Sie haben im Herbst die Wahl: In der Kälte essen oder in der Wärme hungern. Wirtschaft und Gesellschaft sind bedroht, nichts ist mehr sicher, mit Ausnahme einer Branche. Die der Berufspolitiker. Die müssen, Krise hin oder her, weder finanzielle Einbußen noch Abmahnung, Kündigung oder Pleite fürchten, weil sie dafür da sind, dem frierenden und hungernden, ja letztlich zweifelnden Arbeitslosen zu erklären, dass man den Krieg beendet, in dem man ihn verlängert. Für die Freiheit, für die Demokratie.
Im Moment wird immer deutlicher, dass der politische Inzest, der bei Parteikarrieren leider üblich ist, am Ende zu katastrophalen Entscheidungen führt. Je schlimmer die Krisen werden und je größer der Druck, desto absurder die Äußerungen des politischen Führungspersonals, die man dann auch noch mit dem Anspruch vorträgt, feindlicher Desinformation entgegenzuwirken. Beispiel eins. Annalena Baerbocks Ministerium twittert.
Beispiel zwei. Wirtschaftsminister Robert Habeck redet sich in der Sendung Maischberger beim Thema Insolvenz um Kopf und Kragen.
Das ist ein Unfall in Superzeitlupe, aber bestimmt nur aus dem Zusammenhang gerissen und damit sinnentstellend geschnitten. Schon klar. Die eine kann nicht einmal einen Satz fehlerfrei vom Blatt ablesen und dreht die Geschichte auf den Kopf, wird dafür aber für eine feministische Außenpolitik gefeiert, die lediglich darin besteht, eine Frauenquote bei der Besetzung von Posten durchzusetzen. Ansonsten zerdeppert sie so ziemlich jedes diplomatische Porzellan und verspricht der Ukraine etwas zu liefern, was der Kanzler gar nicht liefern will. Jetzt müsste Annalena Baerbock allerdings erklären, warum ihr die Wähler trotzdem egal sind.
Der andere kann wunderschön formulieren, um nicht zu sagen, die Öffentlichkeit mit seinen Worten einlullen. Doch je stärker der Druck auf ihn und seine Zuständigkeit in einem wahrlichen Superministerium wird, desto offensichtlicher tritt seine fachliche Inkompetenz zu Tage und das bereits bei ganz simplen Dingen wie der betriebswirtschaftlichen Logik des Alltags. Morgen ist der 8. September und die Innungsbäcker in Norddeutschland schalten dann für einen Tag das Licht aus, um auf den existenzbedrohenden Preisanstieg für Energie aufmerksam zu machen. Habeck bekommt das im Zweifel gar nicht mit, weil er so viel zu tun hat und daher nicht mehr zum Brötcheneinkaufen kommt, wie er beklagt.
Nun darf man Kritik und Frust nicht allein bei den Grünen abladen, auch die, die immer so furchtbar seriös in der Regierung erscheinen wollen und wissen, wie man mit Geld umgeht, die Liberalen, sind außer Rand und Band. Der pompös vermählte Finanzminister schreitet da ganz vorne weg. Er hat sichtlich Schwierigkeiten die letzten sinnlosen Bastionen der FDP zu verteidigen. Steuern und Schuldenbremse.
Er wehrt sich, weil er immer richtig, äh falsch verstanden wird. Zufallsgewinne abschöpfen ist keine Steuer und Schuldenbremse aussetzen vermutlich ein Sondervermögen. Aber er hat recht, Inflation bekämpft man am besten mit höheren Preisen an der Tankstelle, am Fahrscheinautomaten und auf der Gas- und Stromrechnung. Der Ökonom Peter Bofinger sagt: Die Schuldenbremse stirbt einen Tod auf Raten und früher oder später muss Lars Feld, der geschasste Wirtschaftsweise und neoliberale Einflüsterer in Lindners Team, die Leichenrede halten.
Man könnte jetzt noch auf die absurde Pandemiepolitik zu sprechen kommen und den jüngsten Deal, auf die Maskenpflicht im Flugzeug zu verzichten, um sie im Gegenzug in den Arztpraxen zu verschärfen, ja wenn es angesichts der Katastrophe, auf die das Land zusteuert, inzwischen nicht so belanglos geworden wäre. Jedenfalls sollte ein Wirtschaftsminister, der eine solche existentielle Krise zu bewältigen hat, bei einem Einzelgespräch in einer Fernsehsendung nicht wie ein Schüler wirken, der vor lauter Arbeit vergessen hat, für die mündliche Prüfung zu lernen und dann aus schierer Not heraus erklärt, dass niemand insolvent wird, auch wenn er pleite ist. In diesem Fall sollte man das Licht wirklich gar nicht mehr anschalten.
Bildnachweis: Screenshot aus Sendung Maischberger vom 6. September 2022.
SEP
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.