Der Bürgerrechtler Gauck hält Proteste von Bürgern für “unsäglich albern”

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Der links, liberal und konservativ aufgeklärte Patridiot aus der ehemaligen DDR, der an Gott und die Finanzmärkte glaubt sowie an die fortwährende Verfolgung aller inoffiziellen Mitarbeiter der Stasi, die ohne Bundestrojaner und mit einfachsten Mitteln herausbekommen und gemeldet haben, dass der Nachbar auch ein roter Arsch ist, weil er sich mit dem selben harten DDR-Toilettenpapier den Allerwertesten abwischte, gilt gemeinhin als verhinderter Staatsmann, der des Öfteren die Notwendigkeit eines stärkeren politischen Engagements der Bürger betont.

Und nu?

Da hält er den Protest von Bürgern weltweit für “unsäglich albern”, berichtet unter anderem der Stern.

Bei einer Veranstaltung der Wochenzeitung „Die Zeit“ sagte er am Sonntag in Hamburg, der Traum von einer Welt, in der man sich der Bindung von Märkten entledigen könne, sei eine romantische Vorstellung.

Da täuscht sich der Bundespräsident der Herzen aber gewaltig. Die Vorstellung, dass die Märkte getrennt vom Politischen zu existieren haben, ist keinesfalls romantischer Natur, sondern Bestandteil einer klassischen Theorie, die gerade nach dem Zweiten Weltkrieg praktischer Konsens zwischen allen führenden Nationen dieser Erde war. Damals waren sich alle einig, sogar die Konservativen in Deutschland. Der Markt und noch mehr, der Kapitalismus habe versagt, lautete das Fazit aus Wirtschaftskrise, Krieg und Vernichtung. Waren das etwa auch alles Romantiker?

Doch Gauck wird selbst zum Romantiker, der keine Ahnung vom weltlichen Geschehen auf den Finanzmärkten zu haben scheint.

„Ich habe in einem Land gelebt, in dem die Banken besetzt waren.“ Es sei zu bezweifeln, dass die Bankeinlagen sicherer wären, wenn die Politiker in der Finanzwirtschaft das Sagen hätten.

Das ist wirklich lustig. Vor allem, weil nach der Wende die Banken-West die Banken-Ost dank günstiger Gesetzeslage besetzten und regelrecht aussogen bis nichts mehr übrig war. Horst Köhler hatte das brillant für die Bankenwelt-West eingefädelt und die Umsetzung überwacht. Nur gut, dass die Finanzwirtschaft das Sagen hat und den Politikern zeigt, wie sie zu handeln haben. Das scheint bisher jedenfalls prima zu funktionieren.

Zumindest solange der Bürger brav die Verluste der Banken zahlt und gleichzeitig deren Gewinne über den Verzicht auf einen Sozialstaat in Gegenwart und Zukunft absichert. Zum Glück leben wir in einer Demokratie und da hat jeder ungebildete Schwachkopf und jeder schwachköpfig Gebildete das verbriefte Grundrecht, Dinge albern oder toll zu finden. Leider werden die vielen 100 000 Demonstranten weltweit nicht permanent auf Veranstaltungen eingeladen, um dort über Romantik und die Gefahr zu sprechen, die von vermeintlich roten Ärschen ausgeht.

Nein, sie müssen ihre Empörung über den Sozialismus, den die Politik den Reichen bei der Verrechnung ihrer Verluste beim Zocken auf den Märkten zugesteht, durch Demonstrationen auf der Straße zum Ausdruck bringen. Es darf durchaus als Erfolg gewertet werden, dass das zu den elitären Bürgerrechtler-Veranstaltungen hinter verschlossenen Türen bereits durchgedrungen ist.

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Weltweite Proteste gegen die politische Ohnmacht

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Schäuble nehme die “weltweiten Proteste gegen die Macht der Banken” sehr ernst. Da hat der Bundesfinanzminister meines Erachtens den Protest nicht ganz verstanden. Es geht doch nicht nur darum, die Macht der Banken anzuklagen, sondern die Ohnmacht der Politik, die vom Volk keinesfalls beauftragt wurde, den durchaus mächtigen Banken das Gesäß zu lecken. Gerade Schäuble hat doch da Erfahrung.

In der ARD sagte Schäuble heute Abend:

„Wir müssen überzeugend darlegen können, dass die Politik die Regeln setzt und dass wir nicht von den Märkten nur getrieben werden“, sagte er. Ansonsten werde es „nicht nur eine Krise der sozialen Marktwirtschaft und der Finanzmärkte, sondern sonst wird es eine Krise des demokratischen Systems“, hob Schäuble hervor.

Für Schäuble werden die Regeln zwar durch die Politik gesetzt, nur wer sie in Wirklichkeit macht, sagt er nicht. Der Dank an Josef Ackermann lässt jedenfalls auf einen Sachverhalt schließen, der mehr mit Gefälligkeit, Korruption und Wohlwollen zu tun hat, als damit, die sog. Märkte in ihre Schranken weisen zu wollen. Die Regierung wünscht sich doch nichts Sehnlicheres, als dass ihr Herr Ackermann oder die Banken sagen, was sie tun soll.

