Von der Leyen droht Unternehmen mit gesetzlicher Frauenquote

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Bei dieser Meldung habe ich gestern nur mit dem Kopf geschüttelt. Frau von der Leyen sorgt sich um die Frauenquote in Vorstandsetagen und droht Unternehmen mit einer gesetzlichen Regelung.

„Angesichts der nur mit der Lupe erkennbaren Fortschritte der vergangenen zehn Jahre schließe ich eine gesetzliche Regelung über einen Mindestanteil von Frauen in Führungspositionen von Unternehmen nicht mehr aus“, sagte von der Leyen dem „manager magazin“.

„Unter 25 bis 30 Prozent Frauenanteil in Führungspositionen würde ich gar nicht anfangen zu verhandeln. Das Entscheidende ist eher der Zeitraum für die Umsetzung. Ich sage mal: Es sollten weniger Jahre sein, als meine Hand Finger hat.“

Quelle: FAZ

Wie sieht es eigentlich mit Dumpinglöhnen und prekärer Beschäftigung aus? Droht die Arbeitsministerin auch jenen Unternehmen, die ihre Mitarbeiter nicht ordentlich bezahlen bzw. ihre Stammbelegschaften durch Leiharbeiter ersetzen? Warum droht von der Leyen nicht mit dem Mindestlohn oder einer klaren Regelung zur Leih- und Zeitarbeit, zum Beispiel mit der Wiedereinführung des Synchronisationsverbots bzw. mit gleicher Bezahlung von Leih- und Stammarbeitern oder noch besser, wie in Frankreich, mit einer höheren Bezahlung für Leiharbeiter, weil die auch ein höheres Risiko zu tragen haben?

Und was ist mit der Hartz-IV Neuregelung? Ich glaube, bei diesem Thema wünscht sich Frau von der Leyen gleich ein paar Hände mehr, um allen Beteiligten zu zeigen, dass es ruhig ein wenig länger dauern kann.

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Heute hat der Brüderle wieder ordentlich gesoffen

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Ja nicht wegen den Wirtschaftsdaten, die er High Noon freudig präsentierte. Wer heute Mittag aufmerksam zugehört hat, wird vernommen haben, dass sein „Aufschwung“ von der Überholspur unbemerkt auf die Beschleunigungsspur einer Schnellstraße zurückgewechselt ist.

„Wir können jetzt das Gaspedal durchdrücken und auf den Beschleunigungsstreifen hinüber wechseln. „

Quelle: BMWi

Er muss also zwischenzeitlich die Schnellstraße verlassen haben. Wahrscheinlich um nachzutanken.

Nein, der Brüderle hat vorab das noch ungeborene Bundesbaby von Frau Schröder pullern lassen. Da gehe ich jede Wette ein. Und nach Jens Bergers Tagtraum zu urteilen, wird das Kind auf den Namen Helmut-Roland hören, sofern es ein Junge wird.

„Dabei war Schröders Entscheidung, ihre Familienplanung zeitlich suboptimal zu planen, ein überaus cleverer Schachzug. Nun ist die Ministerin, die sich während ihrer Amtszeit ohnehin als komplett talentfrei geoutet hat, nicht mehr zu entlassen. Was wäre das auch für ein Aufschrei? Herzlose Kanzlerin entlässt werdende Mutter! Nein, Kristina Schröder hat nun eine grandiose Karriere vor sich. Und wir werden alle dabei sein! Die ersten Ultraschall-Photos exklusiv in der BILD. Ein Interview mit Oma Schröder exklusiv im SPIEGEL. Ist Horst Seehofer der wahre Vater des Bundesbabys? Oder war es doch Helmut Kohl? Vielleicht steht in den Depeschen von WikiLeaks ja die Wahrheit?. Was freuen wir uns schon auf die ersten Babyphotos und den Koalitionskrach, den Baron zu Guttenberg auslöst, als er dem kleinen Helmut-Roland zum ersten Geburtstag einen Spielzeugpanzer schenkt.“

Quelle: Spiegelfechter

Aber ich war ja noch beim Brüderle. Der war heute gut drauf und beantwortete jede noch so belanglose Frage von deutschen Journalisten souverän. Es musste erst wieder ein Niederländer kommen, der wissen wollte wie Brüderle zum Vorwurf, Deutschland sei ein Dumpinglohnland, stehe. Die Deutschen Schreiberlinge interessierten sich indes für den Zwist zwischen Schäuble und Brüderle oder dafür, ob sich die über dem Schnitt liegende Wachstumshöhe noch weiter fortsetze. Dabei begann der Minister zu Beginn seiner Rede mit einer handfesten Lüge.

„Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Damen und Herren,

Deutschlands Wirtschaft hat 2010 das Comeback des Jahres hingelegt.

Mit einem Rekordwachstum von 3,6 Prozent hat uns die Wirtschaft aus dem Konjunkturkeller katapultiert.

Das ist der größte Anstieg des Bruttoinlandsprodukts seit der Wiedervereinigung, seit 20 Jahren.“

Es gilt das gebrochene Wort, denn das angebliche Rekordwachstum ist preis- und kalenderbereinigt gar keins mehr. Denn mit real 3,5 Prozent stieg das Bruttoinlandsprodukt genauso an wie im Jahr 2000 und das Jahr 2006 verzeichnete mit 3,6 Prozent ein höheres Wachstum als 2010.

