Anleger halten sich nie zurück

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Seit gestern heißt es auch für den deutschen Musterschüler, die Anleger halten sich zurück. Sogar von einem generellen Anlegerstreik war die Rede. Deutschland hatte Probleme Staatsanleihen am Finanzmarkt zu platzieren.

Doch ist es richtig, dass Anleger sich zurückhalten oder gar in einen Streik treten können? Nein. Kein Anleger kann das. Es widerspricht dem Wesen des Kapitalismus. Es ist immer wieder lustig, wie offenbar in den Köpfen das Bild von Dagobert Duck gepflegt wird, der sein Geld in riesigen Geldspeichern aufbewahrt und niemandem etwas abgibt.

Zur Grundbedingung des Kapitalismus gehört, dass Kapital angelegt werden muss. Selbst wenn es auf dem Sparbuch herumliegt, ist es angelegt. Kein Kapitalist hortet Geldbündel in seinem Keller. Die Amerikaner haben trotz hoher Schulden und einem Patt zwischen Konservativen und Demokraten kein Refinanzierungsproblem. Anleger nehmen sogar Verluste in Kauf (die Inflationsrate liegt mit über 3 Prozent höher als die Verzinsung 10-jähriger Bonds mit unter 2 Prozent), nur um amerikanische Staatsanleihen zeichnen zu können.

Wenn Investoren verunsichert sind, sind sie dennoch gezwungen, ihr Geld irgendwo anders anzulegen oder auszugeben, was wiederum einer Anlage in Sachwerten oder Konsumgütern entspricht. Wenn Europa nun immer unsicherer wird, steigt automatisch die Nachfrage nach Bonds anderer Währungsräume. Würde die deutsche Regierung mal kapieren, dass Anleger ihr Geld nur Staaten auf diesem Planeten verleihen können, weil die Bewohner des Mondes und des Mars noch keine attraktiven Wirtschaftsräume gebildet haben, müsste doch klar werden, dass ein gemeinsamer europäischer Anleihemarkt von großem Vorteil wäre.

Doch dagegen sträubt sich die gerade wieder in den Medien abgefeierte Krisenkanzlerin vehement. Die alberne Ablehnung von Eurobonds, die für jeden sichtbar das Verschuldungsproblem der Defizitstaaten aufgrund überhoher Risikoaufschläge nur noch weiter verschärft, schlägt sich nun auch auf dem deutschen Anleihemarkt nieder. So als wollten die Finanzmärkte sagen: Seid doch nicht so borniert.

Merkels Kompass führt geradewegs in die Isolation und, für Anleger wichtig, in den Abgrund. An einem Eurozonenkollaps haben selbst die Spekulanten, die auf Staatspleiten wetten, kein Interesse. Solange sichergestellt ist, dass die Milliarden fließen, kein Problem. Aber offenbar ist den Finanzmärkten bereits bewusst, dass weder ESFS mit oder ohne Hebel noch ESM ab 2013 den Kapitalbedarf decken können, wenn sich an den Zinsniveaus nichts ändert.

Gemeinsame Eurobonds sichern aus Sicht der Märkte ein Überleben der Eurozone. Mit 7 Billionen Euro wäre das Anleihevolumen vergleichbar mit dem des Dollarraums (10 Billionen Euro) und dem Japans (7 Billionen). Der sichere Währungshafen wäre wiederhergestellt und vor allem soviel Liquidität vorhanden, dass kein Spekulant, kein Investor und keine Ratingagentur mehr Geld aufbringen könnte, um die Bonität der gesamten Eurozone in Zweifel zu ziehen.

Das ändert nur nichts an den bestehenden Handelsungleichgewichten, deren Beseitigung oberstes Ziel sein muss. Behält Deutschland seine Überschüsse, behalten alle anderen auch ihre Defizite. Das muss klar sein. Falls nicht wäre der nächste Crash auch unter der Bedingung gemeinsamer Anleihen vorprogrammiert.

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Richtige Worte und Gesten

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Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz hat dem Bundesinnenminister nahegelegt zurückzutreten, weil er mit Blick auf den “Rechtsterrorismus” nicht die richtigen Worte und Gesten finde.

