Das Imperium schlägt zurück

Geschrieben von: am 13. Jul 2021 um 10:03

Die Krankheit hat ihren Schrecken verloren, doch es ist noch reichlich Impfstoff übrig. So ist im Augenblick die Lage. Um die Impfmüdigkeit zu bekämpfen, reicht es schon lange nicht mehr aus, Ängste zu schüren. Die Party auf der Insel zeigt, auch unter hohen Inzidenzen passiert kaum noch etwas Dramatisches. Wieso also impfen? Weil weiterhin schwere Verläufe möglich sind, Kinder nicht geimpft werden können und Langzeitfolgen einer Infektion unklar sind. Gutes Zureden sowie Günther Jauch und David Hasselhoff als Testimonials zünden nicht, Prämien wohl auch nicht, weshalb die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, jetzt über mehr Druck sichergestellt werden soll. Frankreich macht es vor, vor allem weil der Präsident eine Wahl im Frühjahr vor sich hat.

Gestern hat Präsident Macron eine Impfpflicht für besondere Berufsgruppen im Gesundheitsbereich verkündet sowie Einschränkungen für den Teil der Bevölkerung, der sich weiterhin nicht impfen lassen möchte. Ungeimpfte werden vom Alltag demnach ausgeschlossen oder müssen mit Hilfe von Tests nachweisen, dass sie gesund sind. Die Tests wird es künftig nicht mehr kostenlos geben, was die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für Ungeimpfte nicht nur umständlicher, sondern auch teurer macht. Dieser Druck scheint zunächst zu funktionieren, da französische Medien berichten, dass es deutlich mehr Terminbuchungen in Impfzentren gebe.

In Deutschland hat sich Markus Söder bereits zu Wort gemeldet und wieder ein Zitat geliefert, das für Diskussionen sorgt. „Ohne Impfen keine Freiheit“. Die Zielrichtung für den Bayern ist damit klar. Auch in Deutschland soll es über mehr Druck gehen. Der Impfpass soll zu einer Art Grundrechtszugangsberechtigung werden, mit Ablaufdatum natürlich, denn mit einer Impfserie ist es wohl nicht getan. Es zeigt sich nun, warum die Regierung mit der Entscheidung der STIKO so hadert. Die hatte keine Impfempfehlung für gesunde Kinder und Jugendliche ab 12 ausgesprochen und als Begründung angeführt, dass ein praktischer Nutzen der Impfung weder gegeben noch nachweisbar ist. Das ist eine gewichtige Gegenposition, die es im Augenblick schwer macht, wie in Frankreich zur ganz großen Keule zu greifen.

Es wird aber vermutlich trotzdem so kommen, dass beispielsweise die kostenlosen Bürgertests, die weiterhin als Zugangsvoraussetzung dienen, irgendwann bezahlt werden müssen oder dass Ungeimpften der Zutritt zu bestimmten Einrichtungen des gesellschaftlichen Vergnügens wie Restaurants zum Beispiel generell untersagt wird. Man kann sich ja schließlich auch impfen lassen. Es wird sich in diesem Sommer zeigen, welche Strategie sich durchsetzt. Diejenigen, die es eher locker sehen, wie die Briten und Österreicher oder diejenigen, die, weil sie innenpolitisch massiv unter Druck stehen, zu autoritären Mitteln greifen. Macron ist nach der Schlappe bei den Regionalwahlen vor ein paar Wochen in Erklärungsnot. Im kommenden Frühjahr muss er sich als Präsident dem Votum der Wähler stellen. Derzeit sieht es nach einem knappen Rennen in der ersten Runde aus. Macron könnte da bereits scheitern.


Bildnachweis: Sergggio auf Pixabay

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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