Nachtrag zum Beitrag: Die Woche der faulen Kompromisse beginnt

Geschrieben von:

Prof. Dr. Günter Buchholz (GB), Ökonom und emeritierter Professor für Allgemeine BWL und Consulting an der FH Hannover schreibt:

Sehr geehrter Herr Tautenhahn,

ich bin sehr oft, sogar meistens Ihrer Auffassung, aber im Hinblick auf Ihre Anmerkungen zur Frauenquote bin ich es aus m. E. sehr guten Gründen nicht. Und ich kenne die Debatte bis zum letzten, sogar bis zum allerletzten Argument, das kann ich Ihnen versichern. Ich möchte Sie anlässlich der derzeit aktualisierten Frauenquotendebatte auf die Frankfurter Erklärung zur Gleichstellungspolitik hinweisen:

http://www.frankfurter-erklärung.de/

in der SZ ist heute ebenfalls darüber berichtet worden:

http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/581146/Die-Qual-der-Quote  (hierzu: meine Anmerkung am Schluss)

Weitere Begründungen einer Kritik der Frauenquotenpolitik finden Sie unter:

http://www.streitbar.eu/qsq.html

http://cuncti.net/haltbar/306-alles-luege-feministisches-rent-seeking-durch-frauenquoten 

http://sciencefiles.org/category/genderismus/

Zur tieferen, u. a. auch juristischen Begründung sei verwiesen auf: Harald Schulze / Torsten Steiger / Alexander Ulfig: Qualifikation statt Quote Norderstedt 2012

Zitat aus der SZ:

“Die CSU-Europaabgeordnete Angelika Niebler sieht das anders. Dass es zu wenige Frauen in Spitzenjobs gebe, in Firmen wie an Unis, ‚ist nicht eine Frage der Qualifikation, sondern der etablierten Strukturen‘; darum begrüßt sie den Vorschlag zur Frauenquote, auch wenn sie findet, dass die EU sich damit Kompetenzen der Mitgliedstaaten aneignet. Und sie warnt davor, das Professorinnen-Programm überzubewerten. Eine Initialzündung sei einfach nötig, um weibliche Talente in Führungspositionen zu bringen. Die Gefahr, dass dadurch das Niveau sinkt, sieht sie nicht: ‚Eine Professorin muss sich ja ständig neu beweisen.’“

GB: Frau Niebler behauptet also ohne Begründung und ohne Nachweis, sogar ohne Plausibilisierung, dass bisher – zumindest in der Tendenz – n i c h t nach Qualifikation eingestellt und berufen worden sei. Also alle Berufungskommissionen aller Hochschulen hätten Frauen diskriminiert (sogenannte „etablierte Strukturen“). Und alle Unternehmensleitungen hätten gleichqualifizierte Frauen aus Führungspositionen ausgeschlossen.

Ist es realistisch anzunehmen, dass die Unternehmen nicht wüssten, was gut für sie ist? Und dass die Hochschulen nicht in der Lage wären, die jeweils qualifizierteste Person auszuwählen? – Und weshalb soll eine “Initialzündung” notwendig sein? Keinerlei Begründung. Immer dieselben Vorurteile. Und “eine Professorin müsse sich ständig neu beweisen?” Stimmt das? Ich bezweifle es ernsthaft. In der Gender Studies jedenfalls gilt das gewiss nicht, weil das ein völlig geschlossener Kreis ist.

Mit freundlichen Grüßen Prof. Dr. Günter Buchholz

Sehr geehrter Herr Buchholz,

vielen Dank für Ihre Mail und Ihre Kritik. Offensichtlich habe ich mich in meinem heutigen Kommentar missverständlich ausgedrückt. Mir ging es nicht um die Frauenquote, sondern um die faulen Kompromisse, zu denen die SPD nach dem Parteitag bereit ist. Also um den Prozess. Die Frauenquote nimmt im Wahlprogramm der SPD nur einen kurzen Absatz ein. 40 Prozent Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen war das Ziel in börsennotierten Unternehmen. Herausgekommen ist verbindlich 30 Prozent in Aufsichtsräten und verbindlich 0 Prozent in Vorständen mit dem Zusatz freiwillig. Dazu die Jubelmeldung.

