Heute beginnt die fünfte Jahreszeit. Die Narren ziehen los, allerdings ohne das Dreigestirn. Der Kölner Prinz ist gestern positiv getestet worden. Prinz, Jungfrau und Bauer müssen daher in Quarantäne und können ihren Auftritt am 11. November nicht wahrnehmen. Derweil steigen die Fallzahlen auf ein weiteres Rekordniveau. Nun gibt es eine Debatte über den Sinn des Karnevals unter diesen „katastrophalen“ Bedingungen. Das Interessante dabei: Es ist ein Streit innerhalb von 2G. Hier gibt es nun zwei Lager.
Lustig ist dabei ein Phänomen, das man als G-Punkt Tennis bezeichnen könnte. Also die eine G-Punkt Fraktion findet die Vorstellung, jetzt Karneval zu feiern, furchtbar unverantwortlich und fordert energisch, auf die Narretei zu verzichten. Die andere G-Punkt Fraktion will unbedingt an ihren Freiheitsrechten festhalten, die ihr die Obrigkeit aufgrund von Wohlverhalten temporär gestattet. Wozu habe man sich schließlich impfen lassen? Die Lösung dieses Streits ist denkbar simpel. Man schiebt es den Ungeimpften, die aufgrund von Anordnung sowieso nicht mitfeiern dürfen, in die Schuhe. Das ist der Kitt, der 2G im Moment zusammenhält.
Zu Beginn der Woche war mit der Formulierung „Tyrannei der Ungeimpften“ das Narrativ für die kommenden Tage gesetzt. Medien treiben seitdem die Politik erneut vor sich her. Sichtbar wird das an der Forderung, eine Impfpflicht einzuführen. Diesen Ball nahmen die üblichen Verdächtigen, die mittlerweile an einem erkennbaren Bedeutungsverlust leiden, dankbar auf. Auch hier gibt es nun zwei Lager, nämlich die einen, die das fordern können, weil sie keine Verantwortung mehr tragen. Die Übernahme der inzwischen populären Position zahlt dann auf ihr Konto ein. Die anderen wiegeln ab, weil sie genau wissen, dass eine Impfpflicht scheitern muss.
Sie bloß anzudeuten, ist für die Aufrechterhaltung des Drucks auf Ungeimpfte ohnehin viel nützlicher. Denn würde solch ein Vorhaben formal scheitern, wären auch die indirekten Versuche durch Ausschlüsse vom öffentlichen Leben, Schikanen und Sonderpflichten eine freiwillige Impfentscheidung zu bewirken, hinfällig. Ein Dilemma. Es gibt natürlich gute Gründe für die Impfung, aber auch die Erkenntnis, dass deren Wirksamkeit heillos überschätzt worden ist. Für das Kommunikationsdesaster und den wachsenden Vertrauensverlust will aber niemand die Verantwortung übernehmen, das zeigt die hilflose Verschärfung von Rhetorik und Ordnungsrecht.
Ein schönes Beispiel für den ausufernden Regelungswahn sind Klarstellungen zum Verhalten auf den bald beginnenden Weihnachtsmärkten. Die Niedersächsische Staatskanzlei schreibt:
Klargestellt wird beispielsweise, dass die Vorgabe ‚3G‘ auch bei der „Entgegennahme“ von Bewirtungsleistungen gilt und nicht nur bei der „Erbringung“ derselben. Es muss also sichergestellt sein, dass nicht nur der- oder diejenige Person, die für alle Essen oder Getränke besorgt, geimpft, genesen oder aktuell negativ getestet ist, sondern alle Personen, die dann gemeinsam essen und trinken.
Mit 2G hat sich dieses, von Beamten liebevoll gestopfte Schlupfloch, allerdings ohnehin erledigt. Ob nun 2G oder 3G gilt, für Ungeimpfte, die es bleiben wollen, macht es keinen Unterschied. Beide Modelle bedeuten mit der Kostenpflicht bei Tests den faktischen Ausschluss vom öffentlichen Leben. Jetzt die bundesweite 2G-Regel als eine neue Verschärfung und Unbequemlichkeit zu verkaufen, ist daher bloße Rosstäuscherei. Gleichzeitig zu glauben, dass sich mit den Zugangsbeschränkungen das Infektionsgeschehen besser beherrschen ließe, ist ein weiterer Irrglaube, der auch schon zugegeben worden ist. Die Rückkehr der kostenlosen Schnelltests ist nichts anderes, als die Vorbereitung auf 2G+, also das Eingeständnis, dass 2G ohne Tests nur eine Scheinsicherheit bietet.
Möglich sind dann auch wieder Kontaktbeschränkungen, Virologen fordern es bereits und sogar ein weiterer Lockdown, also das was die eine G-Punkt Fraktion schon immer wollte. Erst gab es die NoCovid Strategie, mit der Vorstellung, wir rotten das Virus einfach mal mit einem gesamtgesellschaftlichen Stillstand aus und nun ist man zu der Strategie übergegangen, wir impfen uns das Virus irgendwie vom Leib. Es wird nur nicht gelingen, da mit 2G, 2G+ oder was auch immer die notwendige Durchseuchung bereits in Kauf genommen wird. Es ist daher immer noch ein Kampf von Narren untereinander, die ihren Konflikt nun wieder nach außen tragen und behaupten, sie würden ausgerechnet von dort tyrannisiert.
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Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.