BIP_2010
Quelle: destatis

Dass den anwesenden Journalisten diese dreiste Lüge von Brüderle keine kritische Nachfrage wert war, ist einfach nicht akzeptierbar.

„Wir gehen mit Sieben-Meilen-Stiefeln voran. Manch andere trotten im Gänsemarsch hinterher.“

Diese armselige Metapher könnte man schon als Demagogie bezeichnen. Wir sind die Besten und schreiten voran, alle anderen sind schlecht und hinken nur hinterher. So einfach ist die Welt in Brüderles benebelten Obstgeist. Nach seiner Rede meinte er zu den Journalisten im ernst, dass es nun keinen Protektionismus geben dürfe, wie im letzten Jahrhundert, als die Staaten anfingen mit geschlossenen Märkten und manipulierten Währungen sich Vorteile zu verschaffen. Er meinte, dass sei eine lose-lose-Situation gewesen. Offene Märkte hingegen brächten eine win-win-Situation. Er sieht die Realitäten nicht und leugnet die Tatsache, dass Protektionismus das einzige sein wird, was Krisenstaaten noch übrig bleibt, wenn Deutschland weiter die Auffassung vertritt, alle müssten sich dem deutschen Exportmodell anpassen.

Im übrigen ist es Deutschland, das sich innerhalb eines Währungsraums über Jahre hinweg Wettbewerbsvorteile auf Kosten seiner Nachbarn ergaunert hat. Und in den 1930er Jahren haben die bürgerlichen Kräfte in Deutschland vor der lose-lose-Situation kapituliert und den Nazi-Schlägertrupp engagiert. Was soll das also heißen? Der Protektionismus ist schuld an Hitlers Machtergreifung? Die Situation war damals wahrscheinlich alternativlos. :roll:

„Wir sind der Ausrüster der Welt.

Deutsche Maschinen, Anlagen und Chemieprodukte werden in den aufstrebenden Volkswirtschaften stark nachgefragt, genauso wie langlebige Konsumgüter.

Für unsere Exporte rechnen wir daher mit einem Zuwachs von real insgesamt 6,5 Prozent.

Aber dieser Erfolg kommt nicht nur uns zugute, sondern auch anderen.
Denn auch die Importe steigen fast um den gleichen Prozentsatz, nämlich um 6,4 Prozent.

Und davon profitieren auch unsere Partnerländer stark.

Das sei all denen ins Stammbuch geschrieben, die meinten, Deutschland für seine Exportstärke an den Pranger stellen zu müssen. Sie profitieren von unserer Exportstärke.

Das zeigt: Eine statische Betrachtung der Wirtschaft geht an der Wirklichkeit vorbei.“

Blöder geht’s nicht mehr. Es kommt nicht nur auf gestiegene Exporte und gestiegene Importe an, sondern auf die Handelsbilanz, also der Differenz aus Ex- und Importen. Wenn Brüderle aber meint, dass Deutschlands Exportstärke auch den Partnerländern nütze, dann muss er eben auch dazu sagen, dass dieser Nutzen nur auf der Grundlage von erneuter Verschuldung realisiert werden kann. Denn dem deutschen Überschuss muss immer ein Defizit gegenüberstehen.

Der von den versammelten Journalisten wieder einmal nicht angesprochene Widerspruch zwischen bejubelter Exportstärke einerseits und der Forderung nach Sparprogrammen und Konsolidierung bei denen, die deutsche Produkte auf Pump kaufen, andererseits, schwebt so offensichtlich über allem, dass man wütend werden könnte, weil keiner den Arsch in der Hose hat, den Minister auf seine ökonomische Unzulänglichkeit hinzuweisen. Die Exporte werden schlicht weiter einbrechen, wenn man seine Handelspartner unter Androhung von Sanktionen zum Sparen bzw. zum Abbau von Defiziten zwingt, die erst im Handel mit Deutschland entstanden sind.

Derweil macht sich Brüderle noch immer über den amerikanischen Finanzminister Geithner lustig, der im Vorfeld des G20-Treffens in Seoul vorgeschlagen hatte, Exportquoten einzuführen, um die bestehenden Handelsungleichgewichte abzubauen.

„Unser Aufschwung ist fast wie im Bilderbuch, wie im Lehrbuch.

Er widerlegt auch diejenigen, die im internationalen Handel auf Planwirtschaft setzen; die zum Beispiel Exportquoten vorgeschlagen haben, so wie zum Beispiel der US-Finanzminister Geithner im Rahmen der G20-Beratungen in Südkorea.

Das kann nicht die Lösung sein, eine makroökonomische Planwirtschaft zu betreiben.“

Die Amerikaner haben wenigstens eine makroökonomische Lösung angeboten und das erste Mal seit Bretton-Woods die Bereitschaft signalisiert, einem Regelwerk für internationale Handelsbeziehungen zuzustimmen, weil sie offensichtlich erkannt haben, dass es so nicht weitergehen kann. Der deutsche Kasperminister bietet hingegen nur ein saudummes „Weiter So“ an und wirft ausgerechnet den Amerikanern planwirtschaftliches Denken vor. Das ist nicht nur peinlich, sondern auch ein Zeichen für geistige Unreife.

