Flasssbeck findet klare Worte

Geschrieben von:

Heiner Flassbeck hat sich mit einem bemerkenswert deutlichen Interview aus der Sommerpause zurückgemeldet. Es ist nicht Frankreichs Schuld, dass Deutschland Lohndumping betreibt, sagt er. Allerdings hätte Hollande ein Bündnis mit der Vernunft statt mit Merkel eingehen sollen.

Heiner Flassbeck rechnet mit einer weiteren Rezession in Europa, weil in den entscheidenden Positionen nicht begriffen wird, dass es kein Sparen ohne Schulden gibt. Frankreichs Präsident habe versagt. Statt eine Phalanx der Südländer und damit Vernunft gegen die deutsche Überheblich- und Engstirnigkeit zu bilden, zieht es Hollande lieber vor, sich bei Merkel anzubiedern.

Dieser Plan muss scheitern, weil die Politik Merkels bereits gescheitert ist. Die vergiftete Medizin, die vor allem Deutschland seinem Nachbarn empfiehlt, wird die Krise weiter verschärfen. Die Realität zeigt es eindrucksvoll. Hier gehen dennoch viele davon aus, dass die Dosis nur nicht hoch genug war, um segensreich wirken zu können.

Sollte Hollande und das französische Volk die Einnahme aber verweigern, so droht man hierzulande, wäre eine Katastrophe die unvermeidbare Folge. Marine Le Pen reibe sich schon die Hände. Dieses Szenario ist tatsächlich real, stellt auch Flassbeck fest. Aber nur dann, wenn Frankreich die bittere Pille auch schluckt und am Ende merkt, dass sie nicht wirkt.

Flassbeck:

Wir brauchen Nachfragepolitik, eine Anregung durch höhere Schulden der Staaten. Ich sage das so provokativ, weil wir endlich begreifen müssen, dass es kein Sparen ohne Schulden gibt und dass Länder wie Deutschland und die Schweiz nicht auf alle Ewigkeit darauf vertrauen können, Schuldner im Ausland zu finden. 

Mit der Bedingung, nur solche Minister einstellen zu wollen, die den deutschen Kurs künftig uneingeschränkt mittragen, hat Hollande auch die französische Demokratie zur reinen Demokratur oder Dekokratie verwandelt. Widerspruch wird nicht mehr geduldet. Wozu dann noch Minister? Die Abstimmungen in der Nationalversammlung dürften interessant werden.

Übrigens habe ich schon nach der Wahl von Hollande darauf hingewiesen, dass er die in ihn gesetzten Hoffnungen enttäuschen und nur ein Übergangspräsident auf dem Weg zu Marine Le Pen sein würde. Die hatte damals zur Stichwahl taktisch geschickt auf eine Wahlempfehlung zugunsten Sarkozys verzichtet.

Sie rechnete erstens mit dem Zerfall der bürgerlichen Rechten wie auch mit dem Versagen der Linken. Man möchte schreiben, die Wahlen 2017 sind schon entschieden. Heiner Flassbeck sagt: „Schon heute ist klar, dass die Nationalisten in den kommenden Jahren einen Höhenflug erleben werden und womöglich Europa den Todesstoß geben. Und wir werden das offenbar erst merken, wenn der Schaden angerichtet und es zu spät ist.“


Den Beitrag bequem ausdrucken unter:

https://storify.com/adtstar/dekokratur.html

0

Neubildung bleibt aus

Geschrieben von:

In Frankreich wird die Regierung neu gebildet, in Deutschland bleibt alles beim alten: Keine Bildung.

Auch heute sprudeln dogmatische Glaubenssätze aus den Kommentarspalten deutscher Zeitungen. In jedem Fall sei es richtig, dass sich Hollande, der nach übereinstimmender Meinung ein gescheiterter Präsident sei, richtig entschieden und sich des aufmüpfigen linken Wirtschaftsministers Montebourg entledigt habe. Wirtschaftspolitischen Sachverstand sucht man in den meisten Texten allerdings vergebens.

Frankreich stecke in einer tiefen Wirtschaftskrise, aus der es sich nur mit einer entschieden umgesetzten Reform-Agenda nach deutschem Vorbild befreien könne. Deutsche Kommentatoren erteilen da gerne Ratschläge und wissen wenig. So ist niemandem aufgefallen, dass die französische Nationalversammlung bereits im April diesen Jahres ein Stabilitätsprogramm verabschiedete, das weit über den Inhalt der deutschen Agenda 2010 hinausgeht.

Ein Sparplan, der 50 Milliarden Euro bringen soll. Er sieht vor, Beamtengehälter und zahlreiche Sozialleistungen bis 2017 einzufrieren. Hollande kopiert längst die dogmatische Politik Deutschlands und sucht sich jetzt nur noch das passende Personal dafür. Die Abgeordneten versagen ihm immer häufiger die Gefolgschaft. Sie sagen zurecht, dass sie für diesen politischen Kurs nicht gewählt worden sind.

