Zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt

Geschrieben von: am 07. Jun 2021 um 14:14

Haben Reiner Haseloff und die CDU in Sachsen-Anhalt deutlich gewonnen, weil sie eine Brandmauer gegen die AfD hochgezogen haben? Hat die Auseinandersetzung zwischen CDU und AfD gar einen „Windschatten“ erzeugt, in den andere Parteien geraten sind? Und wenn das Bild zuträfe, wieso haben diejenigen, die sich in diesem Windschatten wähnten, wie die SPD, nicht die eingesparten Kräfte dafür genutzt, um auf der Zielgeraden an die Führenden heranzukommen und ggf. vorbeizuziehen? Nach der Landtagswahl wird wieder viel Unsinn erzählt, aber wenig erklärt. Dabei hatte der amtierende Ministerpräsident einen bemerkenswert guten Ansatz.

Sicherlich hatte die Debatte um die Frage, ob sich CDU und AfD auf Augenhöhe befinden, Einfluss auf die Wahlentscheidung. Das durch einzelne Meinungsumfragen befeuerte Szenario eines Kopf-an-Kopf-Rennens wird einen Mobilisierungseffekt gehabt haben. Dazu kommt die Person des Ministerpräsidenten, der authentisch wirkt und glaubwürdig ist. Das gute Ergebnis für die CDU hat aber auch mit einem weiteren sehr wichtigen Aspekt zu tun, den Reiner Haseloff im ZDF ansprach. Das Problem einer überwiegend westdeutschen Medienwelt, man könnte auch Öffentlichkeit sagen, die eine Perspektive vorgibt, mit der viele Ostdeutsche wenig anfangen können.

Mehrheit für „rechte Gesellschaft“

Wenn beispielsweise behauptet wird, dass es der CDU gelungen sei, die Abgrenzung zur AfD in Stimmenzuwächse umzumünzen, was wiederum auf Seiten der weitgehend marginalisierten SPD mit einer Form der Bewunderung quittiert wird, so spricht daraus ein gewünschtes Narrativ. Nämlich, dass die bisherige Art des Kampfes gegen die Rechten vor allem im Osten berechtigt ist, sich sogar auszahle und daher weitergehen müsse. Tatsache ist aber, dass das progressive linke Lager dabei immer kleiner wird und weiterhin genau die Wähler an die AfD verliert, die ihre wirtschaftliche Lage als schlecht bewerten.

Die Vorsitzende der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, ließ sich am Wahlabend in ihrem Frust sogar dazu hinreißen, die Ergebnisse von CDU und AfD als Mehrheit für eine rechte Gesellschaft zu deuten, statt sich die Frage zu stellen, woran es liegen könnte, dass man die Menschen nicht mehr erreicht, für deren Interessen sich linke Parteien einsetzen wollen. Auch das hat viel mit dem zu tun, was Ministerpräsident Reiner Haseloff erkannt zu haben scheint. Auf die Frage, ob Armin Laschet irgendwas von ihm lernen könne, antwortete Haseloff im ZDF (hier ein Transkript des Statements).

„…Und das muss man einfach zur Kenntnis nehmen und wir müssen auch die Themen besser identifizieren, mit denen man Menschen zurückholen kann in die demokratische Mitte. Und das sind eben Themen, die eben nicht in Talkshows diskutiert werden, die in den Medien, in der westdeutschen Medienwelt, und wir haben fast eine ausschließliche westdeutsche Medienwelt, was auch die Standorte auch anbelangt, nicht jetzt der Öffentlich-Rechtlichen, sondern generell, ebent auch sozusagen der Blick auf Deutschland und auch Ostdeutschland, dass man ebent sich auch mehr Mühe geben muss, in die Köpfe dieser Menschen reinzukommen, damit wir ’ne Chance haben, sie wieder für die Demokratie zu gewinnen.“

Der Wahlerfolg Haseloffs geht also im Wesentlichen darauf zurück, die Menschen gerade nicht zu beschimpfen oder abzuwerten, weil die vielleicht AfD gewählt haben, sondern sie anzusprechen und zurückzugewinnen, etwas, dass der woken Linken völlig abgeht. Aus dieser Richtung hört man nur, dass sich die AfD-Wähler darüber klar sein müssen, Nazis zu unterstützen und dieses Verhalten quasi zutiefst verwerflich und unentschuldbar ist. Es wird also gar kein Versuch mehr unternommen, diese Wähler für andere politische Positionen zurückzugewinnen, weil man glaubt, dafür zuvörderst Fremdenfeindlichkeit gutheißen zu müssen. Bei derlei Plattheit muss man sich über weitere sinkende Zustimmungswerte dann auch nicht wundern.

