Maske auf oder Maske ab. Es steht zu befürchten, dass nun die nächste epische Endlosdiskussion die deutsche Öffentlichkeit erreicht. Die Bundesjustizministerin hat erkannt, dass bei einem stark abflauenden Infektionsgeschehen die Rechtsgrundlage für Anordnungen nicht mehr gegeben sein könnte, die bei Verstößen ein Bußgeld vorsehen. Der Bundesgesundheitsminister sieht es ähnlich, schlägt aber ein stufenweises Vorgehen vor. Auf Nachfrage, wie das konkret aussehen soll, kommt aber nichts. Virologen und Lehrerverbände wollen die Maskenpflicht dagegen beibehalten, da das Virus noch nicht von der Bildfläche verschwunden sei. Nur das wird es nie, womit das Argument dann auch vollkommen sinnlos ist.
Noch immer steht die Frage im Raum, welche Strategie bei der Pandemiebekämpfung eigentlich verfolgt wird. Zunächst hatte man den Eindruck, dass es um das Absenken von Infektionszahlen geht. Nur sind diese Ziele erreicht, werden plötzlich neue definiert. Inzwischen liegen viele Landkreise unter 10 Fällen auf 100.000 Einwohner in sieben Tagen, also da, wo zahlreiche Verordnungen keine Maßnahmen mehr vorsehen. Dennoch eiern einige Landesregierungen, wie die aus Niedersachsen schon wieder herum. Sie drücken ihre heillose Überforderung mit dem angeblich so unbestechlichen Inzidenzwert als Form der Besorgnis aus und erklären, dass die Pandemie ja noch nicht vorbei sei und man deshalb vorsichtig bleiben müsse.
Nur darum geht es nicht. Was zählt, ist die Rechtsgrundlage und die gibt es nicht mehr her, die Maßnahmen in ihrer derzeitigen Form aufrechtzuerhalten. Wenn man also weiterhin sonderlich besorgt wäre, müsste man diese Rechtsgrundlage abermals ändern, dem Inzidenzwert folglich weniger Bedeutung beimessen und beispielsweise festschreiben, dass auch bei geringerem oder gar keinem Infektionsgeschehen Maßnahmen, wie das Tragen von Masken, zwingend erforderlich sind. Das will aber nach derzeitigem Stand niemand tun, weshalb die logische Konsequenz innerhalb der bescheuerten, aber selbstgewählten Inzidenzwert-Dogmatik zu ziehen ist. Und die lautet die Aufhebung aller Vorschriften, die juristisch keinen Bestand mehr haben können. Was nützt eine Maskenpflicht, wenn sie nicht mehr durchsetzbar ist? Da hilft es auch nicht, wenn Sozialdemokraten das Tragen von Masken wieder zu einer moralischen Frage der Solidarität verklären.
Es gelten die Rechtsgrundlagen, die ja nicht ausschließen, die bisherigen Vorschriften durch sehr viel kürzere und verständlichere Empfehlungen zu ersetzen. Die Eigenverantwortung die vorher da war, wird auch dann noch vorhanden sein, genauso wie diejenigen, die auf alles pfeifen, aber wegen fehlender Rechtsgrundlage ohnehin nicht mehr belangt werden können. Ja, aber die nächste Welle, hört man dann als Einwand. Die wird kommen, klar, nur ändern die Masken daran nichts. Verstörend bleiben auch Verordnungen, die mit abnehmendem Infektionsgeschehen immer länger werden. Gerade jetzt wäre ja Zeit, eine Korrektur des Pandemiemanagements vorzunehmen und zu erkennen, dass Infektionen nun einmal nicht zu verhindern und damit Teil des allgemeinen Lebensrisikos sind. Es gibt Impfstoffe, die zwar einen schweren Verlauf unwahrscheinlicher machen, was gut ist, aber keine sterile Immunität herstellen können.
Unklar bleibt außerdem, wie lange eine Impfung schützt. „Weil belastbare Daten dazu fehlen, müssen selbst Fachleute derzeit raten“, heißt es in dem Bericht. Damit fällt auch die etwas seltsame Rechtsauffassung weg, die Geimpften mit digitalem oder analogem Nachweis besondere Freiheiten in Abgrenzung zu anderen zugesteht. Die Grundrechte haben für alle wieder zu gelten und zwar ausnahmslos. Das Coronavirus wird wie alle anderen Atemwegsviren weiter zirkulieren, sich verändern und Infektionen bzw. Erkrankungen auslösen. Es wird also weiterhin zu schweren Verläufen und Hospitalisierungen kommen, möglicherweise auch bei jetzt Geimpften. Die Gesellschaft muss daher entscheiden, ob sie im Panikmodus mit einer Maßnahmen-Endlosschleife verharren möchte oder bereit ist, das Coronavirus als Teil der Lebenswirklichkeit zu akzeptieren. Letzteres könnte heilsam sein.
Bildnachweis: Willfried Wende auf Pixabay
JUN
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.