Ein neuer Krieg droht im Osten, der Zerfallsprozess der Europäischen Union beschleunigt sich und im Innern wird, weil am Donnerstag mal wieder eine Ministerpräsidentenkonferenz stattfindet, das Sperrfeuer auf Ungeimpfte verstärkt. Damit deutet alles auf eine friedliche und besinnliche Vorweihnachtszeit hin.
Letzte Woche gab Olaf Scholz, er will immer noch Bundeskanzler werden, den Forderungen nach und berief eine Bund-Länder-Runde in Sachen Corona für diesen Donnerstag ein, bei der keiner so genau weiß, was dort eigentlich beschlossen werden soll. Es folgte daher das übliche Ping-Pong-Spiel in den Medien. Politiker und Multiplikatoren mit Reichweite schaukeln sich gegenseitig hoch. Das Ziel: Möglichst viel Bullshit-Bingo betreiben, damit der Lockdown für alle am Ende erträglicher wird. Schon genug Klopapier ins Regal gelegt?
Zumindest ist klar, wer Schuld an der Misere hat. Der Spiegel hat es am Samstag bereits auf seine Titelseite geschrieben.
Einen Tag vorher gab die Forschungsgruppe Wahlen bekannt, dass die Forderung nach strengeren Corona-Schutzmaßnahmen deutlich zunehme.
Nüchtern betrachtet, dient das ganze Brimborium aber weniger dazu, noch irgend etwas an der Impfquote zu drehen oder gar eine Eindämmung der Pandemie zu erreichen, da kann man sich ja so oft boostern, wie man will, die angelaufene Durchseuchung lässt sich auch mit einem Tempolimit nicht mehr aufhalten. Nein, es geht eigentlich nur noch darum, der Regierung im Werden, die so harmonisch mit Selfies gestartet ist und einen angeblich neuen Politikstil begründet hat, ans Bein zu pinkeln. Und das auch vollkommen zu recht.
Denn SPD, Grüne und FDP passen inhaltlich nicht zusammen. Wer mit 300 Verhandlern loseiert, um einen Koalitionsvertrag zu formulieren, der rechtlich keine Bindung hat, will nur Wohlklingendes für die eigene Anhängerschaft produzieren. Das Parlament wird allerdings geknebelt, wenn in Wirklichkeit Funktionäre entscheiden und sich Abgeordnete zu Notariatsgehilfen einer Legislative machen, die nicht im Reichstag sitzt, sondern in den Hinterzimmern der Parteizentralen. An dem Befund von Heiner Flassbeck hat sich folglich auch nichts geändert.
Wenn die Grünen ihr Programm ernst nehmen, können sie niemals mit CDU und FDP koalieren, und wenn die Liberalen ihr Programm ernst nehmen, brauchen sie erst gar nicht mit SPD und Grünen zu verhandeln. Dreierkoalitionen mit jeweils einem Partner, der das eigentlich gar nicht will, richten Schaden an, weil sie auf Kompromiss um jeden Preis getrimmt sind und nicht auf sachlich angemessenes politisches Handeln.
Diese Woche könnte damit auch einen Schritt in Richtung Große Koalition bedeuten, da die Ampel vermutlich scheitern wird. Das zeigt sich bereits an der Debatte um die epidemische Lage von nationaler Tragweite. Die soll am 25. November auslaufen, wird nun aber durch ein Folgegesetz, dessen Entwurf unter massivem Druck noch einmal deutlich verschärft worden ist, praktisch in alter Form fortgeführt. Punktgewinn für die Union, die zwar ziemlich chaotisch auftritt, aber wenigstens darum weiß, dass es bei den Ampelparteien nicht mehr so richtig läuft.
Dort ist die Euphorie verflogen und man reagiert inzwischen ebenso mit Ratlosigkeit. Man weiß nicht weiter und greift daher zu Zwangsmaßnahmen wie das lustige 3G im ÖPNV. Das haben sich bestimmt die Grünen als Kröte für die FDP ausgedacht, nachdem das Finanzministerium, so scheint es jedenfalls, an die Liberalen zu gehen scheint. Es ist wie vor vier Jahren bei den Jamaika-Verhandlungen. Zwar dringt weniger nach draußen, dafür wird sich diesmal mit Werkzeugen aus dem Corona-Instrumentenkasten gegenseitig gepiesackt und das solange, bis einer nicht mehr will.
Am Ende wird sich der aufgestaute Handlungsdruck nicht unbedingt in kaum durchsetzbaren Impfpflichten oder noch mehr Maßnahmen, die einer Kontrollillusion unterliegen, entladen, sondern dort, wo es am einfachsten ist und wo keinerlei Widerstände zu erwarten sind. Es wird wieder zu Schulschließungen kommen. Das sind die Gebäude, in denen Kinder und Jugendliche gerade ohnehin wieder frieren, weil es keine Luftfilter gibt. Die sind allerdings auch nicht unbedingt erforderlich, in den Altenheimen dagegen schon. Doch darüber redet komischerweise niemand, obwohl jeder inzwischen weiß, dass dort und nicht in Schulen gestorben wird.
Wer beim Personal nicht geimpft ist, soll auch nicht pflegen dürfen, lautet dagegen eine prominente Ansage der Stunde. Überhaupt die Ungeimpften. Sie terrorisieren den Rest der Gesellschaft. Das ist vollkommen logisch. Denn es wäre halt auch irgendwie blöd, wenn die Regierenden und die, die es werden wollen, den Geimpften nun ohne das Angebot eines Punchingball erklären, dass sie sich fortan genau wie die Ungeimpften auch wieder in die Schlangen der Testzentren einreihen müssen, um ihre Rechte in Anspruch nehmen zu dürfen. Oberstes Gebot bleibt. Pflege die Feindbilder, dann hast Du auch weiterhin Verbündete oder: Teile und herrsche.
Bildnachweis: Spiegel-Titel vom 13. November 2021
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Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.