Großveranstaltungen im Sport sind immer Projektionsflächen für Botschaften der unterschiedlichsten Art. Warum? Weil nur hier maximale Aufmerksamkeit mitunter durch ein weltweites Publikum gegeben ist. Das Regenbogenstadion ist daher keine neue Form, eine Botschaft zu senden, sondern naheliegend. Die Allianz Arena verfügt über eine rundum Außenbeleuchtung mit 300.000 LEDs, die mit maximal 16 Millionen Farben für dynamische Lichtstimmungen sorgen können. Das eignet sich dann wiederum auch, um eine politisch verlogene Stimmung gegen andere Länder zu machen.
Tatsächlich rücken die Lämpchen aber nicht irgendwelche Botschaften in den Vordergrund, das ist nur Beiwerk, das hin und wieder auch zu Unfällen auf der nahegelegenen Autobahn führt, weshalb es inzwischen einen strengeren Beleuchtungsplan gibt. Nein, das Lichtspiel dient in erster Linie dazu, den Versicherungskonzern gut aussehen zu lassen, dessen Name über dem Eingang prangt. Namensrechte sind ein Millionengeschäft, weshalb die Allianz Arena in München während der Europameisterschaft übrigens nicht so genannt werden darf.
Die Außenhaut ist also nicht mehr als eine überdimensionierte Werbefläche, die wahrgenommen und bewundert wird. Bis 2041 wird die Arena daher auch ein Versicherungsstadion bleiben, das dem FC Bayern rund 120 Millionen Euro beschert. Die Regenbogenfarben hätten also noch einmal maximale Aufmerksamkeit erzielt, nur war die gewählte Form, das zu erreichen, eben auch maximal dumm. Weder Rathäuser noch Fußballverbände sind für Außenpolitik zuständig. Ein Stadtrat oder ein Bürgermeister, der die UEFA auffordert, nicht etwa in erster Linie für LGBTQ-XYZ Partei zu ergreifen, sondern eine politische Botschaft der Missbilligung an Ungarn zu senden, macht sich lächerlich. Das ist auf den ersten Blick nur nicht so ersichtlich, weil der wohlfeile Applaus der Heuchler darüber hinwegtäuscht, die ihre Profilbilder mal eben rasch in bunte Farben tauchen.
Da zeigt sich vor allem auch die Schwäche der Sozialdemokratie, die sich einmal mehr an die Spitze der Bewegung gestellt hat und reine Symbolpolitik nur des Applauses wegen betreibt, statt eine Politik zu verfolgen, die Menschen hilft, die von Benachteiligungen betroffen sind. Denn die Beleuchtung des Stadions an einem anderen Tag stattfinden zu lassen, lehnte der Münchner Oberbürgermeister pikiert ab. Entlarvend, da ja dann die maximale Aufmerksamkeit nicht mehr gegeben wäre und allenfalls eine Debatte über sinnlos angefallene Stromkosten hätte geführt werden müssen, wie in anderen Städten, die leere Stadien bunt illuminierten. Das käme unter Umständen nicht gut an im grünen Ökowahlkampf, dessen wesentlicher Kern die Verteuerung von Energie ist, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen.
Falscher Fokus
Der Regenbogen ist verlogen, ja, weil es nichts kostet, aus einer moralischen Position der Überheblichkeit heraus mit dem Finger auf die Ungarn zu zeigen. Es ist vor allem die woke Einstellung einer gesellschaftlichen Schicht, die hier zum Ausdruck kommt, die gut verdient und meint, mit Identitätspolitik eine gerechte Sache zu verfolgen und am Ende damit sogar Wahlen zu gewinnen. Das ist fundamental falsch, weil das drängendste Problem unserer Zeit eben nicht der gesellschaftliche Umgang mit Geschlecht und Sexualität ist – selbst Deutschland wäre da ein schlechtes Vorbild, wie Albrecht Müller, Tobias Riegel und Jens Berger auf den NachDenkSeiten gezeigt haben – sondern der Gegensatz zwischen Arm und Reich, der sich im Corona-Jahr noch einmal verschärft hat.
Was weiß die deutsche Sozialdemokratie eigentlich darüber? Was weiß sie über die Armut in Ungarn? Was weiß sie über die Armut in Deutschland? Und was will sie dagegen tun? Vielfalt und Toleranz sind zudem reine Sprechblasen in einem Umfeld, das auf Konfrontation gepolt ist. So überbieten sich die Kanzlerkandidaten von Union, Grünen und SPD gerade darin, wie hart sie künftig außenpolitisch agieren wollen. Die Militarisierung der Außenpolitik nimmt weiter zu, gleichzeitig schmücken sich Rüstungskonzerne, deren Waffen Menschen weltweit töten und die EU-Grenzschützer von Frontex, die Flüchtende illegal zurückdrängen (Pushback), mit dem Regenbogen und Begriffen wie Toleranz und Vielfalt.
Der Regenbogen ist heute nur mehr eine Farce, schreibt Jens Berger auf den NachDenkSeiten. Er ist vor allem von kurzer Dauer, meteorologisch wie auch politisch. Nachhaltig ist eben keine Politik, die lediglich auf Rituale abstellt und die richtige Haltung zum Kern einer inzwischen autoritär auftretenden Missionierungskampagne macht, zu der man sich per Profilbildänderung möglichst offen bekennen sollte, um nicht verdächtig zu erscheinen. Nachhaltig wäre eine Politik, die zum Beispiel Bildungs- und Aufstiegschancen für die Menschen verbessert, die weniger privilegiert sind. Nachhaltig wäre auch eine Politik, die es unterlässt, 27 Rüstungsprojekte im Gesamtwert von rund 20 Milliarden Euro zu beschließen, während in der Bildung oder im öffentlichen Gesundheitsdienst weiterhin die Mittel fehlen. Aber dafür haben sich ja inzwischen Maßnahmen wie Distanzlernen und Lockdown bewährt, die dann zum Einsatz kommen, wenn Teile der Bevölkerung nicht spuren. Am besten ist natürlich, das Regime zu ändern, während man die Regenbogenfahne für mehr Toleranz und Vielfalt schwenkt.
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JUN
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.