„Wir tun gut daran, uns mit Nachdruck für eine weitere Öffnung der internationalen Märkte einzusetzen und uns entschieden gegen Interventionismus und staatliche Wechselkurspflege zu stellen. „

Ob Brüderle überhaupt eine Ahnung davon hat, wie abhängig sein „Aufschwung“ vom staatlichen Interventionsismus war und ist? Ohne die zahlreichen globalen Konjunkturprogramme gäbe es überhaupt keine Erholung der deutschen Volkswirtschaft. Auch das fiel niemandem auf.

Die Krönung war natürlich die Behauptung, dass es der Binnenkonsum schon richten werde. Gleichzeitig kündigte das Wirtschaftsgenie aber den Ausstieg aus den Krisenmaßnahmen und die Wende zur Selbstbestrafung Konsolidierung an.

„Wir stärken die Wachstumsgrundlagen durch konsequente Konsolidierung der öffentlichen Haushalte.

Nachhaltiges Wachstum gibt es nur auf der Basis solider öffentlicher Finanzen.

Mit dem Bundeshaushalt 2011 haben wir die Wende zur Konsolidierung vollzogen. Der konsequente Ausstieg aus den Krisenmaßnahmen ist auch eine logische Konsequenz dieser Entwicklung und unverzichtbar.“

Natürlich, die zwei bis drei Euro monatlich, die aus den als große Entlastungen angekündigten Steuervereinfachungen möglicherweise beim Verbraucher ankommen, werden nicht für steigende Krankenkassen- und Zusatzbeiträge verbraten oder für die grandios gescheiterte private Altersvorsorge oder gar steigende Strompreise zurückgelegt, sondern direkt in den Konsum gesteckt, weil die Kaufrauschstimmung noch immer so toll ist.

Wer glaubt so einen Müll eigentlich noch angesichts der Tatsache, dass in diesem Land knapp acht Millionen Menschen auf ALG I, II oder Sozialgeld angewiesen sind?

Unterm Strich ist Brüderle nur noch im Suff zu ertragen. Allerdings hat er auch angekündigt, Subventionen kürzen zu wollen. Da kann man nur hoffen, dass die von ihm um 200 Prozent erhöhte Subvention für den Weinanbau an Steilhängen in Rheinland-Pfalz davon unberührt bleibt.

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Zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs NRW zum Nachtragshaushalt 2010

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Heute morgen wird zu diesem Thema in den Kommentarspalten eine Menge Scheiß veröffentlicht. In der FAZ steht zum Beispiel:

„Erstmals fällt der Verfassungsgerichtshof in Münster der amtierenden Landesregierung in den Arm, um sie daran zu hindern, einen möglicherweise verfassungswidrigen Haushalt zu vollziehen. Diese Premiere ist allein der Dreistigkeit zu verdanken, mit der sich Ministerpräsidentin Kraft über das Recht hinweggesetzt hat.“

Und Andreas Herholz aus dem Berliner PR-Büro Slangen & Herholz lässt in zahlreichen Tageszeitungen landauf landab die gleichgeschaltete Meinung verbreiten:

„Endlich hat die Justiz der Politik beim Thema Schuldenmachen Grenzen aufgezeigt. Zwar gilt es, die Entscheidung im Hauptverfahren noch abzuwarten, doch es ist ein klares Signal gegen rücksichtslose Haushaltssünder. Wer sich über das Recht hinwegsetzt und auf Kosten nachfolgender Generationen die Staatsverschuldung weiter erhöht, anstatt die notwendige Konsolidierung einzuleiten, kann nicht mehr darauf bauen, ungeschoren davonzukommen.“

Quelle: Passauer Neue Presse aber auch in Schweriner Volkszeitung siehe heutige Presseschau DLF u.a.

Doch was ist eigentlich passiert? Eine einstweilige Verfügung wurde erlassen. Der Grund dieses Beschlusses war aber nicht das Schuldenmachen, sondern eine Abwägung der Folgen bei geschlossenen Kassenbüchern für das Haushaltsjahr 2010. Das Gericht hat nicht über einen möglicherweise verfassungswidrigen Haushalt geurteilt, sondern festgestellt, dass es für die Geschäfte der Landesregierung eher zumutbar sei, die Kassenbücher bis zur Klärung im Hauptsacheverfahren offenzuhalten, wohingegen bei abschließenden Vollzug des Nachtragshaushalts mit Schließung der Bücher, wie von der Landesregierung beabsichtigt, die Gefahr der Schaffung von Tatsachen bestanden hätte, die sich im Nachhinein als verfassungswidrig hätten erweisen können.

Müssen die Bücher für das Haushaltsjahr 2010 zur Sicherung verfassungsrechtlicher Belange für einen zumutbaren Zeitraum offen gehalten werden, droht zum Nachteil der Landesregierung auch keine Vorwegnahme der Hauptsache. Vielmehr könnten nach einer den Normenkontrollantrag in der Hauptsache möglicherweise abweisenden Entscheidung die erhöhten Kreditermächtigungen zum Ausgleich des Haushalts 2010 noch kassenwirksam in Anspruch genommen werden. Umgekehrt könnten im Falle einer stattgebenden Entscheidung Rückbuchungen aus Rücklagen und Sondervermögen noch rechtzeitig vor dem Abschluss der Bücher erfolgen.

