Gedämpfte Erwartungen

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An diesem Wochenende hat Bundeskanzlerin Angela Merkel mal wieder Erwartungen gedämpft. Und dämpfen kann sie gut, denn in der Küche kennt sie sich aus, wie wir aus der Brigitte wissen (O-Ton: “Wenn ich im Kochtopf rühre, denke ich nicht jede Sekunde: Die Kanzlerin rührt im Kochtopf.”). Na ja wenn es anschließend schmeckt und der Ehemann auch von selbst mal etwas sagt, ist die Welt wohl in Ordnung. Politisch rührt Merkel allerdings so manchen Blödsinn an. So auch bei ihren gedämpften Aussichten den bevorstehenden Demografiegipfel der Bundesregierung am Dienstag betreffend.

Neun Arbeitsgruppen beraten da seit Herbst vergangenen Jahres über eine Strategie beim Thema Alterung der Gesellschaft. Ergebnis: Die Diskussion komme gut voran, aber:

Der Wandel habe „gewaltige Auswirkungen“, sagte die Kanzlerin. „Denn es geht nicht einfach nur darum, dass wir im Durchschnitt älter werden, sondern wir werden in Deutschland auch weniger werden, wir werden vielfältiger werden.“ Es handle sich um einen Wandel, „den wir in unserer Gesellschaft begleiten müssen“.

Quelle: stern.de

So gewaltig scheint der Wandel aber dann doch nicht zu sein, angesichts der konstanten Bevölkerungszunahme, die seit dem Jahr 2011 aufgrund steter Einwanderung zu verzeichnen ist.

Quelle: destatis

Die demografische Katastrophe scheint auszufallen, auch weil eine andere Katastrophe, ausgelöst von Angela Merkel, ihre Wirkung nicht verfehlt. Die schreckliche Krisenpolitik hat offenbar eine Wanderungsbewegung von Süd- nach Nordeuropa in Gang gesetzt. Damit konnten seinerzeit die Demografiepäpste um Meinhard Miegel und Bernd Raffelhüschen natürlich nicht rechnen, als sie im Auftrag der Versicherungswirtschaft das große Bevölkerungssterben bis 2060 voraussahen und der Politik erfolgreich empfahlen, allerhand Dämpfungsfaktoren in die gesetzliche Rentenversicherung einzubauen.

Noch immer rechnen alle Beteiligten mit der absurden Studie, wonach ein Fünftel der Deutschen ersatzlos verschwunden sein wird. Doch die aktuelle Zunahme der Bevölkerung widerspricht der Annahme und sogar eine Erholung der Rücklagen in der Rentenkasse wie zuletzt, führt nicht dazu, den bereits eingeschlagenen Irrweg (Rentenkürzung) zu verlassen. Es wird im Gegenteil munter weiter an der Zerstörung (Beitragssatzstabilität) einer funktionierenden Sozialversicherung gearbeitet.

In diesem Zusammenhang müsste man auch mit dem Märchen aufräumen, dass die Menschen immer älter würden. Das weiß man doch erst, wenn sie tot sind. Die Tatsache, dass viele Menschen aus den Jahrgängen 1920 bis 1940 heute noch leben, sagt nichts darüber aus, dass Menschen der Jahrgänge 1970 bis 2013 ähnlich lange oder noch länger leben werden. Vielmehr müsste man sich doch die Frage stellen, in wie weit sich unschöne Dinge wie Zuzahlungen, um sich den medizinischen Fortschritt leisten zu können oder die Interessen der Pharmaindustrie, die immer neue Pillen für neue Krankheiten oder umgekehrt erfindet, die Aussicht auf Altersarmut, Lebensmittelskandale, Bewegungsmangel, Umwelteinflüsse und der Verlust sozialer Standards auf die Lebenserwartung auswirken.

Doch auch über diese spannenden Fragen diskutiert der Demografiegipfel nicht. Mal sehen wie lange hinter verschlossen Türen gedämpft wird. Von der Kanzlerin wissen wir ja, dass sie kamelartige Fähigkeiten besitzt und schon mal eine Nacht durchmachen und am Morgen danach trotzdem fit ihre Hände zur Raute zusammenfalten kann.

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Wenn es sprudelt, verarmt meistens der Staat

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Seit vergangener Woche ist die neueste Steuerschätzung raus und die Kommentare zur angeblich üppig vorhandenen Einnahmebasis des Staates sind geschrieben. In ihnen heißt es mal wieder, dass es an der Zeit sei zu sparen, weil Finanzminister Schäuble trotz des prognostizierten Rückgangs immer noch über eine Rekordsumme an Steuern verfügen könne. Dabei sind höhere Einnahmen bei einem steigenden Bruttoinlandsprodukt (BIP) nichts ungewöhnliches. Außerdem, und das ist viel gravierender, sagen nominale Rekordeinnahmen für sich genommen überhaupt nichts aus. Das könnten Journalisten allein schon daran erkennen, dass im Schatten der zu erwartenden Höchststände beständig über große Finanzierungslöcher bei Bund, Ländern und vor allem den Kommunen geklagt wird.