Das ist schon sehr seltsam, weil die gesamte Regierung weder die richtigen Worte noch die richtigen Gesten findet, und das gilt nicht nur für rechte Straftäter, die weitgehend unerkannt mordend durch die Lande ziehen. Aber bleiben wir ruhig einen Augenblick beim Bundesinnenminister. Im Sommer tourte er noch als Wahlkampfhelfer von Veranstaltung zu Veranstaltung in der kommunalen Provinz. Dabei hielt er immer dieselbe Rede.

Er sprach über die innere Sicherheit und die Bedrohungen durch den internationalen Terrorismus (Deutschland sei noch stärker im Fadenkreuz als vor zehn Jahren) und darüber, dass das Verhältnis zwischen Bürger und Staat, das seit 1968 gelitten habe wieder neu justiert werden müsse.

Junge Menschen sollten wieder lernen, nicht nur von einer sozialen Gemeinschaft etwas zu erwarten, sondern dem Land auch etwas zu geben, weil sie es ihm schulden. Und ja, er nahm den Kennedy Satz für sich in Anspruch, wonach man als Bürger nicht fragen solle, was das Land für einen tun, sondern was man selber für das Land tun könne. Im Kampf der Systeme müsse Deutschland international wettbewerbsfähig bleiben, und es stimme nicht, dass die Freiheit durch den Staat bedroht werde, sondern nur durch Angreifer von außen.

Dabei richtete sich sein Blick konsequent auf angeblich 1000 Personen, die man als mögliche Terroristen bezeichnen könne. Von diesen seien 128 als sogenannte Gefährder eingestuft, von denen man annehme, dass sie erhebliche Straftaten begehen könnten. 20 dieser Gefährder hätten gar eine Ausbildung in Terroristenlagern absolviert.

„Die größte Gefahr geht heute eher von Einzeltätern aus. Sie sind schwer zu entdecken“

Quelle: Süddeutsche

Heute wirken solche Aussagen noch unbegreiflicher. Nur hat damals kein Wiefelspütz zum Rücktritt aufgerufen, weil Friedrich mit demagogischen Reden die Hoheit über den Stammtischen erringen wollte. Offenbar war auch die SPD überfordert und wollte nicht erkennen, dass auch in Deutschland von rechts systematisch Straftaten begangen werden. Norwegen war ein Schock, aber auch relativ weit weg. Nicht zuletzt der Umgang mit Thilo Sarrazin hat gezeigt, dass es auch bei der SPD an richtigen Worten und Gesten mangelt.

Allerdings muss man Dieter Wiefelspütz zugute halten, dass er Sarrazin zu Recht vorwarf, rassistisches Gedankengut zu verbreiten und hat deshalb konsequent dessen Austritt aus der SPD gefordert. Nur als Anders Behring Breivik in Oslo Amok lief und SPD-Parteichef Gabriel einen Zusammenhang zwischen ihm und fremdenfeindlichen Gedankengut à la Sarrazin in Europa herstellte, ruderte Wiefelspütz wieder kleinlaut zurück.

Gabriel: „In einer Gesellschaft, in der Anti-Islamismus und Abgrenzung von anderen wieder hoffähig wird, in der das Bürgertum Herrn Sarrazin applaudiert, da gibt es natürlich auch an den Rändern der Gesellschaft Verrückte, die sich letztlich legitimiert fühlen, härtere Maßnahmen anzuwenden.” 

Wiefelspütz: „Für seine Analyse ist alleine Herr Gabriel verantwortlich. Ich würde so weit nicht gehen. Alles wird mit allem verrührt. Es fehlt dann an der Präzision der Analyse.“ Wiefelspütz will nicht falsch verstanden werden als Fan von Sarrazin. Er hält ihn, wie er sagt, für „borniert, statistikgläubig, herzlos und zynisch“. Gabriels Hinweis aber sei „nicht hilfreich“, im Gegenteil: „Sarrazin auch nur im Nebensatz in Verbindung zu bringen mit Norwegen, finde ich unangemessen.“

Quelle: Tagesspiegel

Ja, was denn nun Herr Wiefelspütz? Wischi Waschi hat mit richtigen Worten und Gesten auch nicht wirklich etwas zu tun.

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