Arroganz der Lifestyle-Linken

Für die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht verbirgt sich hinter dieser aggressiven Abwehrhaltung dann auch nicht weniger als die Arroganz einer Lifestyle-Linken, die ihre eigene Lebensweise zum Maßstab progressiven Lebens verklärt und dann auf Menschen herabblickt, die anderen Werten folgen und anders leben. Das heißt nicht, Fremdenfeindlichkeit zu befürworten, sondern zur Kenntnis zu nehmen, dass einstige sozialdemokratische und linke Hochburgen beinahe geschlossen zur AfD abgewandert sind. Das hat andere Gründe als eine plötzlich ausgeprägte Sympathie für Fremdenfeindlichkeit. Wagenknecht sagt:

„Das Politikpaket aus Links- und Neoliberalismus besteht darin, dass man fleißig Antidiskriminierungs- oder Frauenbeauftragte schafft und gleichzeitig einen riesigen Niedriglohnsektor, in den vor allem Frauen und Migranten abgedrängt werden. Das eine ist fürs gute linke Gewissen und das andere ist die bittere Realität für Millionen Menschen, deren Lebensverhältnisse sich verschlechtern. Die rechten Parteien sind ein Ventil für die dadurch entstehende Wut. Heute wählen viele Geringverdiener gar nicht mehr oder eben rechts. Es sollte eigentlich jeden Linken umtreiben, dass die AfD eine Art neuer Arbeiterpartei ist. Keine Partei wird von so vielen Arbeitern gewählt wie die AfD, obwohl sie gar kein soziales Angebot für die Arbeiterschaft hat.“

In den ostdeutschen Ländern kommt das spezifische Problem mit der Medienöffentlichkeit hinzu, die maßgeblich aus einer westlichen Perspektive auf den Osten besteht. Reiner Haseloff hat das bei der Debatte um den Rundfunkbeitrag zuletzt zum Thema gemacht und musste sich da noch anhören, mit der AfD gemeinsame Sache zu machen. Heute ist er der Held, der Brandmauern nach rechts zu bauen im Stande ist und wird dafür von schrumpfenden linken Parteien bewundert. Haseloff selbst nimmt das Narrativ der gelungenen Abgrenzung zur AfD nur allzu gerne an, weil es bundespolitisch für die gesamte Union nützlich ist. Das könnte zu weiteren Konflikten führen, wenn in Vergessenheit gerät, was Haseloff richtigerweise über die Struktur der Medienwelt und die Themen der Ostdeutschen sagt.

Die Union wird die immer größer werdende Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen nicht beseitigen und den Parteien, die das laut ihres Selbstverständnisses tun wollen, traut man es nicht mehr zu, weil sie außer ihrer Moral und die Bewunderung für Brandmauern gegen Rechts nichts mehr anzubieten haben. So wird die gesellschaftliche Spaltung weiter zunehmen und mit ihr die im Westen verbreitete Fehlinterpretation, dass die ostdeutsche Wählerschaft potenziell demokratieuntauglich sei oder wie der Ostbeauftragte der Bundesregierung Wanderwitz sagt – ironischerweise selbst Ostdeutscher -, in gewisser Weise „diktatursozialisiert“.


Bildnachweis: Tagesschau

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Dieter  Juni 7, 2021

    Die Linken sind vor allem eine Partei der Schlafwandler !

    z.B.
    “ Tatsächliche Arbeitslosigkeit
    Nach wie vor über drei Millionen Erwerbslose: Zeit zu handeln statt zu tricksen “
    https://www.die-linke.de/themen/arbeit-alt/tatsaechliche-arbeitslosigkeit/2020/

    Wir haben die offizielle Arbeitslosenzahl von
    2,9 Millionen
    hinzu kommen
    1 Million Wegdefinierter
    1 Million Scheinselbstständige
    15 Millionen Teilbeschäftigte von den über 6 Millionen Vollzeit arbeiten wollen, aber so eine Stelle nicht bekommen

    mehr
    „Prof. Dr. Heinz Josef Bontrup über Volksverdummung“
    https://www.youtube.com/watch?v=nEG0ocguaVk

    Von einer linken Partei erwarte ich, das Betroffenheit vernünftig abgebildet wird.
    Die Linke machte diese Volksverdummung aber mit !

    oder

    „Rentenpolitik
    .
    .
    Deshalb will DIE LINKE eine steuerfinanzierte, einkommens- und vermögensgeprüfte Solidarische Mindestrente von 1.050 Euro netto einführen.
    .
    .
    https://www.linksfraktion.de/themen/a-z/detailansicht/rentenpolitik/

    Wer soll bitte in den Ballungsräumen wie Stuttgart, Hamburg, München usw. von 1.050 Euro leben ?
    700 – 800 Euro sind für die kleinste Wohnung fällig !
    Mit der von den Linken geforderten Rente, haben viele weniger als Hartz 4 !

    Zur Erinnerung, in Österreich ist die Medianrente 1.600 Euro Netto pro Monat.
    Das ganz durch ein Umlageprinzip.