Die öffentliche Hand kann immer seltener ihre Aufgaben übernehmen, trotz angeblich sprudelnder Einnahmen. Das prognostizierte „Rekordsteueraufkommen“ muss also in ein Verhältnis gesetzt werden, um darüber eine verlässliche Aussage treffen zu können. Doch nirgendwo, außer in der Publikation der Steuerschätzer selbst, findet sich etwas über die Steuerquote, also jenen Wert, der die Steuereinnahmen zum Bruttoinlandsprodukt in Beziehung setzt. Er liegt bei geschätzten 22,77 Prozent für das Jahr 2013 und damit auch auf einem Rekordniveau, das aber nicht das obere, sondern immer noch das untere Ende der Fahnenstange beschreibt. Zumindest unterdurchschnittlich ist die Entwicklung dieser Quote wenn man sie mit der anderer Länder vergleicht. Das heißt also, dass die Steuereinnahmen zwar einen noch nie dagewesenen Höchstwert erreicht haben mögen, gemessen am BIP aber dem Staat immer weniger Geld zur Wahrung seiner Aufgaben zur Verfügung steht.

Das hat auch einen Grund, der vor allem in den Steuersenkungsorgien der Regierungen Schröder bis Merkel zu finden ist. Sie haben den Staat um Einnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe gebracht. Dennoch will das Lied von der Ausgabendisziplin nicht verklingen. Gerade jetzt, wo halb Europa unter dem Spardiktat der Deutschen zu leiden hat und der Kontinent als Ganzes auf eine jahrelange Depression zusteuert, fällt deutschen Journalisten nichts besseres ein, als das zu fordern, was sie immer reflexhaft fordern, weil sie von Volkswirtschaft einfach nichts verstehen wollen. Man möge doch endlich richtig sparen. So als ob es hierzulande keine verrottende Infrastruktur geben würde. Dabei gammeln Schulen, Straßen und öffentliche Gebäude nur deshalb seit Jahren vor sich hin, weil man sich die Renovierung aus Kostengründung immer wieder spart. Zuletzt jammerte ja auch der deutsche Städtebund über einen Investitionsrückstand von rund 100 Milliarden Euro.

Für diese Schieflage in der Wahrnehmung haben Medien wie auch die Steuervermeidungsfetischisten immer die gleiche Antwort parat. Der Staat sei kein guter Haushälter und gebe zu viel Geld an Stellen aus, wo er es doch lieber bleiben lassen sollte. Bei den Sozialleistungen zum Beispiel bestehe immer Einsparpotenzial. Nur traue sich aus Angst vor unpopulären Entscheidungen niemand so recht an diesen Posten heran. Doch auch hier stützen die wenig aussagekräftigen nominalen Daten die wackelige Argumentation. Gemessen am BIP lagen die Ausgaben im Jahr 2002 allerdings höher als heute und mit einem aktuellen Niveau von 30 Prozent kaum höher als 1975. Doch ginge es nach den Hardlinern, könne der Sozialstaat allein von der Spendenbereitschaft gönnerhafter Steuerhinterzieher wie Uli Hoeneß leben, die schließlich besser wüssten, für welchen guten Zweck Vermögen eingesetzt werden sollte.

Mehr Steuern zu verlangen, widerspricht hingegen dem trotzigen Weltbild vieler Meinungsmacher, die sich im Augenblick genüsslich und giftig am Wahlprogramm der Grünen abarbeiten, das ja bekanntlich eine zaghafte Erhöhung einzelner Abgaben vorsieht. Was aber dagegen spricht, beispielsweise die Abgeltungssteuer von 25 Prozent in die Mülltonne zu werfen und alle privaten Kapitaleinkünfte wieder mit dem persönlichen Einkommenssteuersatz zu versteuern, erklären die notorischen Steuerhasser nicht. Und was ist gegen eine Wiederbelebung der Vermögenssteuer zu sagen, die es ja offiziell noch gibt, aber keine Einnahmen generiert?

Insgesamt tragen die vermögensbezogenen Abgaben, also Vermögensteuer (Erhebung seit 1997 ausgesetzt), Grundsteuer, Grunderwerbsteuer und Erbschaftsteuer gerade einmal 4 Prozent zum Gesamtsteueraufkommen bei und machen damit nicht einmal 1 Prozent des BIP aus. Das ist weniger als die Hälfte des Durchschnitts der entwickelten Länder. Zudem besitzt das reichste Zehntel der Bevölkerung inzwischen 66 Prozent des Gesamtvermögens, also 6,4 Billionen Euro. Steuergerechtigkeit muss daher die Antwort auf vermeintlich “sprudelnde” Einnahmen heißen, die nur deshalb so abgefeiert werden, um die systematisch vorangetriebene Verarmung des Staates zu verschleiern.

Wer darüber hinaus Steueroasen wirksam austrocknen will, muss mit deren Mästung aufhören und die verfehlte Unternehmens- und Vermögensbesteuerung des vergangenen Jahrzehnts beenden bzw. korrigieren. Es muss beispielsweise Schluss sein mit der Steuerfreiheit auf Veräußerungsgewinne, die rot-grün einmal beschloss und seit dem nie zurückgenommen wurde. Zudem ist mit 20 Prozent die Steuerbelastung von Unternehmens- und Vermögenseinkommen historisch, vergleichsweise und rekordverdächtig niedrig. An dieser Stelle gäbe es viel Reformbedarf, um den Staat als ganzes auf solidere Füße zu stellen und gleichzeitig für eine gerechtere Finanzierung zu sorgen.

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