Rund um den Tag der Bundespräsidentenwahl, am 13. Februar, wird mutmaßlich der Peak der laufenden Corona Infektionswelle erwartet, mit einem neuen Rekordstand. Es mutet daher wie ein Treppenwitz der Geschichte an, dass ausgerechnet in der größten Gesundheitskrise dieses Landes, auch die größte Bundesversammlung aller Zeiten mit 1472 Wahlleuten zusammentreten wird, um einen Bundespräsidenten wiederzuwählen, auf den sich eine breite Mehrheit von etwa 1222 im Vorfeld bereits verständigt hat. Nichts könnte absurder sein.
Als vor fünf Jahren Frank-Walter Steinmeier zum Bundespräsidenten gewählt worden ist, interessierte das draußen vor dem Reichstag niemanden. Passanten, die man fragte, winkten irritiert ab. Die Bundesversammlung wirkt wie aus der Zeit gefallen. Eine echte Wahl findet dort auch nicht statt, sondern lediglich der Vollzug eines parteipolitischen Kuhhandels, der aber verfassungskonform organisiert sein muss. Die Hauptstadtmedien zelebrieren diesen Wahlakt dennoch, nur dieses Mal wird es schwer, weil der Corona Regelungswahnsinn nun seine abstruse Seite zeigt. Die Presse hat keinen Zutritt.
Die Bundestagspräsidentin muss ein Kunststück vollbringen. Und zwar einen rechtskonformen Wahlakt organisieren, der gleichzeitig den strengen Corona Auflagen entspricht, die man sich selbst und der Bevölkerung auferlegt hat. Das das nicht funktionieren kann, hat Bärbel Bas bereits erkannt und von der strengen 2G+ Regel abgesehen, die sonst für die Mitglieder des Bundestages gilt. Wenn die Bundesversammlung, diesmal im Paul-Löbe-Haus, zusammentritt, müssen sich alle Mitglieder lediglich testen lassen. Der Impfstatus spielt keine Rolle. Und das, nachdem der Bundestag gerade erst eine moralgetränkte Orientierungsdebatte über die allgemeine Impfpflicht abgehalten hat. Die erinnerte ein wenig an die Pkw-Maut. Man weiß, das es falsch ist, will es aber trotzdem beschließen. Borniertheit ist eben Staatsraison.
Nun wird es ein extra Testzentrum geben, das über 600 Tests pro Stunde leisten soll. Im Gebäude ist eine Kleingruppenpflicht vorgeschrieben, also eine Auflage an Mitglieder, die unter sich zu bleiben haben. Das alles in der Hoffnung, ein Superspreading Event vermeiden zu können, was zweifellos der Super-Gau für all jene wäre, die seit zwei Jahren im Team Vorsicht spielen und der Öffentlichkeit in Dauerschleife wirkungslose Grundrechtseinschränkungen aufzwingen. Nun muss man mit bestem Beispiel vorangehen und wird sich grandios vor der deutschen und der internationalen Öffentlichkeit blamieren. Denn dieser Wahlakt, so wie er geplant ist, dürfte ebenfalls rechtswidrig sein und angefochten werden.
Der Gesetzgeber hat sich mit dem Corona-Vorschriften-Irrsinn und dank eines abermals vermurksten Wahlrechts, das ein noch aufgeblähteres Parlament zur Folge hatte, in eine Sackgasse hinein dilettiert. Nun gilt es irgendwie gesichtswahrend die Demokratie zu preisen, aber auch die absurden Corona Regeln im Rahmen einer Großveranstaltung zu befolgen, bei der das Ergebnis schon lange feststeht. Jens Peter Paul schreibt auf Cicero.
Wenn die gesetzlich vorgesehenen Mitglieder der Bundesversammlung sich das gefallen lassen, sind sie selbst schuld. Das gleiche gilt im übrigen für die Medienvertreter, die freilich dann vor dem Problem stehen, für jeden auch nur zaghaften Protest ihre selbstgewählte Vorbildrolle in Frage stellen und ihre Distanzlosigkeit gegenüber noch absurdesten staatlichen Anti-Corona-Maßnahmen überdenken und revidieren zu müssen. Dass der Deutsche Bundestag ausgerechnet die – wegen seiner gesetzeswidrigen Aufblähung mit mehr Mitgliedern als je zuvor – größte jemals hier gesehene parlamentarische Versammlung nutzen will, um die von ihm selbst geschaffene Bedeutung des Impfstatus mal eben kommentarlos in die Tonne zu treten und plötzlich alleine auf mehr oder weniger unzuverlässige Tests vertrauen will, vollendet das desaströse Bild. Der blanken Angst der Präsidentin, aus dem Ereignis einen Superspreader-Event zu machen, hatten sich alle anderen Aspekte unterzuordnen.
Quelle: Cicero
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JAN
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.