Die „Bis zu…“ (Persönlich)keiten

Geschrieben von: am 10. März 2021 um 19:39

Bis zu 10 Millionen Impfungen pro Woche. Das hatte Vizekanzler Olaf Scholz in der Sendung „Berlin direkt“ am Sonntag erklärt. Er habe persönlich dafür gesorgt, dass das ab Ende März bereits möglich ist. Inzwischen hat der Bundesgesundheitsminister diese Ankündigung, diesmal im „Morgenmagazin“ des ZDF, wieder einkassiert. Man müsse halt aufpassen mit dem Erwartungsmanagement, so Spahn kurz vor dem sogenannten Corona-Kabinett am Mittwoch, zu dem übrigens auch Olaf Scholz gehört. Spahn stellte dann noch fest, dass er sich persönlich um die Lieferung von Schnelltests gekümmert habe. Er helfe gern bei der Bestellung. Die Kanzlerin stimmt derweil auf noch drei, vier schwere Monate ein. Dabei hatte sie Ende Oktober persönlich lediglich um eine nationale Kraftanstrengung für vier Wochen gebeten. Nun ist März und das ganze Schauspiel erinnert daher ein wenig an den früheren „Spaß mit der Telekom

Bis zu 10 Millionen Impfungen pro Woche, das klingt wie bis zu 100 MBit/s, also nach einer bestellten DSL-Geschwindigkeit, bei der am Ende deutlich weniger Bandbreite beim Kunden ankommt. Das Pandemiemanagement der Bundesregierung kommt diesem Bild ziemlich nahe. Woche für Woche werden beeindruckende Zahlen referiert. Man habe doch schon viel erreicht oder wie die Kanzlerin Anfang Februar in einem Fernsehinterview sagte: Im Großen und Ganzen sei nichts schief gelaufen. Heute wird sie so zitiert:

Wir versuchen jetzt, die Brücken zu bauen, aber wir wissen auch nicht, wohin wir die genau bauen. Also, das Ufer sehen wir ja auch nicht.

Sie wisse halt auch nicht, was das Virus noch so anstelle und ob es weitere Mutationen gebe. Dabei ist das schon lange klar und unstreitig. Diese Viren mutieren und zwar ständig. Wieso weiß die Physikerin das nicht, die sich so gern auf die Wissenschaft beruft? Vermutlich ist der Satz aber auch wieder aus dem Zusammenhang gerissen und sie meinte bloß, dass man nicht wissen könne, ob es noch eine gefährlichere Version des Erregers geben wird.

Mit dem Virus kann man halt nicht persönlich sprechen oder verhandeln. Daher bleibt nur die Vermutung, dass es bis zu soundsoviele Mutanten und Übergriffe, also Infektionen, auf Grundlage von Modellannahmen über 3. Wellen noch geben könnte. Wichtig sei daher, entsprechende Vorsorge zu betreiben und vorsichtig zu bleiben. Letzteres wird dabei besonders betont und auch weiterhin mit der Einschränkung des öffentlichen Lebens übersetzt.

Die Regierung liefert dagegen weitere „bis zu…“ Meldungen. So war bis zum heutigen Tage angedacht, die Einbindung der Arztpraxen bei der Impfkampagne zu regeln. Dazu sollten die Gesundheitsminister einen Beschluss zum konkreten Termin fassen. Doch daraus wird nichts. Das Thema ist nun Chefsache. Kanzlerin und Länderchefs wollen „zeitnah“ über eine Empfehlung der Fachminister entscheiden. Also die Persönlichkeiten, die zwar Brücken bauen, aber nicht wissen, wohin.

So bleiben die Ziele im Grunde unerreichbar, was wiederum zu dem absurden Umstand eines Impfstoffüberhangs führt, der sich trotz des weiterhin bestehenden Lieferengpasses der Hersteller gebildet hat. Bald könne der Punkt erreicht sein, an dem Deutschland halb so viele Impfdosen hortet wie bislang überhaupt verimpft wurden, schreibt die Welt. Da hat man ja den Eindruck, dass der Provider das Tempo absichtlich drosselt. Immerhin hat der Wirtschaftsminister angekündigt, allerdings nicht persönlich, die vorläufig ausgesetzten Corona-Hilfen in den nächsten Tagen wieder aufzunehmen. Dabei geht es auch um Zusagen aus dem November, die bis zum heutigen Tage noch immer nicht eingelöst worden sind.


Bildnachweis: Screenshot, ZDF Morgenmagazin vom 10.03.21

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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