Anhaltendes Regierungsversagen darf jetzt kein Grund mehr für eine Verlängerung des Lockdowns sein. Der Impfstoff steht zwar zur Verfügung. Doch die Beschaffung und die Verteilung ist ein Desaster. Dafür tragen nicht die Menschen die Verantwortung, die unter anderem mit Ausflügen in Schneegebiete dem verordneten spätmerkelschen Biedermeier trotzen, sondern der Bundesgesundheitsminister, der sich mit Brüssel und einer europäischen Strategie herauszureden versucht. Nur Ursula von der Leyen ist nicht Kommissionspräsidentin, weil Sie Dinge so gut beschaffen kann.
Die mangelnde Qualität des politischen Personals zeigt sich in dieser Krise mehr als deutlich. Es sind vor allem Blender am Werk. Das betrifft die Bundeskanzlerin ebenso, wie die deutsche Gorch Fock in Brüssel und die Ministerpräsidenten der Länder, die sich schon wieder im sinnlosen Aktionismus überbieten. Während überall die eilig bereitgestellten Impfzentren wegen Lieferverzögerungen nun weiterhin leer bleiben, jedes Bundesland aber die Fototermine zum Start der Impfkampagne bereits absolviert hat, lenken Politiker in Interviews der großen Sonntagszeitungen mit Debatten über die Länge der Lockownverlängerung erneut von ihrem katastrophalen Versagen ab.
Immer mehr zeigt sich, dass nur noch das der Grund für die Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens ist. Das Gesundheitssystem ist nicht überlastet, sondern leidet unter einem Mangel an Personal. Das ist jahrelanges Versagen! Tote sind aufgrund der konkreten Weigerung im Sommer und Herbst, Schutz zu leisten, etwa mit Masken, Tests und Co, vor allem in den Pflegeheimen zu beklagen. Auch das ist akutes Versagen! Nun ist der Impfstoff endlich da, steht aber wegen Inkompetenz bei der Beschaffung vorerst nicht zur Verfügung oder verdirbt im Winter wegen einer instabilen Kühlkette. Das ist Totalversagen!
Und wem gibt man die Schuld? Rodelnden Familien im Harz und in anderen Mittelgebirgen, weil die gerade als wöchentliche Sau zum Treiben von Kameras eingefangen werden können. Die sind für das Krisenmanagement der Politik aber auch nicht verantwortlich und müssen ebenso nicht in ihrer Freizeit ständig zu Hause hocken, während sie auf der Arbeit ganz selbstverständlich zu erscheinen und zu funktionieren haben. Das mildere Mittel zum Lockdown wäre, wenn die Regierung endlich ihren Job täte und für mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen in den Einrichtungen Sorge trüge, die Altenheime stärker schützen würde und das Impfstoffdesaster in den Griff bekäme.
Warum sollte die Bevölkerung auch noch folgsam sein, wenn derart schlampig Politik betrieben wird? Was die Regierung stattdessen zuverlässig liefert, ist blamables Marketing in eigener Sache. Die kritisierte Videokampagne „Besondere Helden“, die junge Leute zum kollektiven Faulsein aufrief, kostete den Steuerzahler rund zwei Millionen Euro, wie die Welt am Sonntag auf Nachfrage erfuhr. Es gibt weitere Eigen-PR, vor allem auf Plakaten, in sozialen Netzwerken und im Radio. Gelder stehen dafür, wie auch für externe Beratungsleistung, dem Anschein nach, unbegrenzt zur Verfügung. Das kann aber nicht das anhaltende Regierungsversagen kaschieren, das allein schon oder immer noch am Einsatz von Faxgeräten in den mittlerweile von Soldaten der Bundeswehr besetzten Gesundheitsämtern sichtbar wird.
Bildnachweis: Pressekonferenz mit Jens Spahn zu aktueller Corona-Lage und Corona-Impfstoff | WDR aktuell, 30.12.2020
JAN
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.