Deutsche Medien interessieren die politischen Verhältnisse aber nicht. Sie faseln von Versprechungen im Wahlkampf, die unter den Bedingungen des Sachzwanges nicht mehr eingelöst werden können. Richtig sei, was aus ihrer Sicht notwendig um nicht zu sagen alternativlos ist und nicht, was die Mehrheit sich wünscht. Wo kämen wir auch hin, wenn der Souverän per Wahl die politische Richtung mitbestimmen könne.

Dass es auch vernünftige Stimmen im rauschenden Blätterwald gibt, beweist einmal mehr Ulrike Herrmann von der taz. Sie sagt klar: „Frankreich braucht keine Agenda 2010“. Die Autorin erklärt auch warum. Damit hat sie schon mehr geleistet als jene Kommentatoren, die umgekehrt stumpfsinnige Reformen fordern, auf eine nachvollziehbare Begründung aber verzichten.


Den Beitrag bequem ausdrucken unter:

https://storify.com/adtstar/keine-neubildung.html

0

Die große Enttäuschung

Geschrieben von:

Europa taumelt ökonomisch nicht am, sondern im Abgrund vor sich hin. Stimmen der Vernunft werden vom lauten Chor fanatischer Dogmatiker weiterhin nieder gebrüllt.

In der vergangenen Woche ist etwas bemerkenswertes passiert. Zahlreiche Ökonomen verschiedener Schulen, darunter viele Nobelpreisträger, kritisierten auf einer Tagung in Lindau die Austeritätspolitik von Kanzlerin Merkel. Die verteidigte sich mit der üblichen wie falschen Behauptung, Deutschland habe bewiesen, durch Konsolidierung seiner Haushalte Wachstum zu erzielen. Das könnten andere auch, wenn sie nur die gleichen Reformen umsetzten, wie einst Deutschland mit der Agenda 2010.

Hinzu kam der Vorstoß des inzwischen geschassten französischen Wirtschaftsministers Arnaud Montebourg, der im Interview mit Le monde vor einer dauerhaften Rezession warnte und deshalb einen Politikwechsel forderte. Paris müsse sich vom dogmatischen Berlin lösen und eine wirtschaftspolitische Alternative anbieten. Das ging den geschröderten Sozialisten zu weit und die Regierung trat zurück.

Das Ergebnis: Die deutschen Medien spotten über den vermeintlich kranken Mann Europas. Hollande habe nun gar keine Wahl mehr. Er müsse den Rezepten folgen, die in Deutschland angeblich schon einmal erfolgreich waren. Damit könne er sich wenigstens noch Respekt verdienen, denn zur Wiederwahl wird es nicht mehr reichen, urteilt Michael Strempel in den Tagesthemen.

Er macht sich für uns alle sorgen um Frankreich, das nicht nur Hollande, sondern auch Deutschland als Partner zu entgleiten drohe. Überall Hiobsbotschaften, stellt Strempel fest. „Arbeitslosigkeit stabil zweistellig, Unternehmen verlassen das Land und die Staatsausgaben laufen aus dem Ruder“, kurzum: Die Wirtschaft geht den Bach runter.

Und dann noch orthodoxe Linke wie dieser Montebourg, die immer nach der gleichen Therapie rufen würden, also den Geldhahn aufdrehen und bloß keine Zumutungen für die Bürger. Genau so sei Frankreich dahin gekommen, wo es heute stehe, analysiert Strempel völlig ahnungslos.

Die Wahrheit sieht freilich anders aus und ist von jenen Ökonomen beschrieben worden, denen Merkel vergangene Woche in Lindau begegnete. Sie halten das deutsche Gefasel über Reformen für blanken Unsinn. Jeder kann übrigens sehen, dass der Austeritätskurs in Europa gescheitert ist. Trotzdem wird so getan, als sei der nicht die Ursache für die Misere, sondern die Lösung.

So eine Nulpe wie Strempel meint daher auch, dass echte Wirtschaftsreformen sowie eine Schlankheitskur für den krakenhaften Staatsapparat und ein Arbeitsmarkt, der nicht einbetoniert ist in Besitzstandswahrung, Frankreich aus der Depression hinaus führen könne. Wer fordert denn hier eigentlich die immer gleiche Therapie?

Ist es nicht so, dass genau diese vermeintlichen Reformen eine Abwärtsspirale in Gang setzten, die das Wachstum in Europa einschließlich das Deutschlands nunmehr zum erliegen gebracht hat? Steigt Frankreich in den Wettlauf sinkender Lohnstückkosten ein, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, was macht dann Deutschland, dass seine Wettbewerbsanteile und seine Exportüberschüsse mit aller Macht verteidigen will?

Wie kam Deutschland eigentlich zu seiner relativen Wettbewerbsfähigkeit? Lag es an den Reformen? Oder wohl eher daran, dass den Überschüssen entsprechende Defizite gegenüberstanden. Falls Marine Le Pen die nächste Präsidentin Frankreichs werden sollte, hat nicht Hollande allein diese Katastrophe zu verantworten, sondern vielmehr der Glaube an eine falsche Wirtschaftspolitik.

Beim Treffen in Lindau sagte Merkel einen verräterischen Satz. Sie beschwerte sich über falsche Prognosen der Ökonomen und forderte von ihnen mehr Ehrlichkeit ein. Doch was zwingt die Kanzlerin eigentlich dazu, die falschen Prognosen weiterhin als Wahrheit zu verkaufen? Hat sie etwa selbst ein Problem damit, Fehler einzugestehen?


