Dass die Parlamente seit Monaten nicht mehr mitgestalten dürfen, zeigt sich einmal mehr an dem, was die Ministerpräsidenten der Länder und die Bundeskanzlerin heute wieder zu Papier gebracht haben. Neue Ideen, Ansätze oder Input sucht man vergebens, obwohl sie längst existieren, aber eher nicht zur Kenntnis genommen werden, weil man eben immer nur denselben Beratern vertraut. Die Datenlage ist aber weiterhin miserabel, die Maßnahmen daher immer noch viel zu pauschal und ziellos. An den Erfolg der eigenen Strategie glauben die Regierungschefs deshalb selber nicht. Über diese Ideenlosigkeit kann man nur noch entsetzt den Kopf schütteln und die dabei durcheinander gewirbelten Gedanken vielleicht so zusammenfassen.
Erst wusste man nicht, wo die Infektionen in 75 Prozent der Fälle stattfinden. Das war Ende Oktober. Dann brachte der Wellenbrecher im November leider keine neuen Erkenntnisse, dafür erklärte die Kanzlerin im Bundestag, nun war schon Dezember, was es mit der Schwerkraft und den Naturgesetzen auf sich hat. Da konnte allerdings noch niemand ahnen, welche merkwürdigen Verwerfungen sich bei der Organisation von Impfstoffen zwischen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, der EU-Kommission unter dem Vorsitz einer Weltmeisterin beim Beschaffen von externen Beratungsdienstleistungen und dem gelernten Bankkaufmann mit Hang zu lukrativen Immobiliengeschäften im Bundesgesundheitsministerium ergeben würden.
Jetzt ist wiederum unbekannt, welchen Einfluss die Feiertage auf das Pandemiegeschehen hatten. Man ist sich aber sicher, dass die Dunkelziffer sehr hoch sein muss und der Löwenanteil der Kontakte immer noch im privaten Bereich stattfindet, weshalb nur hier weitere Treffen und die Bewegungsfreiheit umgehend eingeschränkt werden müssen, auch für Kinder, denn die sind jetzt, bis auf ein paar Sätze des Bedauerns, eben total egal. Ob das Virus auch in den Betrieben und Büros zirkuliert, ist leider nicht bekannt, weshalb die Arbeitgeber erneut nur höflich gebeten werden, großzügige Home-Office-Möglichkeiten für ihre Beschäftigten zu ermöglichen.
An mehr Erkenntnissen zum Infektionsgeschehen in den Betrieben ist die Regierung offenbar nicht interessiert, weil es ja da auch noch die Rodler in den Schneegebieten gibt. Teile und herrsche, auch das ist keine wirklich neue Idee. An kreativen Einfällen, wie beispielsweise einer Genehmigungspflicht für Präsenzarbeit mangelt es ganz eklatant. Die Regierenden warten lieber auf das Murmeltier RKI und hoffen darauf, dass die schläfrige Behörde mit Faxanschluss gegen Ende der nächsten Woche ihren Zahlensalat im Dashboard so sortiert hat, dass die Beschlüsse von heute nachträglich bestätigt werden können. Doch am kollektiven Blindflug ändert auch das leider nichts.
Übrigens bei der neuen Virus-Mutante nimmt die Bundesregierung scharf an, dass sie gefährlich werden könnte, weiß es aber ebenfalls nicht genau, weil da das Murmeltier noch prüfen muss. Man könnte allerdings mehr wissen, wenn man denn das Erbgut von Proben so analysierte, wie das die Briten standardmäßig in ihren Laboren tun. In Deutschland muss der Drosten noch persönlich ran, wie zuletzt, als Passagiere eines Fluges von London nach Hannover im Terminal 24 Stunden lang festgehalten wurden, bis das Ergebnis der angeordneten Rachenabstriche schließlich vorlag. Das soll sich nun ändern. Oder wie es im Beschluss heißt:
Das Bundesministerium der Gesundheit wird auf Basis des 3. Bevölkerungsschutzgesetzes zur verstärkten Sequenzierung eine Verordnung erlassen.
Wow. Der Geist von Helmut Schmidt kann die Nato-Hubschrauber also wieder abbestellen. Die verantwortliche Kanzlerin tut in Bundestagsreden so, als orientiere sie sich streng an der Wissenschaft und das Plenum wie auch die Öffentlichkeit applaudieren gedankenlos. Doch sie weiß im Prinzip überhaupt nichts, tappt seit 10 Monaten im Dunkeln und präsentiert eine Copy-Paste-Vorlage mit den immer gleichen erfolglosen Maßnahmen nach der anderen. Der Bundestag sollte ihr daher endlich das Misstrauen aussprechen und noch vor der Bundestagswahl einen neuen Regierungschef wählen.
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JAN
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.