Wenn die Luftwaffe eigene Infektionsschutzregeln hat, die dem Infektionsschutzgesetz widersprechen, ist das eben so. Das sagte der Gesundheitsminister Karl Lauterbach heute in der nicht mehr komplett maskierten Bundespressekonferenz. Auch die Erklärungen der übrigen Ertappten überzeugen nicht wirklich.
So gibt zum Beispiel Petra Pinzler in der Zeit zwar ein Geständnis ab, das sie aber gar nicht ernst meint. Rechtfertigend schreibt sie an die Adresse der Empörten.
Was den Bildern an Infos fehlte? Beispielsweise, dass jeder, der auf den Flügen beim Kanzler mitreisen will, geimpft sein muss. Und damit nicht genug, es muss auch noch ein PCR-Test vorgelegt werden, der nicht älter als 24 Stunden sein darf. Dieses Verfahren ist deutlich strenger als die Regeln für öffentliche Flüge und es filtert ziemlich zuverlässig Corona-Infizierte raus.
Erkennen sie es? Die Moral. Sie steht immer über dem Gesetz. Hier wird außerdem transportiert, dass es besonders streng zuging. Genau genommen war man sogar noch vorbildlicher als es den Anschein hat. Dabei stimmt nicht einmal die Kernaussage. Denn seit über zwei Jahren wird gebetsmühlenartig vorgesungen, dass Tests wie auch negative PCR-Tests nicht vor Ansteckung schützen, weshalb die Maske als Dauerinstrument das Mittel der Wahl blieb. Sie durfte eigentlich nur ablegen, wer geimpft war, weil man glaubte, diese Art des Immunschutzes sei ausreichend. Das nannte man dann auch 2G, hat sich aber erledigt. Denn die Impfung schützt nicht vor Ansteckung und Weitergabe des Virus.
Negative Testnachweise wurden unter dem 2G-Regime mit dem Argument stets abgewiesen, dass man sich ja trotzdem infizieren könne. Die Maske erlaubte wiederum nur in Ausnahmefällen und dann auch nur in Verbindung mit einem zusätzlichen Test eine Teilnahme, meist zur Arbeitsaufnahme. Die Regel 3G in Bus und Bahn wie auch im Flugverkehr, die zu Beginn des Jahres noch galt, entband ebenfalls nicht von der Maskenpflicht. Die Maskenpflicht, wie sie derzeit bundesweit in bestimmten Bereichen angeordnet ist, kann auch nicht durch Tests, Impfung oder sogar beides gleichzeitig unter strenger Auslegung, wie im Regierungsflieger angeblich geschehen, aufgehoben werden. Dass sich die Luftwaffe da plötzlich eigene „klare Regeln“ gibt, wie der Kanzler auf Neufundland betonte, ändert doch nichts an der offenkundigen Rechtswidrigkeit des gesamten Vorgangs.
Petra Pinzler findet es nun aber empörend, dass der Kanzler bei einer so wichtigen Reise (was hat sie außer Spesen eigentlich gebracht?) mit Fragen zur Maskenpflicht behelligt werde. Nur würde das ja gar nicht stattfinden, wenn auch diese Regierung längst akzeptiert hätte, dass die Pandemie im Grunde zu Ende ist. Stattdessen werden im Angesicht maskenloser Regierungsflüge – so als ob gar nichts gewesen wäre – schon wieder neue Coronamaßnahmen ins Werk gesetzt, die sonst niemand mehr auf diesem Planeten für notwendig erachtet, sogar die Befürworter hierzulande nicht. Statt klar zu sagen, dass diese ganzen Maßnahmen daher kompletter Unsinn sind und längst abgeschafft gehören, erfinden Journalisten, echt jetzt?, lieber Erklärungen über besonders strenge Regeln, denen gerade sie unterworfen seien. Das ist nicht mal mehr lächerlich, das ist einfach nur traurig. Nicht der Anlass an sich ist skandalös, sondern der Umgang damit.
Lustig bleibt hingegen der von Twitter engagierte Coronakasper der Bundesregierung. Ganz frisches Material für Sie, zur Belustigung oder um zu verstehen, welche Evolution so ein politischer Spin durchläuft. Nach dessen neuester Auslegung der Wissenschaft, hätten die Passagiere im Regierungsflieger eigentlich gar keinen Test benötigt, weil sie als Geimpfte ohne Symptome auch nicht ansteckend und im Falle von Symptomen ohnehin zu Hause geblieben wären. Mal Hand aufs Herz, da reicht doch ein Waschlappen gar nicht mehr aus, um die Freudentränen wegzuwischen.
Bildnachweis: André Tautenhahn
In Ergänzung aus juristischer Perspektive
AUG
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.