Die Falken haben gewonnen

Geschrieben von: am 22. Feb. 2022 um 8:43

Nun sprechen die Falken. Nach der Erklärung Putins vom gestrigen Tage fühlen sie sich in ihren Annahmen rundherum bestätigt. Zwar haben sie beim Datum wiederholt daneben gelegen, aber das spielt ja keine Rolle. Das Feindbild ist vollendet. Nur was macht man nun damit?

Eine gewisse Ratlosigkeit breitet sich aus, dabei ist es noch gar nicht so lange her, als Bundeskanzler Olaf Scholz in den USA ankündigte, bereit zu sein, notfalls „alle nötigen Schritte“ zu gehen. Putin wisse, dass er für eine Aggression gegen die Ukraine einen sehr hohen Preis zahlen müsse. Es lägen „alle Optionen auf dem Tisch“. Er wolle dies aber nicht genauer ausführen. Notwendig sei „strategische Doppeldeutigkeit“, damit Russland sich nicht genau ausrechnen könne, welchen Preis es bei einem Einmarsch zahlen müsste. Das klang nicht nur nach leeren Worten, es sind auch welche. Bis zuletzt betonten deutsche Politiker, wie einig sich der Westen sei. Das Gegenteil ist vermutlich wieder der Fall.

In Wirklichkeit ist Europa schwach und uneins. Es lässt sich nicht von Putin, sondern von Amerikanern und Briten vorführen, die immer dann an der Eskalationsschraube drehen, wenn vorsichtige Töne der Entspannung gesendet werden. Das war nach den Initiativen von Macron wie auch von Scholz in diesem Monat der Fall. Beide sind bzw. waren Akteure des sogenannten Normandie-Formats, eine Konstruktion, die eine Perspektive bot und mit dem Abkommen Minsk II eine entsprechende Grundlage hatte. Doch statt zusammenzufinden und die Chancen einer gemeinsamen europäischen Sicherheitsarchitektur mit Russland zu ergreifen, setzen sich auch unter der neuen Bundesregierung die transatlantischen Falken durch. Rolf Mützenich ist der einsame Rufer im sozialdemokratischen Walde, der sich noch an die Entspannungspolitik der eigenen Partei zu erinnern scheint. Er wäre wohl der bessere Kanzler gewesen.

Aber auch das Kräfteverhältnis innerhalb der Europäischen Union hat sich verschoben. Wo früher Madame No (Merkel) und Schäuble, später Scholz mit einer zerstörerischen Finanzpolitik, die nur die Interessen des „Exportweltmeisters“ Deutschlands im Blick hatte, die Richtung vorgaben, steigt nun Frankreich auf. Die anhaltenden Demütigungen durch Deutschland haben ein Ende. Nach dem Abschied von Merkel schickt sich Macron mit Unterstützung des europäischen Südens an, die dominierende Rolle zu übernehmen und genau die Führung zu liefern, die man bei Olaf Scholz angeblich bestellen kann. Deutschland ist nicht nur abhängig von russischem Gas, sondern mittlerweile auch vom französischen Strom aus der inzwischen als grün und nachhaltig gelabelten Atomkraft. Den Militäreinsatz in Mali beendet auch nicht der Deutsche Bundestag, weil die Mission (welche eigentlich) erfüllt ist, sondern Frankreich, hinter dem eine dilettierende deutsche Verteidigungsministerin nur hertrotteln kann. Deutschland ist unfähig und zunehmend isoliert, erwartet aber weiterhin großmäulig Kooperation, weil es früher eben selbst diktierte. Dabei erntet es jetzt das, was Merkel in 16 Jahren mit freundlicher Unterstützung der deutschen Sozialdemokratie sähte.

Die eigentliche Nachricht des gestrigen Tages ist, dass Washington und London den europäischen Einigungsversuch mit Russland erfolgreich torpediert haben. Putin musste erkennen, dass die in Aussicht gestellten Verhandlungen wertlos sind, wenn sich Europa, das weiterhin uneinig ist, nicht einer möglichen Vereinbarung, die im Normandie-Format hätte getroffen werden können, verpflichtet fühlt, sondern ausschließlich den Doktrinen der USA. Die neue Bundesregierung steht bereits vor einem Scherbenhaufen, weil es nicht gelungen ist, die eigenen, wie auch die europäischen Interessen in Zusammenarbeit mit Russland zu betonen. Den Transatlantikern ist hingegen gelungen, einen Keil zwischen EU-Europa und Russland zu treiben. Nun eskaliert Russland eben auch und dieser Konflikt schadet vor allem der EU und insbesondere Deutschland, das von der einen Abhängigkeit in die nächste stolpert, wohingegen die Geschäfte zwischen Russland und den USA weiterhin blendend laufen. Daher dürfte vor allem die Energie aus dem Westen hierzulande noch viel teurer werden. Doch nicht die Falken in Politik und Medien werden dafür bezahlen, sondern die normalen Menschen. Und daran ist nicht allein Russland schuld.


Bildnachweis: PixelAnarchy auf Pixabay

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Dieter  Februar 22, 2022

    Die Rüstungsaktionäre Haben gewonnen !