Quelle: VGH Münster

Mit anderen Worten, dass der Haushalt verfassungswidrig sei, weil Rot-Grün noch mehr Schulden mache als geplant, ist genau betrachtet eine falsche Behauptung von völlig verblödeten Auftrags-Journalisten. Verfassungswidrig kann ein Haushalt immer nur dann sein, wenn die Netto-Neuverschuldung die veranschlagten Investitionen übersteigt. Das liegt nach gegenwärtigem Stand im Falle Nordrhein-Westfalen offenkundig vor. Aber darüber schreibt man lieber nix, weil man dann nämlich auch dazu schreiben müsste, wofür das geliehene Geld, dass man nicht wieder investiert, gebraucht wird.

Ich schreibe es noch einmal ganz groß in diesen Blog, damit es jeder lesen und verstehen kann!!!

WIR RETTEN IMMER NOCH BANKEN!!!

Die Landesregierung ist verpflichtet, milliardenhohe Rückstellungen für die WestLB vorzunehmen, weil diese vergleichsweise kleine Bank seltsamerweise unter keinen Rettungsschirm passt. Wahrscheinlich weil deren Eigentümer keine Privatleute sind, sondern die öffentliche Hand. Hinzu kommt, dass Herr Rüttgers in seiner Funktion als größter Arbeiterführer aller Zeiten, Garantien für die Risiken bei der WestLB in Höhe von 10 bis 18 Mrd. Euro abgegeben hatte. Eine schwere Hypothek. Denn eine Pleite dieser Bank zöge das gesamte Land NRW defacto mit nach unten. Und die CDU, die einst mit Rüttgers an der Spitze dafür gesorgt hat, dass die WestLB in Landesbesitz bleibt, statt sie mit der LBBW zur Verringerung der Risiken zusammenzuführen, gefällt sich nun auch noch in der Rolle des Anklägers.

Die Rolle Rüttgers und der CDU ist schon wieder vergessen. Statt dessen behaupten vermeintliche Journalisten, die Rot-Grüne Regierung hätte den Linken zu viele Zugeständnisse machen müssen und erhielte jetzt die Quittung dafür. Jens Berger schreibt auf den NachDenkSeiten dazu:

„Die implizite Botschaft dieses Spins kann dann ja eigentlich nur lauten, dass es “links” ist, Wahlversprechen ernst zu nehmen und SPD und Grüne nur dann ihre Wahlversprechen umsetzen, wenn sie zumindest von links toleriert werden. Da kann man als SPD- oder Grünen-Wähler ja nur hoffen, dass dies noch möglichst häufig der Fall sein wird.“

Es geht also gar nicht um rot-grüne Wahlversprechen und eine böse schuldenfinanzierte Konjunkturpolitik wie dubiose Tintenknechte der Marke Herholz ständig suggerieren, damit sie ihr Mantra vom Sparen wieder anbringen können (Slangen und Herholz werden offensichtlich nur für diese eine Botschaft bezahlt), sondern um die Verwaltung des Erbes einer Vorgängerregierung, die in der Zusammensetzung Schwarz-Gelb immer noch mit Zuschreibungen versehen wird, besonders wirtschaftskompetent zu sein bzw. vernünftige Haushaltspolitik zu betreiben.

Lustig ist natürlich, dass sich die Journaille doch darüber wundert, dass die Union etwas zurückhaltend auf die Forderung nach Neuwahlen reagiert.

„Eigentlich müssten CDU und FDP jubeln, angesichts dieses Erfolgs. Eine richtige Opposition müsste sich hinstellen und selbstbewusst die Neuwahl fordern.

Aber: CDU und FDP trauen sich nicht, sie haben ein Urteil erstritten, ohne darüber nachzudenken, was sie damit anstellen können. Angesichts schlechter und katastrophaler Umfragewerte haben sie so große Angst vor dem Urteil der Bürger, dass sie Neuwahlen fast um jeden Preis verhindern wollen. Das hätten sie sich vorher überlegen sollen. Das Publikum sieht einen zitternden Prozessgewinner, der nun Angst hat vor der eigenen Courage.

Quelle: Süddeutsche Zeitung

Wer die Vorgeschichte und die Zusammenhänge kennt, wundert sich nicht!

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TV-Tipp: Neues aus der Anstalt – Folge 40

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Vorsorglich weise ich auf die erste Sendung im neuen Jahr am 25.01.2011 hin. Wegen des DFB-Pokals wird es wahrscheinlich etwas später (22:30 Uhr) als sonst losgehen.

Das Wahljahr 2011 hat begonnen. Urban Priol und Erwin Pelzig schauen voraus auf ein Jahr voller politischer Liebeshochzeiten und Ehekrisen, in dem Wählern das Schwarz-Gelb-Rot-Grüne vom Himmel versprochen und ein Bahnhof unter der Erde geschenkt wird. Im kalten Januar heizt die Anstalt dem aktuellen Polit-Chaos mit Satirefeuer ordentlich ein. Mit Brennholz helfen diesmal Johann König, Andreas Rebers und Sigi Zimmerschied aus.

Quelle: ZDF

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Was kann das Unwort nur dafür?