Viel größeren Raum nimmt die richtige Forderung nach gleicher Bezahlung für gleiche und gleichwertige Arbeit ein. Dazu hört man von Frau Schwesig aber nichts. Trotzdem verkündet sie den großen Wurf dort, wo es überhaupt nicht um die Interessen der SPD-Wähler geht. Welchen Wert solch ein Kompromiss aber hat, wird von den Medien und auch von mir, da haben Sie recht, nicht hinreichend aufgeklärt.

Eine Frauenquote in Führungspositionen ist meiner Ansicht nach von geringerer Bedeutung. Die Masse der Frauen leidet eben nicht unter einer fehlenden Quote für Aufsichtsräte und Vorstände, sondern unter einer Lohnbenachteiligung, wie es die SPD richtig in ihrem Wahlprogramm schreibt.

Im übrigen ist der Eliteninzest bei der Besetzung von Aufsichtsräten und Vorständen das größere Problem. Da sitzen immer dieselben Nasen und ihre Abkömmlinge, oftmals auch gelernte Politiker. Die Frage einer Frauenquote hat mit Frauenpolitik jedenfalls nichts zu tun.

Mit freundlichem Gruß

André Tautenhahn

Viel größeren Raum nimmt die richtige Forderung nach gleicher Bezahlung für gleiche und gleichwertige Arbeit ein.

GB: Niemand, wirklich niemand hat etwas gegen gleiche Bezahlung, w e n n Vergleichbarkeit tatsächlich gegeben ist und nicht bloß behauptet wird!

Aber es wimmelt in der Presse von Falschmeldungen, z. B. den angeblichen 23%.

Siehe: feministische Mythen auf Manndat.


Eine Frauenquote in Führungspositionen ist meiner Ansicht nach von geringerer Bedeutung. Die Masse der Frauen leidet eben nicht unter einer fehlenden Quote für Aufsichtsräte und Vorstände, sondern unter einer Lohnbenachteiligung, wie es die SPD richtig in ihrem Wahlprogramm schreibt.

GB: das stimmt, das ist eine Sache für ambitionierte Mittelschichtfrauen, die sich einen Karrriere-Turbo wünschen. Und bekommen. Wieso sich Linke dafür einsetzen, das ist mir völlig schleierhaft. Das ist eine rechte Politik (vgl. meine Beiträge auf cuncti und le-bohemien).


Im übrigen ist der Eliteninzest bei der Besetzung von Aufsichtsräten und Vorständen das größere Problem. Da sitzen immer dieselben Nasen und ihre Abkömmlinge, oftmals auch gelernte Politiker. Die Frage einer Frauenquote hat mit Frauenpolitik jedenfalls nichts zu tun.

GB: Millionen lohnabhängiger Frauen haben g a n z andere Sorgen. Aber die SPD kümmert sich nicht um Lohnabhängige. D a s ist der Skandal.

Mit freundlichen Grüßen Prof. Dr. Günter Buchholz

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Die Woche der faulen Kompromisse beginnt

Geschrieben von:

Bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin steht die Entscheidungswoche an. Bis zum 27. November soll der Vertrag zwischen Union und SPD stehen. Eigentlich sind es aber traurige Tage, an denen ein fauler Kompromiss nach dem anderen geschlossen werden wird wie zum Beispiel die feste aber unverbindliche Frauenquote. Manuela Schwesig, die vor dem Parteitag der SPD noch medienwirksam mit dem Abbruch der Verhandlungen drohte, spricht nun von einem wichtigen Signal für die Frauen und von einem großen Fortschritt in Sachen Gleichstellung. Brauchbare Ergebnisse sind das aber nicht.

Die Durchbrüche, die der Öffentlichkeit jetzt wahrscheinlich jeden Morgen aufs Butterbrot geträufelt werden, taugen vielleicht etwas für die ARD-Themenwoche Zum Glück, nicht aber für die Mitglieder der SPD, die über das Bündnis mit der Union abschließend entscheiden sollen. Beim ganz wichtigen Thema Mindestlohn droht die Union ebenfalls mit einem Kompromiss. Dabei ist allein schon die Vorstellung eines Vergleichs beim Mindestlohn abwegig. Entweder man ist dafür oder dagegen. Wenn eine Seite das Etikett für eine Schachtel liefert, in der die Überzeugung des anderen enthalten ist, nennt man das Etikettenschwindel. Und genau daran arbeiten Union und SPD.

