Die Gasumlage wird noch teurer, denn auch die Mehrwertsteuer muss erhoben werden, wie die EU-Kommission inzwischen klarstellte. Die Ampelregierung wolle nun andere Wege finden, die Bürger zu entlasten. Welche? Unklar. Man könnte ja auf die Umlage komplett verzichten und stattdessen die sogenannten Übergewinne abschöpfen. Laut Spiegel wären da bis zu hundert Milliarden Euro drin. Derweil kehrt der Bundeskanzler bei seiner Gas-Betteltour auch aus Skandinavien mit leeren Händen zurück. Die Reise war aber nicht umsonst. Er hat sich in Norwegen ein berühmtes Bild angeschaut.
Bei den Freunden im Norden wurden zwar allerhand Nettigkeiten ausgetauscht – man kann das ja nachlesen – der Kanzler bekam aber andererseits deutlich vermittelt, dass es kurzfristig nicht mehr Gas geben könne, da die Kapazitäten bereits ausgereizt seien. Langfristig ist eine Erhöhung der Fördermengen ebenfalls schwierig. Sicherlich gibt es noch Vorkommen, aber diese zu erschließen, setzt auch voraus, dass es einen Abnehmer gibt, der sich langfristig bindet. Deutschland hat das bekanntermaßen nicht vor, weil man per Energiewende von fossilen Energieträgern eigentlich so schnell wie möglich weg möchte. Deshalb gab es in Skandinavien eine ähnliche Abfuhr wie in Katar, als Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck den Bückling machte.
Die Bundesregierung steckt in einem strategischen Dilemma. Weil man eigentlich vom Gas unabhängig werden will, ist niemand bereit, für die Erschließung weiterer Lagerstätten neue Risiken auf sich zu nehmen. Die Vorstellung einer Diversifizierung ist vor diesem Hintergrund somit ebenfalls falsch. Die deutsche Brückenstrategie war auf den Bezug russischen Erdgases ausgelegt. Dafür waren auch die Verträge gemacht. Sie zu ersetzen, ist nahezu ausgeschlossen, da die Ressource Erdgas begrenzt ist und die größten Vorkommen nun einmal in Russland liegen. Der direkte Anschluss der Gasfelder über Pipelines war bislang ein wirtschaftlicher Vorteil. Wenn es stimmt, dass man sich da in eine schlimme Abhängigkeit begeben hat, wieso erklärt man dann einen Wirtschaftskrieg? Es musste doch klar sein, dass Sanktionen eine entsprechende Reaktion auslösen würden.
Nun ist es drollig, dass der Kanzler nach Skandinavien reist und den Eindruck vermittelt, diese Länder hülfen Deutschland aus lauter Freundschaft und nicht, weil es ihnen auch ums Geschäft ginge. So zeigte sich der Bundeskanzler erleichtert, dass Norwegen an dem hohen Produktionsniveau festhalten wolle. Denn Deutschland ist ja durch den Konflikt mit Russland eben nicht unabhängiger, sondern noch sehr viel abhängiger geworden. Das wissen auch die Norweger. So machte Ministerpräsident Jonas Gahr Støre zum Beispiel deutlich, dass man das CO2 ganz Europas unter der Nordsee speichern könne. Das sei eigentlich notwendig, wenn man es mit dem Klimaschutz ernst meine. Wollte er etwa sagen, gebt uns euer CO2 zu einem akzeptablen Preis?
Realpolitiker würden wohl so denken, rote und grüne Traumtänzer machen die Öffentlichkeit hingegen glauben, es handele sich um eine engere Kooperation im Bereich der erneuerbaren Energien. Bis die irgendwann gelingt, wird weiterhin Gas benötigt. Das ist teuer und eine bestimmte Verbrauchergruppe soll nun allein die Rechnung bezahlen, damit kein Ausfall entsteht, der wiederum alle beträfe. Wäre es dann aber nicht nachvollziehbarer, wenn die Rettung des Systems als gesamtgesellschaftliche Aufgabe betrachtet würde und die Last folglich die Steuerzahler und nicht nur den Gaskunden trügen? Und ist es angesichts der Verweigerung weiterer Schulden durch den Finanzminister nicht sinnvoller, wenn eine Übergewinnsteuer für mehr Spielraum sorgte? Man weiß es nicht, nur, dass der Bundeskanzler, nachdem er den Schrei im Museum betrachtete, plötzlich Brummi-Fahrer werden wollte.
Bildnachweis: Von Edvard Munch – National Gallery of Norway 8. Januar 2019 (Hochladedatum) von Coldcreation, Gemeinfrei, Link.
AUG
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.