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Das Unwort des Jahres lautet „alternativlos“. Warum eigentlich nicht „Aufschwung“? Dieses Wort wäre in seiner Verwendung mindestens genauso sachlich unangemessen und dazu ein Substantiv wie einst das Unwort des Jahres 2005, Entlassungsproduktivität. Da hätte der Germanistik-Professor Horst-Dieter Schlosser dann den Verlust an inhaltlicher Substanz bei einem Hauptwort beklagen können, statt dem armen Adjektiv „alternativlos“ vorzuwerfen, dass es von vornherein Alternativlosigkeit suggeriere. Ja Mensch, das ist ja auch der Sinn eines Absolutadjekivs, das weder Komparativ noch Superlativ erlaubt und im Hyperlativ eine äußerst schräge Figur abgäbe.

Die Verwendung des Wortes „alternativlos“ war ja sprachlich gesehen nicht falsch. In seiner Verwendung sollte es der Lüge dienen. Die Lüge ist das Verbrechen, aber nicht das in diesem Zusammenhang verwendete Beiwort. Es hat seine Schuldigkeit getan. Wer aber die Bedeutung von Begriffen ändert, sie geradezu schändet, wie der Bundeswirtschaftsminister mit seinem Aufschwung, der übt Gewalt aus, gegen die Sprache und gegen deren Sinn, nämlich Verständigung zu erreichen. Der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag ist übrigens voll davon. Die Worte haben nur noch einen Zweck, sie dienen der Unterhaltung, sagte einmal Georg Schramm. Verwirrung statt Komunikation.

„Wir stehen am Grab des Wortes. Es ist nicht schön gestorben, das Wort. Es ist nicht vom Zensor erwürgt worden, es ist als leere Worthülse im Brackwasser der Beliebigkeit ertrunken.“

Brüderles pervertierter „Aufschwung“-Begriff zählt dazu. Während ganz Europa dank der Deutschen auch weiterhin am Abgrund steht und die USA schon einen Schritt weiter sind, feiert die Bundesregierung trotz wachsender Armut im eigenen Land fröhlich „Aufschwung“. Ob nun auf der Überholspur zur Vollbeschäftigung oder als Geisterfahrer auf dem Weg zum Massencrash, das ist doch im Prinzip egal. Die vermeintlich unterschiedlichen Perspektiven ändern nichts an der düsteren Prognose von einer Gesellschaft im Abstieg. Dieser Verlauf ist zwar nicht alternativlos, aber nach gegenwärtigem Stand und politischem Willen doch geradezu zwangsläufig.

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Die Volkskümmerin am Montag

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Die Mutti ist ein wenig erkältet oder besser gesagt, heiser. Vielleicht haben sie beim Radiosender ihres Vertrauens auch schon einen entsprechenden O-Ton gehört. Wie wäre es mit diesem hier? Ich nenne den Ton, „Die heisere, nicht heiße, Merkel und das geträumte wie gejagte Hirngespinst von Schwarz-Grün.

Es ist klar, dass sich Merkel bei diesen Umfragewerten für die FDP und dem parteiinternen Gezänk nicht sonderlich um ihren Koalitionspartner schert. Auch inhaltlich zielen die Liberalen am Stil der Mutti eher vorbei. Zum Beispiel kann auch eine erkältete Kanzlerin den Vorschlag des FDP-Hoffnungsträgers und best Wirtschaftsminister ever Rainer Brüderle nicht wirklich ernst nehmen, der Lebensmittel Discounter wie Aldi und Lidl dazu aufruft, auch Billigsprit anzubieten, damit etwas gegen die steigenden Benzin- und Dieselpreise geschehe.

„Preise bilden sich am besten immer noch durch Wettbewerb“, meint die Ulknudel aus der Pfalz, dessen schwarz-gelbe Regierung an den hohen Spritpreisen kräftig mitverdient. Aber so abwegig ist der Vorschlag nicht, denn inzwischen sind Lebensmittel Discounter auch Reiseveranstalter, Online Shop, Fahrkartenverkaufsstelle und Strom- sowie Telefonanbieter. Demnächst kriegen sie halt auch noch Sprit im praktisch zusammengeschweißten Sechserpack à 1,5 Liter PET-Flaschen zzgl. Pfand.

Bei soviel Kreativität hält unsere Volkskümmerin lieber Abstand und schaltet sich in andere interne Konflikte ein. Zum Beispiel in den zwischen ihrer Verbraucherministerin Ilse Aigner von der CSU und ihren Parteifreunden aus Niedersachsen, die im Dioxin-Schlamassel unter einer sog. Informationspanne zu leiden hatten. Merkels Seibert hat das heute in der Bundespressekonferenz glänzend ausformuliert.

Kümmern und Lösungen suchen, dabei die FDP am ausgestreckten Arm verkümmern lassen, dass ist die neue alte Politik der erkrankten Chefin, der ich von dieser Stelle aus die besten Genesungswünsche übermitteln möchte. Kommen sie schnell zurück. Der Euro-Rettungsschirm wartet auf sie…

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Kurzer Nachschlag zu ARD-exclusiv über Carsten Maschmeyer, "Der Drückerkönig und die Politik“

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Am vergangenen Mittwoch lief in der ARD die Doku vom Panorama Reporter Lütgert über Carsten Maschmeyer. Darin gab es auch einen Komplex über Walter Riester, der als politisches Bindeglied mit seinen Rentengesetzen das Geschäftsfeld für Maschmeyers AWD und andere Finanzdienstleister erst eröffnete und bereitwillig sein Gesicht für die Vermarktung neuer Vorsorgeprodukte zur Verfügung stellte. Persönlich darauf angesprochen, leugnete der ehemalige Arbeitsminister vehement als Werbemaskottchen der Versicherungsbranche aufgetreten zu sein.

