Die Rücknahme der Corona-Beschränkungen ist unvermeidlich. Das hat nun auch die Politik hierzulande erkannt, was zunächst einmal zu begrüßen ist. Der verbalen Kehrtwende folgt allerdings kaum etwas von Belang. Es werden Maßnahmen zurückgenommen, an die sich ohnehin niemand gehalten hat, geschweige denn gewusst hätte, dass sie noch existieren.
Die sogenannten Maßnahmen haben sich abgenutzt, insbesondere die privaten Kontaktbeschränkungen, die zwar auf dem Papier bestehen, aber in der Praxis wegen Unüberprüfbarkeit nie eine Rolle spielten. Ihre Rücknahme als Lockerung zu verkaufen, ist mehr als seltsam. Der Staat hat sich damit nur lächerlich gemacht und täte es weiterhin, wenn er eine neue Obergrenze für private Treffen erfinden würde. Ein vergleichbares Urteil betrifft die 2G-Regel. Viele Zutrittsbeschränkungen haben Gerichte bereits für rechtswidrig erklärt. Es besteht nunmehr ein Flickenteppich. Eine allgemeine Rücknahme ist aber nicht nur deshalb geboten, sondern wegen erwiesener epidemiolgischer Nutzlosigkeit bei hohen wirtschaftlichen Folgeschäden für Dritte längst überfällig.
Da die Politik aber als Zeichen besonderer Handlungsfähigkeit ein ebenso sinnloses wie nutzloses Stufenmodell etablieren will, wird die 2G-Regel zunächst nur für den Einzelhandel zurückgenommen. In Restaurants soll es erst ab dem 4. März so weit sein. Warum? Beides, weder der Einzelhandel, noch die Gastronomie werden offiziell vom heiligen RKI als Hotspots deklariert. Die Behörde wie auch die Regierungen hatten nun ewig lange Zeit, Belege für die Wirksamkeit von 2G anzuführen. Sie taten es aber nie. Stattdessen verstieg man sich in fragwürdige Behauptungen und führte als Begründung den Verweis auf ein ominöses Team Vorsicht an, das als Team Ahnungslos längst enttarnt worden ist.
Das setzt sich auch in dem Beschlusspapier zur Ministerpräsidentenkonferenz am morgigen Mittwoch fort. Darin steht als zweiter Öffnungsschritt, dass am 4. März 3G gelten soll für Gastronomie und Hotels. Grundlage der 3G-Regel war einmal die Behauptung, dass Geimpfte und Genesene keine Rolle mehr beim Infektionsgeschehen spielen würden, weshalb sich nur Ungeimpfte zu testen hätten. Diese Annahme ist spätestens durch Omikron komplett haltlos. Es stecken sich alle an, die Impfung schützt da überhaupt nicht mehr, folglich müsste man dann auch die Zugangsregel entweder gleich fallen lassen oder man testet eben alle, wenn das Ziel weiterhin sein soll, Übertragungen zu verhindern. Doch was ist eigentlich das Ziel? Das Gesicht wahren, wie es scheint.
Ziellosigkeit
Es ist erstaunlich, mit wie wenig Wissen Grundrechtseinschränkungen begründet werden dürfen. Wenn vom korrigierenden Eingriff der Gerichte gesprochen wird, ist damit ausdrücklich nicht das Bundesverfassungsgericht gemeint, das sogar durchblicken ließ, präventive Versammlungsverbote für legal zu erachten. Es ist daher auch plausibel, dass die obersten Verfassungshüter eine vorsorgende Maßnahmenpolitik weiter durchwinken würden, obwohl eine Überlastung des Gesundheitssystems weder droht, noch je ernsthaft bestanden hat. Die Haltung des Gerichts wirft Fragen auf, die auch eine politische Dimension haben könnte, wie das bei der sogenannten Wissenschaft längst der Fall ist. Nur andersherum. Während sich Teile der Wissenschaft in politische Entscheidungsprozesse förmlich hineindrängten (Politische Virologie), bleibt das Bundesverfassungsgericht sichtbar auf Distanz.
Man könnte vermuten, die Karlsruher Richter haben kein Interesse daran, die Suppe auzulöffeln, die das Team Ahnungslos mit seinen sich selbst überschätzenden Beratern über zwei Jahre lang angerührt hat. Es ist doch so, dass jede Entscheidung im Namen des Volkes als bequemer Ausweg betrachtet werden würde und als eine Bestätigung des politischen Tuns. Also belässt man es im Großen und Ganzen dabei und lässt die Politik an sich selbst scheitern. Das zeichnet sich ja auch ab. Der Gesundheitsminister ist inzwischen untragbar geworden, wie das Kasperletheater um den Genesenenstatus und irgendwelche Zertifikate zeigt. Spätestens am 20. März ist der Spuk vorbei, wobei mit „niedrigschwelligen Basisschutzmaßnahmen“ weitere Grundrechtseinschränkungen verharmlost werden. Sie seien zur Eindämmung des Infektionsgeschehens weiterhin erforderlich, heißt es.
Darin zeigt sich wiederum das gesamte Ausmaß des deutschen Pandemie-Dilemmas. Die Ziellosigkeit. Wieso sollte das Infektionsgeschehen überhaupt noch eingedämmt werden, wenn auf den Impfschutz aufbauend, der wiederkehrende Kontakt mit dem Virus endlich die Grundimmunität herstellen soll, die epidemiologisch für eine Population erstrebenswert ist? Es ist doch sinnvoller, die Durchseuchung dann zuzulassen, wenn der Impfschutz am höchsten ist. Der Blick auf die Zahlen zeigt, dass es kaum noch Bewegung an der Spritzenfront gibt, ein Umstand, an dem auch die Impfpflicht nichts mehr ändern wird. Dagegen nimmt die Impfimmunität schnell wieder ab. Das Hinauszögern von Lockerungen oder die Beibehaltung von „niedrigschwelligen Basisschutzmaßnahmen“ ist daher gänzlich unangebracht. Es reichen Empfehlungen und gern auch Rücktritte von Ministerpräsidenten, die man ohne Maske ohnehin nicht mehr erkennt.
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FEB
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.