Josef Ackermann hat seit der Finanzkrise Teil 1 und bis heute eine Erhöhung der Eigenkapitalquoten abgelehnt. Im Rahmen von Basel III, das als große Regulierungsmaßnahme nach der Finanzkrise gefeiert wurde, sind die Kreditinstitute verpflichtet worden, ihre Kernkapitalquote bis 2015 auf gerade einmal 4,5 Prozent zu erhöhen. Gleichzeitig hat es einen Bankenstresstest gegeben, der aber gar nicht überprüfte, was passiert, wenn ein ganzer Staat zahlungsunfähig würde.  

Nun wanken die Banken erneut, weil sie noch immer mit reichlich Fremdkapital zum Beispiel in griechische Anleihen investiert haben, die wegen des ersten Rettungsschirms zu 100 Prozent durch die europäischen Steuerzahler garantiert werden, aber zum Zeitpunkt des Garantieversprechens weit unter Nennwert gehandelt wurden. Das war ein lohnendes Geschäft für Hedgefonds und Banken, weil klar war, dass der Wert der Anleihen steigen würde. Deshalb konnte man auch neue Risiken eingehen und statt Anleihen zu kaufen, wieder ins Geschäft mit Derivaten einsteigen und ganz dick abkassieren.

Natürlich gibt es beim Zocken um Milliarden auch wieder Verlierer, die am Ende Papiere halten, die möglicherweise nix mehr Wert sein könnten. Bisher stand nur eine freiwillige Beteiligung der Gläubiger zur Diskussion, nun will Schäuble, dass Banken und Investoren “freiwillig” auf noch mehr verzichten, als im Juli vereinbart. Das ist doch grotesk. Die Herumeierei führt nur wieder dazu, dass die Kurse für Anleihen, deren Rückzahlung durch die Rettungsschirme und damit von uns allen garantiert wird, nur wieder fallen und für die unterkapitalisierten Banken und Hedgefonds als Anlage erneut attraktiv werden, solange die Politik mit immer mehr nicht vorhandenen Steuergeldern die Gewinne und Verluste sichert.

Wenn die Regierung sagt, dass sie sich mit Rettungsschirmen Zeit verschafft hat, bedeutet das im Klartext, dass die Finanzmärkte dank verschobenem Zahlungsausfall Griechenlands weiter Kasse machen können und zwar mit dem Handel von unterbewerteten Papieren, die im Kurs automatisch wieder steigen, je näher das Fälligkeitsdatum rückt. Die Frage ist nur, wie lange Merkel, Schäuble und Co. dieses absurde Spiel zu Gunsten der Kreditinstitute und zu Lasten der Allgemeinheit noch weitertreiben können.

Hätte es von Anfang an Eurobonds gegeben und damit eine offene Gemeinschaftshaftung aller, die es heute ja auch schon gibt, bloß offen nicht so genannt werden darf, wäre die Spekulation gegen einzelne Mitgliedsstaaten faktisch ausgeschlossen. Mit gemeinsamen Eurobonds läge der Fokus dann auch verstärkt auf den Leistungsbilanzungleichgewichten innerhalb Europas und man würde noch stärker als bisher auch über die deutschen Exportüberschüsse reden müssen.

Immerhin ist in den europäischen Gremien die Erkenntnis schon lange gereift, dass hohe Exportüberschüsse das wirtschaftliche Gleichgewicht Europas gefährden und genauso sanktioniert gehören, wie permanente Defizite. Davon will die Bundesregierung aber nichts wissen, obwohl sie einem Abbau der Überschüsse auf EU-Ebene durch eine Ankurbelung des deutschen Binnenkonsums bereits zugestimmt hat.

Auch die deutsche Öffentlichkeit will nichts davon wissen und hackt lieber auf den faulen und betrügerischen Griechen rum, als sich die Frage zu stellen, welchen Konstruktionsfehler die Währungsunion hat, egal ob Griechenland nun EU-Mitglied geworden wäre oder nicht.

Die Occupy Wall Street Bewegung, an der am Samstag auch in Deutschland Zehntausende teilgenommen haben – was aber kaum berichtet wurde –, steht in der Tradition des arabischen Frühlings und richtet sich gegen plutokratische Verhältnisse und vor allem gegen eine zu banken- und wirtschaftsfreundliche Politik, die im Ergebnis sozialen Kahlschlag und soziale Ungerechtigkeit billigend in Kauf nimmt. Wenn Schäuble also die Proteste als Bewegung gegen die Macht der Finanzmärkte versteht, die die Politik vor sich hertreiben, hat er nichts verstanden. Vor allem hat er wieder einmal unter Beweis gestellt, dass er mit Demokratie und die sie tragenden Institutionen nichts anfangen kann.

In einer Demokratie dürften Finanzmärkte nämlich überhaupt nichts zu sagen haben, weil der Souverän nicht die Bankenvorstände wählt, sondern die Abgeordneten der Parlamente, die erst entscheiden, was Finanzmärkte dürfen und was nicht. Wenn der Bundesfinanzminister nun feststellt, von irgendjemand anderem als dem Volk getrieben zu werden, sollte er sich fragen, wann und warum er es ihm erlaubt hat. Die Krise der Demokratie ist schon da. Sie muss nicht erst auf den Vertrauensverlust der Finanzmärkte warten…

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