In dem neuen Buch von Pascal Beucker und Anja Krüger, Die verlogene Politik – Macht um jeden Preis, gibt es einen schönen Abschnitt mit dem Titel, Die Riester-Renten-Lüge. Die beiden Journalisten haben vor allem auch Zitate gesammelt und natürlich auch von Walter Riester.

Der Sozialdemokrat ist zum Werbeträger für die nach ihm benannte Rente geworden und lässt sich das gut bezahlen. Als die Bundestagsabgeordneten 2007 erstmals ihre Nebeneinkünfte offenlegen mussten, staunte die Öffentlichkeit, wie viel Geld der Ex-Minister mit Dienstleistungen für Versicherer, Banken oder Vertriebsorganisationen wie AWD verdiente. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung wollte er die Summe von 200 000 Euro im Jahr nicht dementieren. „Wenn man mir 7000 Euro anbietet, sage ich nicht, dass ich nur 4000 Euro oder gar nichts wert bin“, sagte er. „Mein Name ist halt positiver Werbeträger.“ Eine Sparkasse verpflichtete ihn unter dem Motto „Riester erklärt Riester“. Eine Bank produzierte ein Plakat mit seinem Bild und dem Spruch „Walter fürs Alter“. Bei einer Tagung des Ostdeutschen Sparkassenverbands, zu der er eingeladen war, lag auf jedem Platz ein T-Shirt mit der Aufschrift „Ich bin Riester“. Er tue sich leicht mit der Marke „Riester-Rente“, sagte Riester der Märkischen Allgemeine: „Stellen Sie sich einmal vor, ich würde Hartz heißen. Das wäre schwieriger.“

Das nur als Ergänzung zum Film. Das Buch von Beucker und Krüger sollte jeder gelesen haben.

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Pascal Beucker / Anja Krüger: Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis, Knaur-Verlag, München, ISBN: 978-3-426-78345-0, 302 Seiten, 8,99 Euro.

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Ein Hoch auf die Karikatur eines Parteistrategen Alexander Dobrindt

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Die CSU hat einen Zeichentrickfilm anfertigen lassen, mit dem sie ihre aktuelle Kampagne zum Ausdruck bringen will. Bezeichnenderweise geht es dann auch nicht um eigene Inhalte, wahrscheinlich aus Mangel an ebendiesen, sondern um die Grünen als „Dagegen-Partei“. Dazu sagt dann auch der Vorsitzende des Zentralrats der Partei der namentlich bekannten Alkoholiker mit Glaubenbekenntnis Alexander Dobrindt.

„Die Grünen sind im Kern immer noch die alte anti-bürgerliche Chaoten- und Steinewerfer-Partei von vor 30 Jahren“, erklärt Generalsekretär Alexander Dobrindt zur neuen Kampagne. Das müsse wieder stärker in den Fokus gerückt werden. Der Spot werfe einen Blick hinter die Fassade der Partei.

Quelle: Welt Online

Ich glaube, der Spot wirft eher einen Blick hinter die Fassade der CSU und da offenbart sich ein erschreckendes Bild über den Geisteszustand der Parteiführung. Die Amigos der CSU sehen nur noch Kommunisten und Steinewerfer. Dabei wäre es doch sehr interessant, einmal über die Verstrickungen der bayerischen Landesregierung in den Bankenskandal zu sprechen, der für den Steuerzahler nämlich immer teurer wird. Immerhin stehen mit der BayernLB und der HRE gleich zwei Krisen- und Skandalinstitute auf dem Münchner Hoheitsgebiet.

Mal abgesehen von dem Umstand, dass die CSU die BayernLB immer als Selbstbedienungsladen bzw. Parteibank nutzte, erinnern wir uns doch an die jüngste Skandalgeschichte. Durch den dubiosen Erwerb der Hypo Group Alpe Adria (1,6 Mrd. Euro) musste die BayernLB mit dem Eintreten der Finanzkrise als Mehrheitsaktionär auch die Verluste dieser vergleichsweise kleinen Bank in Höhe von 4 Mrd. Euro übernehmen. Dies geschah mit einer spontanen 10 Mrd. Euro Geldspritze durch die bayerische Landesregierung/Bundesregierung sowie Bürgschaften durch den SoFFin in Höhe von ebenfalls 10 Mrd. Euro.

Dass diese auch in Anspruch genommen werden, steht inzwischen außer Frage. Nur was die Landesregierung bisher unterlassen hat, ist für diesen Fall im Haushalt Vorkehrungen zu treffen. Zu dieser Einschätzung kam zumindest der oberste Rechnungshof des Freistaats.

