Wie immer nach Feiertagen grüßt auch dieses Mal das Murmeltier. Die Inzidenzwerte und alle weiteren für die Pandemie so wichtigen Kennzahlen purzeln, aber das hat keine Aussagekraft, da der Meldeverzug über das lange Wochenende noch nicht abgeschätzt werden kann. Deutschland bekommt sein Datenchoas weiterhin nicht auf die Reihe, dafür fabuliert der Bundesgesundheitsminister in einer großen Sonntagszeitung, hier klappt die Übermittlung wie ein Uhrwerk, über neue Zielmarken für den Sommer. Das wird nun auch den eigenen Leuten zu bunt.
Parallel dazu arbeiten die Länder ihre Impffahrpläne für Schüler aus. Auch dies wollte der Bundesgesundheitsminister so. Erst eine Strategie, dann der Impfstoff. Nun haben einige Länder diese Hausaufgabe bereits erledigt und die Schulen planen schon gemeinschaftliche Impfaktionen. Fehlt nur noch der Impfstoff, den der Minister für den Fall zusagte, dass die Länder solche Fahrpläne für Kinder und Jugendliche vorlegen können.
Der Impfstoff ist aber immer noch Mangelware. Zuletzt mussten sogar die Erstimpfungen deutlich zurückgefahren werden, weil die knappen Dosen für die anstehenden Zweitimpfungen gebraucht werden. Mit der Aufhebung der Impfpriosierung am 7. Juni befürchten Hausärzte zudem einen massiven Ansturm auf die Praxen. Chronisch Kranke und Ältere, die noch immer nicht geimpft sind, könnten dann das Nachsehen haben. Vor diesem Hintergrund stellt sich bei einer weiteren Ausweitung der Kampagne die Frage, wie das gehen soll.
Am Donnerstag tagt die nächste MPK zum Thema Impfen. Gut möglich, dass eine weitere Ankündigung des Pannen-Ministers wieder einkassiert werden muss. Vielleicht scheitert es aber auch gar nicht an der Menge des Impfstoffes, es soll ja beständig mehr davon geben, sondern an der Einschätzung der STIKO. Deren Chef Thomas Mertens äußerte heute Zweifel an der medizinischen Begründung. Müssen Kinder und Jugendliche überhaupt geimpft werden, wenn sie gar kein besonderes Erkrankungsrisiko tragen? Schulöffnungen könne man jedenfalls nicht von den Impfungen abhängig machen.
Mit anderen Worten, der Druck, der plötzlich aufgebaut wird, ist unangebracht und gefährdet eine sorgfältige Prüfung und Abwägung. Mertens, der bei der Entscheidung über den Impfstoff von AstraZeneca eine unglückliche Figur abgab, will nicht noch einmal dafür verantwortlich sein, wenn etwas schiefgeht. So weist auch er vorsorglich darauf hin, dass im Rahmen der Zulassungsstudie nur rund 1100 Kinder geimpft worden sind. Zum Vergleich, bei den Erwachsenen waren es über 20.000 Probanden.
Aber mit einer Zulassungsstudie von 1100 Kindern sind die Aussagen bezüglich der Sicherheit des Impfstoffes in dieser Altersgruppe natürlich limitiert. Das wissen ja im Grunde alle Menschen mittlerweile aus der Zulassungsstudie für Erwachsene, wo ja mehr als 20.000 Erwachsene geimpft worden sind. Ich will damit sagen, es ist nicht alles so einfach, wie es manchmal auch in den Medien und in der Presse dargestellt wird.
Die Zulassung des Biontech Impfstoffs für Jüngere wird durch die EMA derzeit geprüft. Aber auch dort steht man unter Druck. Etwas anderes als eine Freigabe kommt angesichts des medialen Dauerfeuers schon gar nicht mehr Frage. Also geht es am Ende wieder nur darum, wer sich profilieren kann und wer den Schwarzen Peter bekommt. Ganz sicher geht es aber nicht um die Gesundheit, denn wäre die ein Maßstab, würde man angesichts der vorliegenden Daten eine Impfung von Kindern und Jugendlichen sicherlich nicht empfehlen. (Dazu auch: Zaungespräch: Corona-Impfungen von Kindern)
Bildnachweis: Pressekonferenz mit Jens Spahn zu aktueller Corona-Lage und Corona-Impfstoff | WDR aktuell, 30.12.2020
MAI
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.