    Lokheed Martin
    52-Wo-Hoch 354,60
    52-Wo-Tief 273,85
    +66,05 (23,68 %) im letzten Jahr

    Ratheon
    52-Wo-Hoch 84,91
    52-Wo-Tief 59,00
    +21,35 (35,00 %) im letzten Jahr

    Das was der Autor Jens Berger für Trump beschrieb galt von für Friedensnobelpreisträger Obama und jetzt für Joe Biden.

    „Die Gewinner von Trumps Kriegspolitik sind BlackRock und Co.
    .
    .
    Die größten Aktionäre dieser Konzerne sind durch die Bank weg die drei gigantischen Finanzkonzerne BlackRock, Vanguard und State Street, die zusammen im Schnitt mit mehr als 20 Prozent an diesen Konzernen beteiligt sind, also durch das Attentat fast vier Milliarden US-Dollar Gewinn machten. Ein Kommentar von Jens Berger, dessen Buch „Wer schützt die Welt vor den Finanzkonzernen“ in diesen Tagen erscheint.
    .
    .
    https://www.westendverlag.de/kommentare/die-gewinner-von-trumps-kriegspolitik-sind-blackrock-und-co/

  2. StefanFriedrich  Februar 23, 2022

    Hallo zusammen
    Ich sehe noch einen weiteren Aspekt .
    Neben der Coronapanik installiert man nun
    die Kriegspanik . Das Volk soll abgelenkt werden .
    Russland wird als Sündenbock für nachfolgende
    wirtschaftliche Engpässe u. damit verbundene
    Teuerungen , in Stellung gebracht .
    Diese politischen Anfänger in DE u. EU sind sich für nichts zu schade und werden nicht mal rot , wenn sie
    beim Lügen ertappt werden .
    MfG Stefan Friedrich

  3. Hans-Jürgen Herzberg  Februar 23, 2022

    Ihre Anlyse ist auch meine Erkenntnid.
    Die USA will keine Einigung in Europa. Sie wird alles tun um ihre Vormachtstellung zuerhalten.
    Der Dollar als Welthandelswährung ermöglicht der USA unerschöpflich Dollar, auf Kosten anderer Länder, zu drucken.
    Bei Einigung in Europa auch mit Russland wäre eine Stärkung des Euro möglich.
    Das versucht die USA mit allen Mitteln zu unterbinden.
    Dann könnte der Frieden wieder eine Zukunft haben. Keine Aufrüstung mehr. Was könnte man mit diesen Mitteln alles realisieren.
    Was haben wir für Politiker, aber was haben wir für Menschen die diese Politiker wählen.
    Für mich unfassbar.
    Wann kommen wir eigentlich zu Vernunft????
    mfg
    Hans-Jürgen Herzberg

  4. Arnold  Februar 23, 2022

    Es ist erneut ein Versagen der Politiker. Ich denke allerdings, dass wir einzelne Personen nicht verantwortlich machen können. Wir haben es mit einem Versagen der Systeme zu tun.
    So wie im Sozialismus eine zentral gesteuerte Wirtschaft zum Kollaps führte, weil so etwas komplexes wie ein Wirtschaftssystem unmöglich zentral gesteuert werden kann, so führt jetzt die zentrale Steuerung der Politik zum Kollaps. Auch die Politik kann von den wenigen Politikern nicht überblickt werden. Ein Versagen ist unausweichlich.
    Ich plädiere dafür unsere Demokratie neu zu gestalten. Wir haben inzwischen die technischen Mittel die antike Demokratie in der alle Bürger am Gesetzgebungsprozess beteiligt waren auch auf ein Volk mit vielen Millionen Einwohnern auszudehnen. Es gibt im Volk zu jedem Thema kompetente Fachleute. Jeder im Volk ist zugleich auf einem begrenzten Gebiet ein Experte. Eine Demokratie, die dieses Potenzial nutzt hat ungeahnte Möglichkeiten.

  5. Jörg Wiedmann  Februar 23, 2022

    Für die durch die Coronapolitik verursachten wirtschaftlichen Schäden braucht man nun dringend einen Sündenbock. Da kommt der Russland Ukraine Konflikt „zufällig“ gerade zur rechten Zeit.
    Die Energiepreise fliegen davon und treiben die mittelständische Wirtschaft in den Ruin.
    In meinem Unternehmen gehen -wenn es so weiter geht- leider bald die Lichter aus.
    100% Mehrkosten beim Materialeinkauf (Stahl) innerhalb von 8 Monaten.
    Flexible Energiekostenzuschläge bis zu 30% ab 1. März bei Wärmebehandlungen (Härten, vergüten oder brünieren). Ein Ende ist nicht absehbar. Und kaum eine Möglichkeit diese gestiegenen Kosten irgendwie weiterzugeben.
    Außerdem lenkt der Russland Ukraine Konflikt auch davon ab was momentan in Kanada vor sich geht.
    Das ist eigentlich der wahre Skandal und in meinen Augen für die weitere gesellschaftliche Entwicklung wesentlich wichtiger.
    Ich denke die Vorgänge in Kanada hätten einen Artikel von Ihnen verdient.