Merkel ohne Sehnsucht

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“Ich bin mal liberal, mal christlich-sozial, mal konservativ.”

So hat sich Angela Merkel selbst beschrieben, als sie einmal bei Anne Will nach ihrer politischen Handschrift gefragt wurde. Diese offen zur Schau getragene Beliebigkeit ist nichts im Vergleich zu ihrer nicht vorhandenen Haltung in der Eurofrage. Im Vorfeld des morgigen Krisengipfels, es dürfte inzwischen der Tausendste zum Thema sein, dämpft Merkel die Erwartungen wie folgt:

Nach einem Jahr Debatten über Griechenland gebe es „eine große Sehnsucht“ nach einem „großen abschließenden, einem einzigen großen Schritt – am besten spektakulär“, sagte Merkel. Diesen werde es aber nicht geben. Es gehe nun darum, „einen kontrollierten und beherrschten Prozess aufeinander folgender Schritte und Maßnahmen zu erzeugen“.

Quelle: AFP

Was will sie erzeugen? Ist das noch die Politik der kleinen Schritte, die bedeutungsschwanger auf die Schrödersche Politik der ruhigen Hand folgte? Große Schritte sind nicht ihr Ding, denn dafür müsste sie auch das Ziel klar vor Augen haben. Da ihre Strategie aber eher mit dem Satz beschrieben werden kann, mir nach, ich folge euch (Volker Pispers), hängt ihr Weg ganz entschieden davon ab, wohin sich die Masse, die des Aussitzens überdrüssig geworden ist, bewegt. Und die ist gar nicht so homogen, wie Merkel sich das wünscht.

Gerade mit Blick auf Griechenland stapeln sich inzwischen die Vorschläge zur Lösung der Finanzkrise und gelaufen wird in alle Richtungen. Von der sanften Umschuldung durch freiwilligen Anleihetausch über einen Rückkauf der Anleihen finanziert aus Mitteln des Rettungsfonds über einen Haircut also generellen Schuldenerlass bis hin zum Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone wird breit diskutiert. Auch Eurobonds sind noch im Gespräch. Da fällt es der Kanzlerin eben schwer, die alternativlose Lösung herauszuarbeiten, die ihr so sehr beliebt. Sie wolle mit Blick auf die oben genannten Vorschläge nicht nachgeben und das Problem von der Wurzel her behandeln.

Nun sprechen alle wieder davon, dass Merkel ihren Kurs beibehielte. Ja welchen bloß? Nachdem sie sich kurz mit dem amerikanischen Präsidenten am Telefon kurzschloss, trifft sie sich nun mit dem französischen Staatschef Sarkozy, um den Gipfel vorzubereiten, wie es aus Regierungskreisen nebulös hieß. Dabei soll die Marschroute festgelegt werden. Was könnte man dazu benötigen? Einen Zirkel vielleicht, mit dem Angela Merkel den Bewegungskreis aufzeichnen kann?

Auf jeden Fall wird es wieder viel zu Trinken geben. Es könnte ja auch sein, dass man den Sarkozy wie damals in Heiligendamm abfüllt und vor die Presse stellt, damit es etwas unterhaltsamer wird, optional böte sich natürlich auch ein Haircut bei einem der Teilnehmer an. Auf eine Wurzelbehandlung à la Merkel kann hingegen verzichtet werden.

Eine Merkel ohne Sehnsucht ist schon gut, aber eine Sehnsucht ohne Merkel wäre noch viel besser…

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Freiwillig

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Bei der Bundeswehr ist neuerdings alles freiwillig. Die Jugend wird nicht mehr eingezogen, sondern soll für den Dienst begeistert werden. Am 1. Juli war es soweit, die ersten Rekruten kamen freiwillig in die Kasernen und hatten offenbar gehofft, dass ihre mitgebrachte Faszination nun täglich durch den Dienstherrn erneuert würde. Aber der macht unfreiwillig weiter wie bisher. Er lässt um fünf Uhr wecken, um sechs Uhr antreten und prüft Anzug, Körperhygiene sowie die Ordnung in den Stuben.

