Die geschätzte Wahlbeteiligung von rund 56 Prozent wäre die niedrigste in der Landesgeschichte von NRW. Nicht viel los bei der kleinen Bundestagswahl, könnte man sagen. Fast die Hälfte der Wahlberechtigten interessierte sich nicht für die Stimmabgabe. An die Urnen zog es vor allem die Älteren. Das spielte wiederum der CDU in die Hände. Die SPD machte beim prognostizierten Kopf-an-Kopf-Rennen nicht mit. Ihr Abschneiden ist das Ergebnis einer anhaltenden Medienkampagne gegen sie und für die Grünen. Die Berliner Journalistenblase wünscht sich künftig Schwarz-Grün.
Die Bundes-Ampel steckt in der Krise. Das zeigen die jüngsten Wahlergebnisse in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. In beiden Ländern dürfte es nun zu schwarz-grünen Bündnissen kommen. Die Grünen verdrängen dabei die FDP aus den Landesregierungen. Bei den Liberalen liegen deshalb die Nerven blank. Der komische „Eklat“ am Freitag im Verteidigungsausschuss des Bundestages, als Vertreter der FDP die Sitzung mit Kanzler Scholz vorzeitig verließen, ist ein eindrücklicher Beleg. FDP-Parteichef Lindner tobte und bezeichnete das Ergebnis in NRW nun als desaströse Niederlage. Die Grünen können hingegen vor Kraft kaum laufen, surfen gar auf einer Welle, die ausschließlich von den Medien weiter befeuert wird. Ihnen dürfte es daher gefallen, wenn die CDU um sie wirbt und ihr Spitzenpersonal über den grünen Klee lobt.
Die sich anbahnenden schwarz-grünen Bündnisse binden die CDU über den Bundesrat nunmehr in die Ampel ein. Statt Aufbruch und mehr Fortschritt wagen, wird die ganz große Koalition Wirklichkeit und Kevin Kühnert, inzwischen Generalsekretär der SPD, muss dann den Chefadministrator geben, wie Wolfgang Michal anmerkt. Das sich Kühnert dagegen wehrt und meint, seine SPD könne auch am Wahlsieger vorbei ein eigenes Bündnis in NRW schmieden, klingt ein wenig nach Verzweiflung, weil das Projekt des Aufbruchs zu scheitern und sich die „Zeitenwende“ in eine ganz andere Richtung zu entwickeln droht.
Man darf sich aber nichts vormachen. Schwarz-Grün ist ein reines Medienprojekt. Inhaltlich gibt es hier nichts Visionäres, sondern eher ein Zusammengehen der kalten Krieger von gestern mit den neuen Wirtschaftskriegern von heute, die Russland am liebsten ruinieren wollen. Nur steht auf dem Weg dahin die Existenz von anderen auf dem Spiel. Denn wie mit einem Verzicht auf russisches Erdgas oder Erdöl zu möglichst bald und dann für immer eine Dekarbonisierung der deutschen Wirtschaft gelingen soll, bleibt ein grünes Rätsel. Schließlich galt russisches Erdgas bislang als Brückentechnologie bei dem ohnehin schon schwierigen Unterfangen, eine Energiewende tatsächlich hinzubekommen.
Nun soll ein Embargo nach dem anderen her, gleichzeitig aber die Industrie nicht zu sehr unter den Sanktionen leiden, was sie aber trotzdem tut. Jeder müsse da wohl sein Päckchen tragen, dafür kann Robert Habeck schöne Schleifchen um diese nicht so schönen Nachrichten binden und den Leuten erklären, dass er sie nicht vegackeiert wenn er sie vergackeiert. Bei den Grünen kommen Ahnungslosigkeit, Gesinnungsethik und Größenwahn zusammen, schreibt Paul Steinhardt auf Makroskop. Diese Mixtur treffe einen Zeitgeist, der allerdings durch die Medien erst geschaffen und verbreitet wird. Hier herrschen ebenfalls Ahnungslosigkeit, Gesinnungsethik und Größenwahn vor. Hier werden dann Wunschträume und Gewaltfantasien nicht nur akzeptiert, sondern auch noch begeistert beklatscht. Die niedrige Wahlbeteiligung in NRW spricht nun nicht gerade dafür, dass die Bevölkerung diese mediale Euphorie auch genauso teilt.
Bildnachweis: Screenshot, Live-Übertragung ARD, 15. Mai 2022
MAI
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.