Diesen Beitrag bequem ausdrucken unter:

https://storify.com/adtstar/die-gro-e-enttauschung.html

0

Die SZ mal wieder

Geschrieben von:

Die Staatsanwaltschaft findet keine Beweise für einen Verrat von Dienstgeheimnissen im Fall Uli Hoeneß und legt ihn zu den Akten. Die Süddeutsche erkennt hingegen eine spektakuläre Nachricht, weil so viele Beamte, im folgenden „Hinz und Kunz“ genannt, offenbar Kenntnis hatten.

Bei der Süddeutschen Zeitung Online Ausgabe hat sich heute alles um den Fall Uli Hoeneß und den Bruch des Steuergeheimnisses gedreht. Die Redaktion konnte es kaum fassen, dass über 1000 Beamte Zugriff (zeitweilig noch mehr, was inzwischen zurückgewiesen wurde) auf die Steuerakte des ehemaligen Bayern-Bosses hatten. Missstände beim bayerischen Fiskus, lautete eine Bewertung, die sich aus dem Untersuchungsergebnis der ermittelnden Staatsanwaltschaft speist. Das Verfahren hatte Hoeneß selbst angestrengt, um den gemeinen Whistleblower aus der Steuerbehörde einer gerechten Strafe zuzuführen. Doch das Ergebnis lautet: Einstellung des Verfahrens. Und das ist auch gut so.

Die Süddeutsche sieht das mal wieder anders. Sie ignoriert die eigentliche Nachricht und bläst den massenhaften Zugriff auf sensible Daten zu einem Skandal auf. „Hinz und Kunz lesen Akten von Müller und Hoeneß“, heißt es in einem Kommentar von Ulrich Schäfer. Der Staat dürfe ihnen (also Hinz und Kunz Beamter) den Zugriff nicht erlauben, fordert er, da sonst das Vertrauen schwinde und der Wille zur Ehrlichkeit weiter abnehme. Die Ermittlungsbehörden haben damit aber kein Problem, weshalb sie den Fall auch zu den Akten legten. Offenbar hat mindestens ein Beamter oder eine Beamtin, aber mit Sicherheit nicht alle Zugriffsberechtigten dem Stern brisante Informationen zugespielt. Warum das Steuergeheimnis dann kein Geheimnis mehr sein soll, weiß offenbar nur die SZ.

Das Recht auf ein Steuergeheimnis hat nur dann einen Sinn, wenn die Amtsverschwiegenheit ein Vertrauen schafft, das die Bereitschaft zur Offenlegung steuerlicher Sachverhalte erhöht. So steht es bei Wikipedia, das aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zitiert. „Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist der Zweck des Steuergeheimnisses, durch besonderen Schutz des Vertrauens in die Amtsverschwiegenheit die Bereitschaft zur Offenlegung steuerlicher Sachverhalte zu fördern, um so das Steuerverfahren zu erleichtern, die Steuerquelle vollständig zu erfassen und eine gesetzmäßige, d.h. insbesondere auch gleichmäßige Besteuerung sicherzustellen.“

Im Fall Hoeneß gab es dieses Vertrauen aber nicht, als er seine Einkünfte bewusst vor dem Finanzamt verschleierte. Statt auf Transparenz vor den zur Verschwiegenheit verpflichteten Beamten zu setzen, hoffte Hoeneß lieber auf eine Gesetzesänderung, die ihm als Betrüger Amnestie in Aussicht stellte, aber letztlich nicht zustande kam. Warum diskutiert also die SZ dann nicht die Frage, ob es überhaupt statthaft ist, dass sich ein Steuerbetrüger, der sich nicht nur finanziell, sondern auch politisch verzockte, nun im Nachhinein auf das Steuergeheimnis beruft? Und wo bleibt die Parteinahme für Menschen, die Sozialleistungen beziehen und damit per amtlichen Datenabgleich gar keine Geheimnisse mehr haben dürfen?

Wäre es den Ermittlern hingegen gelungen, den Whistleblower im Finanzamt zu enttarnen und ihn von einem Gericht wegen der Weitergabe eines Dienstgeheimnisses verurteilen zu lassen, Hoeneß hätte zivilrechtliche Schadenersatzansprüche geltend machen können. Was das erst für eine komische Nummer gewesen wäre, möchte sich wohl niemand ausmalen. Im übrigen ist das Gejammer über ein gebrochenes Steuergeheimnis ziemlich daneben, wenn man bedenkt, dass Hoeneß mit Millionen, die er für transparentwürdig hielt, öffentlich um sich warf und Respekt für eine bloß zur Schau getragene Wohltätigkeit einforderte.

Ergänzung: Die Steuergewerkschaft findet den breiten Zugriff auf die Hoeneß-Akte in Ordnung und nicht ungewöhnlich, wie von der Süddeutschen dargestellt.


Den Beitrag bequem ausdrucken unter:

https://storify.com/adtstar/die-sz-mal-wieder.html

0