Bundeskanzler Olaf Scholz kehrt nicht ganz mit leeren Händen aus dem Mittleren Osten zurück. Für 137.000 Kubikmeter Flüssiggas, was kaum mehr als einer Tagesration aus Nord Stream 1 entspricht, stellt der deutsche Regierungschef einen Stadionbesuch bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar in Aussicht. Bei den Arbeitsbedingungen gebe es schließlich Fortschritte, da ist er sich mit Uli Hoeneß einig. „Die Frage, wie wir dahin fahren, ist selbstverständlich zeitnah zu entscheiden. Aber das wird schon so sein, dass da jemand dabei ist“, so Scholz. Ein „Geschäftsträger der deutschen Botschaft“ wird es diesmal vermutlich nicht sein.
Italien hat gestern gewählt, aber das ist eigentlich auch falsch, denn über ein Drittel der Wahlberechtigten machte vom Stimmrecht gar keinen Gebrauch. Die, die dennoch bis 23 Uhr zur Urne schritten, wählten mehrheitlich rechts. Georgia Meloni und ihre Partei Fratelli d’Italia wird stärkste Kraft. Ihr Bündnis könnte die nächste Regierung bilden und dann müsste Ursula von der Leyen Instrumente herausholen. Dass nun aber genau diese europäische Begleitmusik einen Beitrag zu den Wahlergebnissen in Italien, Schweden – Ungarn und Polen werden schon lange rechts regiert – und Anfang Oktober wohl auch in Lettland und Bulgarien geleistet haben könnte, wird natürlich nicht gesehen.
„Wir haben die innere Stärke Europas wieder zum Vorschein gebracht“, sagte die Kommissionspräsidentin vor ein paar Tagen in ihrer Rede zur Lage der Union. In Wahrheit brodelt es immer stärker. Der Verweis auf gemeinsame Werte wird schwer durchzuhalten sein, wenn in Italien Mussolinis treue Erbin das postfaschistische Zeitalter einläutet. Nach dem Bösewicht Putin muss man in dieser Sache übrigens etwas suchen. Meloni gilt schließlich als Unterstützerin der Ukraine und Befürworterin der NATO, weshalb man sich dann eben an ihre schrumpeligen Bündnispartner in spe halten muss. So habe sich Berlusconi immer wieder bewundernd über den russischen Präsidenten geäußert und Salvini lief gar mit Pro-Putin-T-Shirts herum. Und siehe da, auch Meloni hat mal dem Putin im März 2018 zur Wiederwahl gratuliert. Twitter vergisst nichts, so der ZDF-Reporter aus Brüssel. Am Ende soll klar werden, dass das Wahlergebnis in Italien den Russen in die Hände spielt.
Der Kreml sei schließlich auch für die Spaltung Europas verantwortlich und nicht etwa die aktuelle Sanktionspolitik oder die rigiden europäischen Fiskalregeln nach dem Grundsatz Solidarität nur gegen Solidität, über den vor allem der Süden ein Liedchen singen kann. Ironischerweise ist es nun aber Deutschland, ein Verfechter des beschriebenen Prinzips der Konditionalität, das um europäische Solidarität bei der Verteilung immer knapper werdender Energieressourcen bittet. Das gelingt aber kaum und wird auch nicht reichen, weshalb die Welttournee des Bundeskanzlers weitergeht und ihn jetzt sogar nach Saudi-Arabien führte, wo er mit dem Kronprinzen mal über „alle Fragen“ gesprochen hat. Wahrscheinlich auch über Waffen, die, Überraschung, entgegen der Verabredungen im Koalitionsvertrag nun doch wieder an die Kriegsparteien im Jemen-Krieg geliefert werden.
Man muss halt den neuen Partnern, die Angriffskriege führen und Rohstoffe besitzen, etwas mit Wumms anbieten, um die alten Partner, die Angriffskriege führen und noch mehr Rohstoffe besitzen, die man aber aus moralischen Gründen nicht mehr auf direktem Wege haben will, einen Akt der Verzweiflung vorwerfen zu können. Das nennt man wohl gekonnte Doppelpässe vor dem Schuss ins eigene Tor. Schließlich gilt neuerdings: „Waffenlieferungen helfen, Menschenleben zu retten“. Ob die Grünen das auch künftig auf ihre Wahlplakate drucken, während der Kanzler Bäume für mehr Klimaschutz in der Wüste pflanzt?
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SEP
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.