Schwere Niederlage für Merz

Geschrieben von: am 09. Mai 2022 um 19:48

Friedrich Merz hat gestern eine schwere Niederlage erlitten. So würden wohl Zyniker über das Ergebnis der CDU von 43,4 Prozent bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein spotten. Denn dieser Erfolg von Daniel Günther dürfte dem CDU-Parteichef noch Probleme bereiten, schließlich gilt der wiedergewählte Ministerpräsident als eine Art Gegenentwurf zum wirtschaftsliberalen Sauerländer. Der muss nun hoffen, dass die Wahl in Nordrhein-Westfalen am kommenden Sonntag für die Union nicht verloren geht. Denn in diesem Fall wäre Daniel Günthers Rolle, den der Kollege Wolfgang Michal im Freitag mal als „Kieler Kennedy“ beschrieb, noch bedeutsamer.

Friedrich Merz macht als Oppositionsführer im Deutschen Bundestag eine eher unglückliche Figur. Er punktet zwar gegen den Kanzler, wirkt aber dennoch wie ein aus der Zeit gefallener Politiker, der seine Machtposition mit den Methoden von gestern zu festigen versucht. Dieser Prozess ist noch längst nicht abgeschlossen und seine Autorität daher begrenzt. Beim Wähler kommt Merz auch nicht sonderlich gut an. Glaubt man Umfragen, genießt der CDU-Chef kaum Vertrauen unter den CDU-Anhängern. Auch die Eignung für das Amt des Bundeskanzlers sprechen ihm viele ab. Seine bisherigen Erfolge sind eher von symbolischer Natur. Der Ampel brachte er unter anderem eine Niederlage im Rahmen der Impfpflichtdebatte bei. Hier glänzt der Oppositionsführer aber nur, weil sein Gegenspieler im Kanzleramt vermeidbare Fehler macht.

Zu glauben, Merz könnte Grüne und FDP gerade wegen der schlechten Performance von Olaf Scholz und der SPD noch in dieser Legislaturperiode auf seine Seite ziehen, scheint wenig realistisch. Der Versuch, mit einem eigenen Ukraine-Antrag die Koalition zu spalten und möglicherweise in eine Vertrauensfrage zu treiben, scheiterte ebenfalls kläglich. Merz hat sich selbst überschätzt und auch die Leidensfähigkeit einer SPD-Fraktion, die zähneknirschend einem Kompromiss über die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine zustimmte. Im Ergebnis hat das Manöver der Union aber niemandem etwas gebracht, außer Deutschland ein Stück weiter in den Krieg hineinzuziehen und trotzdem keine Ruhe vor den dreisten Forderungen aus Kiew zu haben.

Das überschwängliche Lob für den „Genossen Günther“ aus sämtlichen Parteien dient dann auch eher dazu, den CDU-Chef im Bundestag ein wenig zu ärgern. Ihm wünscht man einen starken, nein, den beliebtesten Ministerpräsidenten Deutschlands an die Seite, der, folgt man der offiziellen Lesart, mit einer Art Merkel-Kurs erfolgreich ist. Das, so glaubt man, muss Friedrich Merz missfallen, der einen anderen Stil pflegen und ein Kanzler im Wartestand sein will. Für ihn ist das Ergebnis in Schleswig-Holstein zwar ein „überragender Erfolg“, ein Sieg in Nordrhein-Westfalen aber viel wichtiger. Der Urnengang im bevölkerungsreichsten Bundesland gilt traditionell als kleine Bundestagswahl und damit in jedem Fall als Fingerzeig in Richtung Berlin. Schwarz-Gelb steht vor der Abwahl, die Union könnte aber dennoch stärkste Kraft bleiben. Um diesen Führungsanspruch geht es Merz.

Dafür reist der CDU-Chef dann auch nicht nach Kiel, sondern lieber nach Kiew mit dem Ziel, den Kanzler maximal vorzuführen und dessen außenpolitische Schwäche in einen innenpolitischen Erfolg für die Union zu verwandeln. Doch worin sollte der eigentlich bestehen? In Kiel ist Jamaika jetzt zu stark, um weiterregieren zu können. Daniel Günther braucht nur einen der beiden bisherigen Partner. Zumindest eine Woche lang kann er aber noch so tun, als setze er das beliebte Dreierbündnis, das er prägte und von dem niemand glaubte, es würde lange und erfolgreich bestehen, trotzdem fort. Doch nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen muss er sich entscheiden, vielleicht sogar mit einer klaren Vorgabe aus Berlin, weil man hier die Lage taktisch anders bewertet.

Das birgt Konfliktpotenzial und der schöne Wahlerfolg könnte auch eine Niederlage sein, weil die Stärke der CDU nur knapp nicht zur absoluten Mehrheit reichte. Was das Ergebnis in Schleswig-Holstein nun politisch wert ist, wird daher erst die Wahl in Nordrhein-Westfalen zeigen. Läuft dort die CDU auch als erste durchs Ziel könnte die Union an einem neuen Projekt Schwarz-Grün arbeiten. Vizekanzler Robert Habeck hat gestern schon intensiv dafür geworben. Käme es in Kiel und Düsseldorf zu solch einem Bündnis, wären es bundesweit nach Baden-Württemberg und Hessen schon vier. Niedersachsen könnte im Herbst noch folgen und auch die Umfragen im Bund ließen, im Augenblick jedenfalls, ein Zweierbündnis aus Union und Grünen knapp zu.

Aus einer konservativen Wende, wie von Merz nach seiner Übernahme des Partei- und Fraktionsvorsitzes angedeutet, wird dann weiterhin nichts. Man müsse sich breiter aufstellen und mehr Diversität wagen, sagte er heute. Diese Sprachregelung machte sich der Parteichef am Montag nach den Sitzungen von Vorstand und Präsidium der CDU zu eigen, noch bevor der Sieger der Landtagswahl das Wort ergriff. Das kann man wohl als Signal interpretieren, auch wenn die Aussage im Ungefähren blieb. Merz kann Günther und dessen Haltung in einigen Punkten nicht ignorieren. Ob es am Ende zu einer Frauenquote reicht, wird sich zeigen. Offene Briefe diesbezüglich wird es vermutlich aber keine geben, auch wenn das inzwischen neben Twitter und Co. ein beliebter Zeitvertreib geworden ist.


Bildnachweis: Screenshot Pressekonferenz CDU Deutschland, 9. Mai 2022

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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