So haben sich das einige Rekruten offenbar nicht vorgestellt und suchen bereits jetzt schon freiwillig das Weite bevor sie selbst in die Ferne geschickt werden, um die Sicherheit der deutschen Wirtschaft Deutschlands zu verteidigen. Geht das so weiter, könnte die Aussetzung der Wehrpflicht bald zum Bumerang werden und sozusagen ein Ausstieg aus dem Ausstieg drohen. Das ist ja ohne Weiteres möglich, denn abgeschafft ist die Wehrpflicht bekanntlich nicht. Sie ist nur ausgesetzt.  Bei Wiedereinsetzung könnte man freiwillig Gehende auch wieder als Fahnenflüchtige bezeichnen und dem Disziplinararrest im Kasernenknast zuführen.

Nein, so weit wird es natürlich nicht kommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel feiert die Aussetzung der Wehrpflicht als großen Erfolg ihrer Koalition und lässt dabei den Vorwurf, eine Gurkentruppe als Kabinett zu haben, nicht gelten.

ARD: (Zuschauerfrage) Warum haben Sie eine solche Gurkentruppe als Kabinett?

Merkel: “Solche Worte benutzen wir ja nicht wieder. Das haben wir uns ja fest vorgenommen. Und insofern glaube ich, dass wir einiges geschafft haben und über anderes auch noch durchaus streiten. […] Und ich glaube, dass wir auch einiges wirklich auf den Weg gebracht haben. Wir haben eine Gesundheitsreform, die Wehrpflicht ist ausgesetzt.”

Quelle: ARD-Sommerinterview

Vom Aussitzen zum Aussetzen oder beides in Kombination. So könnte man die Regierung Merkel beschreiben. Übrigens, heute nimmt der Bundespräsident, der nur kurz als Urlauber für eine halbe Stunde auf Norderney vor eine Kamera ausgesetzt wurde, aus Anlass des Jahrestages des 20. Juli 1944 an einem feierlichen Gelöbnis der Bundeswehr vor dem Reichstag teil. Es ist das erste Gelöbnis nach dem Aussetzen der Wehrpflicht. Aber auch dann wird es im Chor wieder heißen:

„Ich gelobe, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.“

Nur müsste man diesmal hinzufügen, dass das längstens für die Dauer der sechsmonatigen Probezeit gilt oder bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Rekrut innerhalb dieser Probezeit von sich aus freiwillig geht, was er mit Sicherheit auch täte, wenn von ihm jene Tapferkeit und Verteidigungsbereitschaft plötzlich eingefordert werden würde. Vielleicht tritt ja einer der Soldaten heute freiwillig aus der Formation aus. Und damit meine ich nicht die ordnungsgemäß durchgeführte Ohnmacht infolge langen Stehens, wie sie regelmäßig bei solchen Veranstaltungen vorkommt, sondern mit Blick auf §61, Abs. 2, Satz 3 des Wehrpflichtgesetzes:

Auf schriftlichen Antrag der Soldatin oder des Soldaten ist sie oder er während der Probezeit jederzeit zu entlassen.

Das wäre doch mal was.

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TV-Tipp: So teuer wie möglich – Der letzte Kampf der Atomindustrie

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Sendezeit: 23.30 Uhr im Ersten. 

Nun ist das Ende des Atomzeitalters beschlossen – mit einer halbierten Brennelementesteuer – und die großen Energieversorger rüsten zur letzten Schlacht. Jetzt geht es für sie darum, dass nach Jahrzehnten der Milliarden-Gewinne das Ende des lukrativen Geschäftes abgemildert wird; wie die zu erwartenden Mindereinnahmen der Energieriesen und ihrer Aktionäre kompensiert werden.

Hubert Seipel dokumentiert den letzten Kampf der Atomindustrie und untersucht, wieso Deutschland so lange auf die Kernenergie setze.

Quelle: ARD

Vor allem dürfte interessant sein, noch einmal zu sehen, wie sich die ehemalige Oppositionsführerin Angela Merkel den Energiekonzernen lautstark an den Hals warf, nachdem die rot-grüne Bundesregierung mit der Atomwirtschaft einen Ausstieg aus der Kernenergie bereits beschlossen hatte.

Die damalige Oppositionsführerin versprach der Industrie schon 2004 öffentlich, die Atommeiler länger laufen zu lassen, sobald sie an der Regierung sei. Umso enttäuschter sind die großen Energiekonzerne nun über die jüngsten Entscheidungen der Bundesregierung. Die Konzerne setzen auf Klagen, um für entgangene Milliardengewinne entschädigt zu werden. 

Quelle: NDR

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