Wer keinen Plan hat und stattdessen in der Sackgasse weiter auf Sicht fährt, erfindet in der Not einfach irgendetwas. So war es wohl vergangene Nacht im Kanzleramt. Nach stundenlanger Verhandlungspause kam man auf die Idee, so eine Unterbrechung zum Beschluss zu erheben und das ganze dann „erweiterte Ruhezeit zu Ostern“ zu nennen. Dabei wurde Vieles wieder einmal nicht bedacht, obwohl es schon vor dem eigentlichen MPK-Treffen einige Runden zur Vorbereitung gegeben hatte. Was machen eigentlich die Grundsicherungsempfänger, die erst am 31. März Leistungen überwiesen bekommen, damit diese am 1. April für den gesamten Monat im Voraus zur Verfügung stehen? Sie dürften kaum über Rücklagen verfügen, um rechtzeitig vor dem neuen Aprilscherz-Feiertag alle Osterkäufe zu tätigen.
Es ist ja schon viel über den MPK-Beschluss geschrieben und gesendet worden. Dabei dürfte die gutbürgerliche Empörung rasch verfliegen. Denn eine Ruhezeit vom 1. bis 5. April mit einer Einkaufunterbrechung am Samstag ist nun alles andere als die Superlative zum Lockdown, die da schon wieder bemüht werden. Sollte das Wetter mitspielen, steht dem ein oder anderen kontaktreduzierten Grillabend im eigenen Garten eigentlich nichts im Weg. Anders sieht es bei den Menschen aus, die sich am Monatsende weder die Extra-Bratwurst, noch große Notvorräte leisten können. Sie verfügen in der Regel auch nicht über eigene Gärten oder planen Urlaube an der Ostsee oder auf Mallorca. Sie spielen einfach keine Rolle bei den stundenlangen Beratungen der Regierungschefs, tragen aber eine Hauptlast dieser absurden Beschlüsse.
Immerhin: Kevin Kühnert will sich darum kümmern. Ein bisschen Zeit für den Osterhasen der SPD ist ja noch.
Mal sehen, ob das auch so eine schwere Geburt wird, wie vor kurzem bei den FFP2-Masken, für die es, was viele Regierungsmitglieder offenbar überraschte, im Regelsatz ja gar keinen Posten gibt. Erst nach viel Druck von außen sind die Masken dann doch kostenlos an Bedürftige verteilt worden. Eine strenge Eindämmung des Infektionsgeschehens sei aus gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Gründen geboten. Das ist übrigens das einzige Mal, dass in dem Beschluss das Wort sozial vorkommt. Davor steht noch der ulkige Satz.
Eine strenge Eindämmung des Infektionsgeschehens in den nächsten Wochen führt somit zu einer früheren Rückkehr zur Normalität und zu insgesamt kürzeren Beschränkungen.
Den Gag kann man nach fünf Monaten Lockdown schon einmal bringen. Nur lacht kaum noch jemand darüber.
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Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.