Sie sehen Bayerns bislang solide Staatsfinanzen wegen Landesbank und Finanzkrise in großer Gefahr. Denn die obersten Rechnungsprüfer des Freistaats vermissen vor allem eines: angemessene Vorsorge. Für die milliardenschweren Steuerausfälle des nächsten Jahres hat die Staatsregierung nach Einschätzung des ORH keinerlei Vorbereitungen getroffen.

Wegen der Landesbank-Krise hat sich der Schuldenstand Bayerns innerhalb eines Jahres um fast 50 Prozent auf 34 Milliarden Euro erhöht. Hinzu kommen Bürgschaften und Haftungsverpflichtungen in Höhe von 11,5 Milliarden Euro, die die Staatsregierung bei der BayernLB sowie anderen Banken und Firmen übernommen hat. Diese Bürgschaften sind nur zum Teil im Haushalt verbucht – soll heißen: Falls Bürgschaften in größerer Höhe fällig werden, ist dafür im Staatshaushalt derzeit weder Geld vorhanden noch eingeplant.

Für die erwarteten Steuerausfälle von 1,6 Milliarden Euro im nächsten Jahr hat die Staatsregierung laut ORH-Bericht “keine Vorsorge“ getroffen.

Darüber hinaus täuscht der bayerische Finanzminister Fahrenschon die Öffentlichkeit über das wahre Ausmaß des Desasters, weil bekannt wurde, dass er den Prüfbericht zur Hypo Alpe Adria dem Landtag über Monate vorenthielt.

Vor allem die ehemalige Führungselite um Huber, Beckstein, Faltlhauser und Schmid glänzten als Aufsichtsräte der Bank durch Ahnungslosigkeit und lasche Kontrollen, die die kriminellen Bankgeschäfte mit hochspekulativen ABS-Papieren erst ermöglichten. Der Tatbestand der Fahrlässigkeit wurde immerhin schon festgestellt, auch wenn das juristisch nicht weiter relevant ist, weil die Satzung der Landesbank diesbzüglich und vorsorglich geändert wurde. Beim Verwaltungsrat greifen Schadenersatzansprüche erst bei einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung.

Bekannt wurde auch, dass sich der ehemalige Bankvorstand der BayernLB Gerhard Gribkowsky persönlich bereichert hat. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft soll er beim Verkauf der Formel-1-Anteile, die der Bank aus der Insolvenzmasse des Kirch-Konzerns zugefallen waren, 50 Millionen Dollar abgezweigt haben. Ihm wird also nicht nur Bestechlichkeit vorgeworfen, sondern auch Steuerhinterziehung. Zudem hat er der Bank einen beträchtlichen Schaden zugefügt. Er wurde zurecht verhaftet.

So sieht das in Bayern aus, dessen Landesregierung ihre Politik nun vornehmlich auf die Bekämpfung von Phantom-Steinewerfern und Phantom-Kommunisten ausrichten will, statt ihr Augenmerk auf die reale Bedrohung krimineller Finanzakteure zu legen, die von ahnungslosen und mindestens fahrlässig handelnden Politikern an ihrem Tun nicht weiter gehindert wurden.

Wer schadet dem Land und seiner Bevölkerung wohl mehr? Bevor man über angebliche „Dagegen-Parteien“ billig polemisiert und den Kommunismus als düstere Zukunftsbedrohung an die Wand malt, sollte man doch ernsthaft über die bayerischen Verhältnisse sprechen. Das wäre mal ein echter Fortschritt, dem sich auch die SPD hätte widmen können, anstatt den Begriff bis zur Unkenntlichkeit im neuen Programmentwurf zu entstellen.

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Währungsmanipulation wohin man schaut

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Gerade freuen sich die Europäer, dass Portugal heute seine Anleihen im Volumen von 1,25 Mrd. Euro platzieren konnte und damit nicht in Refinanzierungsprobleme geriet. Die Portugiesen wollten nicht mehr als sieben Prozent Rendite zahlen. Nun sind sie ihre kurzzeitigen Staatsanleihen für 5,4 und die langfristig laufenden Papiere für 6,7 Prozent losgeworden. Ein Grund zur Freude ist das aber nicht, weil die hohen Risikoaufschläge trotzdem bezahlt werden müssen. Portugal muss seine beschlossenen Sparmaßnahmen also nicht nur durchhalten, sondern wahrscheinlich noch ausbauen, wenn die Wirtschaft, was zu erwarten ist, weiter einbricht.

Wer kauft nun portugiesische Papiere oder die der anderen Defizitländer? Nun es sind vor allem die Chinesen, Japaner und Brasilianer, die wiederum eine Aufwertung ihrer Währungen verhindern wollen und deshalb den Euro stützen. Die wollen nämlich wie die Deutschen auch exportieren und eine zu starke eigene Währung mindert bekanntlich die Absatzchancen. Da haben alle bei den Deutschen gelernt.

Unsere Wirtschaftsfachnasen und unsere politischen Laiendarsteller hatten ja kürzlich vollmundig der ganzen Welt empfohlen, sich am deutschen Wirtschaftsmodell ein Beispiel zu nehmen. Das Dumme ist nur, dass nicht alle gleichzeitig exportieren können, ohne dem anderen etwas wegzunehmen. Aus diesem Grund wird Frau Bundeskanzlerin dann morgen auch um die Ecke gebogen kommen und wieder etwas Blödes zur Eurorettung sagen, damit der Kurs wieder schön auf Talfahrt geht und die deutsche Exportwirtschaft weiter feiern kann.

