Mal abwarten

Geschrieben von: am 06. Jan 2023 um 15:33

Die Vereinigten Staaten beabsichtigen Schützenpanzer vom Typ Bradley zur Verfügung zu stellen, weshalb nun auch Deutschland beabsichtigt, Schützenpanzer vom Typ Marder zu liefern. Die Vereinigten Staaten beabsichtigen allerdings auch, einen Sprecher des Repräsentantenhauses zu wählen. Das muss man dann mal abwarten. Jedenfalls trägt die Panzerdebatte seltsame Züge.

Zunächst einmal wird behauptet, dass der Kanzler bei den Waffenlieferungen bislang viel zu zögerlich war und immer erst dann reagierte, wenn andere ihn dazu drängten – damit ist allerdings nicht die FDP mit Frau Stramm-Zimmermann gemeint, auch wenn die das vermutlich gerne so hätte. Nein, in diesem Fall seien es Frankreich und die USA mit ihren Ankündigungen gewesen, die die Bundesregierung unter Druck oder Zugzwang setzten. Das ist alles richtig, nur zeigt der Vorgang gerade nicht die Zögerlichkeit der Bundesregierung, sondern die aller im glorreichen Westen, weshalb die angekündigten Lieferungen von veraltetem Kriegsgerät im Ergebnis wohl auch vollkommen nutzlos, mindestens aber noch einmal verlängernd tödlich sein werden.

Aber diese Meinung ist unter den eilig herbeigeschafften „Corona Militärexperten“, im folgenden Mietmäuler genannt, kaum mehrheitsfähig. Hier träumt man vom großen Sieg auf dem Felde über die Atommacht Russland. Die nun beabsichtigten Panzerlieferungen wirken dabei, Zitat: „nicht notwendigerweise“ eskalierend. Natürlich nicht, da ja zunächst eine Ausbildung an drei verschiedenen „Systemen“, wie man neuerdings so schön sagt, stattfinden muss. Das dauert etwas. Die NATO selbst hegt bekanntlich auch weiterhin keine Absichten, offen mit eigenen Truppen in den Krieg einzugreifen. Das müssen Ukrainer und Russen schon selbst erledigen und folglich auch sicherstellen, dass sich genügend Männer im wehrfähigen Alter mit ihrem Leben an den Kampfhandlungen beteiligen.

Und wenn diese Umstände so bleiben, steht die Ukraine, nüchtern betrachtet, auf verlorenem Posten. Denn Russland hat einfach mehr Söhne und folglich auch mehr Soldaten. Vermutlich auch mehr Munition. Jedenfalls muss der zögerliche Westen die leergefegten Arsenale ständig neu bestücken, da der Munitionsverbrauch auf beiden Seiten ungewöhnlich hoch ist.

Aber auch die westliche Seite kann nicht weiter in die Sperrbestände der Munitionsdepots ihrer Streitkräfte eingreifen und unbegrenzt liefern. Dies gilt in besonderem Maße für Deutschland. Auch in den USA stoßen die Munitionsvorräte für die M777-Haubitzen und die weitreichenden HIMARS-Raketenwerfer an Grenzen. Die bereits angelaufene Steigerung der Produktionskapazitäten für Munition in den USA und in Europa wird Zeit in Anspruch nehmen. Viele aus dem Westen bereits gelieferte moderne Waffensysteme müssen zudem instand gesetzt werden.

Helmut W. Ganser, Brigadegeneral a.D.

Ein Ende der Kampfhandlungen, bekannt als Waffenstillstand könnte vielleicht helfen, einmal über andere Wege aus dem Desaster nachzudenken. Doch das ruft wenig Begeisterung hervor, vielmehr Empörung und die etwas seltsame Forderung, dass Russland einfach nur vollständig abziehen müsse.

Doch wie weit ist man mit dieser Sandkasten-Haltung nach fast einem Jahr Krieg und neun Sanktionspaketen gekommen? Gibt es da eine Wirkung auf den Aggressor? Wird es nach Panzerlieferungen einen Abzug geben? Nicht notwendigerweise, könnte man in Anlehnung an die Mietmäuler sagen.

Die können sich ihre Haltung bei einem Glas Rotwein bislang noch leisten, weil man nicht so genau weiß, wie viele Ukrainer ihr Leben für den Satz, Putin muss seine Truppen einfach nur abziehen, verlieren. Da herrscht Unklarheit. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen sprach Ende November von über 100.000 getöteten Soldaten, was in Kiew umgehend für Verärgerung sorgte. Nur der ukrainische Präsident werde offizielle Daten publik machen, wenn der richtige Moment gekommen sei. Ist er wohl noch nicht. Also abwarten, wie auch bei der Frage, wo denn eigentlich die Marder herkommen sollen. An einer Antwort wird bis Dienstschluss gearbeitet.

Sie dürfte auf jeden Fall die Mietmäuler, die Stramm-Zimmermanns und die Tonis mit den langen Haaren das ganze Wochenende über beschäftigen und erklären lassen, dass nur die Ukraine völlig unabhängig entscheide, wie lange sie kämpfen oder wann sie verhandeln wolle, zumindest solange, bis aus der Absicht, einen Sprecher des Repräsentantenhauses zu wählen, eine Tatsache geworden ist. Aber das kann ebenfalls noch dauern.


Bildnachweis: Gerd Altmann auf Pixabay

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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