ein Außenposten, nein, eine zentrale Drehscheibe, über die das Imperium immer noch frei verfügen kann. Das ist gefährlich, da man so auch zum bevorzugten Angriffsziel eines Gegners mit Atomwaffen wird.
Eine souveräne Regierung würde Anstrengungen unternehmen, um das zu verhindern. Die Ampel betreibt Politik aber nur als Simulation. Die „Wümmse“ werden größer und die Sprache härter. Es ist durchschaubare Prosa, die da beeindrucken soll. In Wirklichkeit aber gibt es keine Strategie. Es ist Hilflosigkeit. „…erfolgreich habecken, das dürfte die Losung für das weitere Vorgehen großer Teile des politischen Personals der Zukunft sein. Der Schritt zur geführten Demokratie, zur illiberalen Demokratie ist dann nicht weit, denn bohrende, richtig ins Mark der Führenden treffende Nachfragen und Recherchen darf es nicht geben – zu groß ist die Gefahr, dass in der raschen, rasenden Bewegung das reale, auch verräterische Muster zu deutlich erkennbar wird. Die zunehmende Verengung des Diskursraumes ist schon zu verspüren, die Entwicklung ist bereits im Gange.“
Bildnachweis: Screenshot aus TV-Übertragung vom 29. September 2022.
SEP
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.