Aber amüsant ist es schon, wenn ausgerechnet die Chinesen den Euro retten, weil die Europäer dazu nicht in der Lage sind. Ich meine, derzeit reden alle über die Wege zum Kommunismus. Dabei führt der Weg des aktuell gültigen Kommunismus direkt zur Stabilität des Euro und darüber hinaus zu hohen Zinserlösen auf der Seite der kommunistischen Finanzanleger. Also wenn das kein Lacher ist.

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Rasante Aufschwungkrise

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Tage und wochenlang haben die wenigstens 100 Mathematiker des statistischen Bundesamts Tabellen gewälzt und hin und her gerechnet. Nun haben sie das Ergebnis. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt steigt im abgelaufenen Jahr um satte 3,6 Prozent, so stark wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr, wie es gleich als erstes heißt. Aber zunächst zur Überschrift:

Deutsche Wirtschaft 2010: Rasanter Aufschwung nach der Krise

Und Brüderle, der zuständige Minister für’s Wachstum, legt gleich mit der frohen Botschaft nach:

„Höchstes Wachstum seit der Wiedervereinigung führt zu Beschäftigungsrekord“

Dabei hätte er auch sagen können: Höchstes Wachstum seit der Wiedervereinigung führt zu Defizitrekord. Denn auch das steht in der Meldung der Statistiker:

Der Staatssektor wies im Jahr 2010 nach noch vorläufigen Berechnungen ein Finanzierungsdefizit in Höhe von 88,6 Milliarden Euro auf. Gemessen am BIP in jeweiligen Preisen errechnet sich daraus eine Defizitquote von 3,5%. Nach leichten Überschüssen in den Jahren 2007 (+ 0,3%) und 2008 (+ 0,1%) sowie einer Defizitquote von 3,0% im Jahr 2009 würde der im Maastricht-Vertrag genannte Referenzwert von 3% des BIP damit im Jahr 2010 erstmals seit fünf Jahren wieder überschritten.

Das ist doch komisch mitten im Aufschwung. Aber nicht für Rainer Brüderle. Für ihn, wie auch für die Statistiker ist nur entscheidend, dass es rasant nach oben geht. Brüderle sagt:

„Das war der größte Anstieg des Bruttoinlandsprodukts seit der Wiedervereinigung. Besser als bei uns lief es in keinem anderen großen Industrieland.“

Richtig, es lief ein Jahr davor auch in keinem anderen großen Industrieland schlechter. Wir können ja nicht nur den größten Anstieg innerhalb der EU vorweisen, sondern auch den größten Einbruch! Wie war das doch gleich letztes Jahr? Mit einem preisbereinigten Minus von 4,7 Prozent ging es nach unten. Nun geht es um 3,6 Prozent (preisbereinigt um 3,5 und damit nix mit Rekord) nach oben. Unterm Strich bliebe also das Minus, bedingt durch einen Aufhol-, nicht Überholprozess, wie Brüderle meint und das statistische Bundesamt suggeriert.

Propagandaminister Brüderle legt aber noch einen drauf.

„Die realen verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte nahmen 2010 so stark zu wie seit 2001 nicht mehr. Dies stützt die binnenwirtschaftlichen Auftriebskräfte.“

Warum stiegen denn die real verfügbaren Einkommen? Weil die Beschäftigten, die in 2009 in die teure Dauerkurzarbeit zu niedrigeren Einkommen ausgelagert wurden, nun wieder ihren normalen Lohn erhalten. Ein lausiger statistischer Effekt, den Brüderle da beschreibt und als großen Einkommenszuwachs der privaten Haushalte verkaufen will. Das geht über den Tatbestand der vorsätzlichen Täuschung noch weit hinaus.

„Die Beschäftigung hat im vergangenen Jahr ein Rekordniveau erreicht und liegt auf dem höchsten Stand seit der Wiedervereinigung. Unser Land nimmt Kurs auf Vollbeschäftigung.“

Vor allem hat die Leiharbeit mit knapp einer Million Beschäftigten auf Abruf ein Rekordniveau erreicht. Das wird sich 2011 fortsetzen. Aber was ist denn nun mit dem Aufschwung. Bleibt er oder geht er. Die falsch deutenden Statistiker verraten sich mit einem Satz.

Die wirtschaftliche Erholung fand hauptsächlich im Frühjahr und Sommer 2010 statt.

Und was war im Herbst und im Winter? Keine Erholung? Stagnation? Rezession? Man hätte also auch schreiben können: Die wirtschaftliche Erholung hat sich in den letzen beiden Quartalen nicht fortgesetzt oder hat sich abgeflacht, wie das schon in den Berichten steht, die zum Beispiel vom Finanzministerium monatlich herausgegeben werden. Jedenfalls wird sich das nicht fortsetzen, was im Frühjahr und im Sommer stattgefunden hat. Das ist die eigentliche Nachricht.

Wir haben keinen Aufschwung XXL, sondern eine Aufschwungkrise. Richtig wäre es, auch darauf hinzuweisen, dass der nächste Absturz um einiges schlimmer enden könnte, als der von 2009.

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