Mit Inkrafttreten der neuen Corona-Verordnung des Landes Niedersachsen, gibt es schon die erste Änderung. Auf heftigen Druck der Öffentlichkeit werden die Kontaktbeschränkungen für Kinder dann doch nicht so streng gehandhabt. Man dulde daher Verstöße gegen die Verordnung, eine Änderung der Vorschriften ist aber erst mit einer neuen Version Ende Januar vorgesehen, was auch heißt, dass das Regieren auf Verordnungsbasis munter weitergeht. Möglicherweise hätte ein Parlament rechtzeitig erkannt, dass für Kinder eine „Notwendigkeit zur ununterbrochenen Betreuung“ besteht. Die Landesregierung hat nun entschieden, dass die Ausnahme für Kinder unter 3 Jahren gilt. Ältere Kinder sind offenbar schon selbstständig genug. Vielleicht sollte man wirklich einmal das Parlament befragen, bevor es wieder eine Rüge aus Lüneburg gibt.
Die Politik hat sich außerdem dafür entschieden, die Schulen weitgehend geschlossen zu halten und auf das Distanzlernen oder den Wechselunterricht umzustellen. Der Staatsminister im Kanzleramt und Vorsitzende der Regions-CDU, Hendrik Hoppenstedt, sieht dennoch einen Verstoß gegen den Geist der Bund-Länder-Beschlüsse vom 5. Januar. „Die Schule ist ein normaler Infektionsort. Es gibt keine Erkenntnisse, dass es in den Schulen besser ist als im Rest der Gesellschaft“, sagte er der HAZ. Nur gibt es aber umgekehrt auch keine Erkenntnisse, dass es in den Schulen schlechter ist als im Rest der Gesellschaft. Dafür hat man an diesem Montag einmal mehr sehr gute Erkenntnisse darüber geliefert bekommen, dass Niedersachsen auf den digitalen Unterricht nur unzureichend vorbereitet ist. So brach die Onlineplattform IServ, die viele Schulen nutzen, am Morgen erst einmal zusammen. Was sich die Bundeskanzlerin also so wünscht, ist in der Praxis selten umsetzbar. Peinlich ist, dass nicht einmal der E-Mail-Verkehr richtig funktionierte.
Dafür läuft der Kontakt zwischen Bundesregierung und Medien weiterhin wie geschmiert. Dabei fehlt es immer noch an gut überlegten Strategien und einer notwendigen Abwägung der Folgen. Stattdessen werden einfach Entscheidungen getroffen, die wiederum denen, die es betrifft, kaum Zeit für entsprechende Vorbereitungen lassen. „Wie man angesichts täglich neuer Todeshöchstzahlen zu Öffnungsdebatten kommen kann, erschließt sich mir nicht“, beschwert sich Hoppenstedt. Doch während er anklagend auf die Landesregierung zeigt, weisen die anderen Finger seiner Hand auf ihn selbst und seine Chefin zurück. Die Bundesregierung weiß immer noch nicht, wo überhaupt Risikokontakte stattfinden, erklärt daher alle für relevant, was aber für einzelne Bereiche der Wirtschaft wiederum nur eingeschränkt gilt. Sie lässt ältere Menschen weitgehend ungeschützt und am Ende zum Teil allein und würdelos sterben. Sie blamiert sich bei der Beschaffung von Impfstoffen und bekommt es auch nicht auf die Reihe, FFP2-Masken an die Bevölkerung zu verteilen.
„Niedersachsen hätte bei seiner Ausgangslage und weiter konsequenten Kontaktbeschränkungen die Chance, in drei Wochen bei einer Inzidenz unter 50 zu sein“, lauterbacht der Staatsminister und demonstriert damit die grassierende Lernresistenz innerhalb der Bundesregierung, die ja die Entscheidungen im Oktober und November selbst mitgetragen hat und auch keine anderen Vorschläge außer vielleicht noch etwas mehr Holzhammer zu bieten hatte. Eine Inzidenz von unter 50 ist im Winter nicht erreichbar, keiner hat das geschafft, und gelänge es doch, wäre sie schon nach wenigen Tagen wieder Geschichte, wie gerade die Länder zeigen, die harte Lockowns hatten und von der Bundesregierung als beispielhaft präsentiert wurden. Ambitionierte Ziele sind ja gut, aber realistisch müssen sie am Ende auch sein. Es reicht nicht, wenn ein Staatsminister auf irgendwelche Werte pocht, die sich aber nur auf Modelle voll spekulativer Annahmen stützen. Gerade er muss endlich mal solide Daten zum Infektionsgeschehen liefern, bevor er den Ländern irgendwelche Ratschläge erteilt.
Bildnachweis: Titelseite HAZ, Ausgabe vom 11.01.2021
JAN
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.