Die Europäische Arzneimittelagentur EMA hat am Montag gesagt, mit AstraZeneca ist alles in Ordnung. Das sagt die Behörde auch am Donnerstag. Am Montag entschied Gesundheitsminister Jens Spahn, die Impfungen mit dem schwedisch-britischen Vakzin zu stoppen. Vergebene Termine wurden abgesagt und das Vertrauen in das Pandemiemanagement ein weiteres Mal erschüttert. Nach nur drei Tagen ist der Einsatz von AstraZeneca wieder erlaubt. Das Paul-Ehrlich-Institut, das am Montag noch fachliche Bedenken am Impfstoff äußerte, hatte im Rekordtempo herausgefunden, dass es sich nur um sehr wenige Fälle handelt. Das war allerdings auch schon am Montag bekannt. Wegen der Thrombose-Nebenwirkungen gibt es aber künftig einen Warnhinweis. Den bräuchte es auch für diese Art der Politik.
Der Impfgipfel ist um ein paar Tage auf Freitag verschoben worden. Morgen muss aber immer noch geklärt werden, wie man das Impftempo erhöhen kann, und zwar auch mit einem Impfstoff, dessen Image noch einmal gelitten hat und dessen Verfügbarkeit immer noch rückläufig ist. So wird seltsamerweise nicht darüber gesprochen, dass AstraZeneca seine Lieferzusagen wiederholt nach unten korrigiert hat. So war zunächst von 90 Millionen Dosen im ersten Quartal die Rede, inzwischen sind es nur noch 30 Millionen bis Ende März, die sich alle EU-Staaten teilen müssen. Bis zur Jahresmitte sollen es von ursprünglich 300 Millionen (best efforts), dann 220 Millionen, nun nur noch 100 Millionen Dosen sein. Selbst wenn man, wie einige Länderchefs fordern, die Hausärzte mit ins Boot holte, was ausdrücklich zu begrüßen ist, und die Impfpriorisierung aufweichte, auch das ist gut, säße man doch recht bald wieder auf dem Trockenen.
Was war also der Grund für das deutsche Manöver, das den Partner Frankreich, aber auch die EMA kalt erwischte und verärgerte? Das schlechte Abschneiden der CDU bei den Landtagswahlen, die Maskenaffäre in derselben Parteienfamilie (huch schon wieder einer), die teure Villa des Gesundheitsministers, deren Kaufpreis seit heute auch genannt werden darf? Oder war es doch die Sorge um die allgemeine Gesundheit der Bevölkerung, die man bislang auch nicht schützte, weder mit weichen und harten Lockdowns, noch mit einem Plan für irgendwas. Eins ist sicher. Der Impfstoff ist politisch. Sogar geopolitisch. Statt Solidarität gibt es Rivalität. Die Kürzung seiner Liefermengen begründete AstraZeneca mit den Exportbeschränkungen anderer Länder. Die USA haben sich zum Beispiel abgeschottet und lassen keinen Impfstoff mehr heraus. Auf diese Weise hat Joe Biden, der Präsident, den alle lieben, 100 Millionen Impfungen in zwei Monaten geschafft. America first.
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Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.