Das großzügige Entgegenkommen der Union besteht nämlich darin, der SPD eine Lohnuntergrenze anzubieten, die erst 2016 kommen, von einer Kommission aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern überwacht werden und nicht für alle Branchen und Regionen gelten soll, dafür aber offiziell gesetzlicher Mindestlohn genannt werden darf. Die Union will Übergangsfristen durchsetzen, um einen nach ihrer Auffassung drohenden Anstieg der Arbeitslosigkeit vor allem im Osten zu vermeiden. Damit räumt die Union beiläufig und dennoch ganz konkret ein, dass das angebliche Jobwunder auf einer Scheinbeschäftigung beruht, die ohne staatlich subventioniertes Lohndumping nicht funktionieren würde.

Nicht Flexibilität, sondern Teilhabe

Beide Verhandlungspartner verstehen Löhne nur als Kosten, die sich dem Dogma der Arbeitsmarktflexibilität unterzuordnen haben. Daher werden Union und SPD auch einen Kompromiss finden, wo eigentlich nur eine klare Entscheidung für den Mindestlohn angemessen ist. Würden die großen Koalitionäre, die sich wechselseitig finanz- und wirtschaftspolitische Kompetenz ins Stammbuch schreiben, endlich begreifen, dass nicht möglichst flexible Arbeitsmärkte, sondern die Teilhabe der Arbeitnehmer die Wachstumsentwicklung stabilisiert, wäre schon viel erreicht.

Wenn dann noch klar würde, dass die Arbeitslosigkeit gestiegen ist, obwohl die Zunahme der Reallöhne hinter der Produktivitätsentwicklung zurückgeblieben ist und im Süden Europas sogar das radikale Kürzen der Löhne zu einem massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt hat, wäre vielleicht auch mal Schluss mit dem Verbreiten des irrigen Glaubensbekenntnisses, wonach eine Lohnanpassung nach oben unweigerlich zu mehr Arbeitslosigkeit führe. Das Gegenteil ist richtig, wie jeder sehen kann, der Augen im Kopf hat.

Eine Phalanx deutscher Autobauer hält das aber nicht davon ab, vor dem Mindestlohn und überhaupt vor weitreichenden Zugeständnissen an die Arbeitnehmer zu warnen. So dürfe beispielsweise an den Regeln für die Leiharbeit nicht gerüttelt werden. Das sei hochgefährlich, meint etwa Daimler-Chef Zetsche. Die Flexibilität am Arbeitsmarkt müsse erhalten und Energie bezahlbar bleiben. Andernfalls, drohen die Manager, müsse die Produktion ins Ausland verlagert werden. Das zieht immer. Die CDU will die Bedenken der hohen Herren umgehend mit der SPD besprechen und beweist damit einmal mehr die eigene Erpressbarkeit.

Gerade bei der Leiharbeit werden die vier Automanager Dieter Zetsche (Daimler), Norbert Reithofer (BMW), Martin Winterkorn (VW) und Opel-Chef Karl-Thomas Neumann deutlich. Ohne die Leiharbeit sei ein wirtschaftliches Arbeiten kaum möglich, erklärt Reithofer. Zetsche meint sogar, dass man ohne Leih- und Zeitarbeit gar nicht mehr produzieren könnte. Richtiger wäre wohl, dass ohne Leiharbeiter und Werkverträgler Gehälter wie 14,5 Millionen Euro (Winterkorn), 8,2 Millionen Euro (Zetsche) und 6,6 Millionen Euro (Reithofer) nicht drin wären oder kostspielige Zukäufe und Fusionen, die hinterher mit hohen Verlusten wieder rückgängig gemacht werden müssen (siehe DaimlerChrysler Desaster).

Auch die unanständig hoch bezahlten Manager liefern nicht mehr ab als das Ergebnis einer Scheinbeschäftigung. Wenn der eine mit goldenem Handschlag geht, korrigiert sein Nachfolger dessen Unternehmenspolitik umgehend und zwar auf die immer gleiche Weise. Entlassungen und Lohnkürzungen. Vielleicht sollte an dieser Stelle über eine Beschneidung des Sozialstaates nachgedacht werden und eine Diskussion über die Begrenzung von Gehältern und Boni nach oben sowie höhere Steuern stattfinden. Das wäre tatsächlich mal eine Meldung, die man auch als Erfolg verkaufen könnte.

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