Nach der Wahl folgt der Tag der Gremien

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Es ist immer dasselbe. Nach einem Urnengang heißt es am Wahlabend immer, es sei zu früh, das Ergebnis zu analysieren. Da müsse man in Ruhe drauf schauen und seine Schlüsse ziehen. Das passiert freilich nie. Da Wahlen in der Regel am Sonntag stattfinden, treffen sich am Montag die sogenannten Gremien in den Parteizentralen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Heute war wieder so ein Montag und unterm Strich muss man sagen, dass durchaus Konsequenzen an den Stellen gezogen wurden, wo es keinem wehtut.

So ist zum Beispiel Rainer Brüderle als Landesvorsitzender der FDP in Rheinland-Pfalz zurückgetreten, pardon, hat angekündigt, nicht mehr für den Vorsitz kandidieren zu wollen. Auch Stefan Mappus gab an, nicht mehr als Landesvorsitzender seiner Partei antreten zu wollen. Dafür steht jetzt Mappus-Klon Tanja Gönner in den Startlöchern.

Ansonsten war nix. Die FDP hat personelle und inhaltliche Veränderungen durch ihr Generalsekret Lindner ankündigen lassen, aber aus Mangel an beidem, also Personal und Inhalt, hat sich Parteichef Westerwelle vorerst für eine Vertagung der basisdemokratischen Debatte entschieden. Dennoch habe er die Botschaft der Wähler verstanden. Nur warum löst er seinen Laden dann nicht auf? Die FDP wird nicht mehr gebraucht.

In der CDU hat sich derweil die Chefin zu Wort gemeldet und mit einem klaren „Weiter So“ geantwortet. Die Wahlen änderten nichts an den Beschlüssen der Union zum Moratorium. Das werde jetzt durchgezogen und drei Monate intensiv darüber nachgedacht, wie schnell man aus der Atomenergie aussteigen könne. Basta!

„Wir werden die Zeit des Moratoriums nutzen, um eine Energiewende mit Augenmaß hinzubekommen.“

Ich frage mich an dieser Stelle immer wieder, warum man noch darüber reden muss. Es hat doch einen Vertrag zwischen dem Gesetzgeber und den Energieversorgern gegeben, den Schwarz-gelb ohne Not aufkündigen ließ, der aber den Ausstieg aus der Atomenergie ganz klar geregelt hat. Im Prinzip hätte der Umstieg auf erneuerbare Energien längst gelaufen sein können, samt Investitionen in die nötige Infrastruktur, deren Fehlen gegenwärtig beklagt wird, wenn die Versorger den Ausstieg nur ernstgenommen hätten.

Das haben sie aber von Anfang an nicht, weil sie immer darauf hofften, eine schwarz-gelbe Regierung würde den Atomkompromiss schon wieder rückgängig machen. Was ja auch genau so geschehen ist. Schließlich wurden die tatsächlichen Restlaufzeiten einzelner Kernkraftwerke ganz bewusst an eine Gesamtreststrommenge geknüpft, die beliebig zwischen den AKWs hin und her verteilt werden durfte. So konnten Kernkraftwerke länger am Netz bleiben, weil andere wegen Pannen still standen und somit Reststrommengen einsparten, die dann einfach übertragen oder solange zurückgehalten wurden, bis endlich die ersehnte Regierung im Amt war.

„Ein Atomausstieg in Deutschland, um anschließend Atomenergie aus anderen Ländern zu importieren, den halte ich nicht für ehrlich.“ 

Quelle: Tagesschau

Zu dieser abstrusen Begründung der Bundeskanzlerin vielleicht der konservative Herausgeber der FAZ Frank Schirrmacher, der sich heute über die Rhetorik der Atomfreunde seine Gedanken gemacht hat:

5. Auch wenn wir aussteigen, sind wir von Atomkraftwerken umgeben

Das ist vielleicht das erbärmlichste aller Argumente, denn es bezeichnet die Selbstaufgabe von Politik. Man kann die Argumentation versuchsweise auf die Atomwaffenproliferation oder den Atomwaffensperrvertrag übertragen. Selbst wenn wir keine Atomwaffen haben, werden die anderen welche haben. Das war in der Vergangenheit kein Grund, sich selbst welche zuzulegen, sondern andere davon abzuhalten, sie zu bauen.

Quelle: FAZ

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Karikatur: Klaus Stuttmann

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Zu den Grünen

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Jens Berger hat sich mit den Grünen beschäftigt und, wie ich finde, einmal mehr einen sehr lesenswerten Beitrag geschrieben. Darin zeigt er den Transformationsprozess einer Partei auf, die sich aus einer konkreten gesellschaftlichen Bewegung heraus gebildet und sich mit den Lebensbiografien ihrer Unterstützer verknüpft, über die Zeit von etwa 30 Jahren zu einer zweiten Klientelpartei neben der FDP gewandelt hat. So gesehen, hätte Jens Berger ruhig von der Öko-FDP sprechen können.    

Die „linken“ Studenten der 80er sind heute ökonomisch gut situierte Angestellte, Selbstständige und Beamte und haben ganz andere Sorgen als die Probleme von damals. Ging man früher gegen den NATO-Doppelbeschluss und für eine klassenlose Gesellschaft auf die Straße, kämpft man heute für verkehrsberuhigte Zonen in gehobenen Stadtvierteln und die steuerliche Förderung von Solarzellen auf den schicken Einfamilienhäusern. Dieser Gesinnungswandel drückt sich auch in den politischen Positionen und den Themengewichtungen der Wählerschaft aus. Atomausstieg und Solarförderung liegen den Grünen-Wählern näher als Mindestlohn und Verteilungsgerechtigkeit.

Folgt man der Annahme, dass Parteien zuallererst immer die Interessen der eigenen Wählerschaft vertreten, verwundert es auch nicht, dass grüne Politik eben keine „linke“ Politik ist, deren oberstes Ziel immer Gerechtigkeit und Chancengleichheit sein muss. Die Zahnarztfrau hat nun einmal kein gesteigertes Interesse daran, dass ihre Kinder auf einer Gesamtschule gemeinsam mit Kindern aus „bildungsfernen Schichten“ lernen. Die Grünen kokettieren vielmehr mit einem „linken“ Image, das bei näherer Betrachtung jedoch nicht haltbar ist.

Mit der Koalitionsführerschaft in Baden-Württemberg steigt die Gefahr, dass die Grünen den Spagat zwischen linker Wohlfühlrhetorik und knallharter neokonservativer Realpolitik nicht mehr meistern können. Was heißt es für die Grünen, wenn Stuttgart 21 unter einem grünen Ministerpräsidenten weitergebaut wird? Wird Kretschmann Stuttgart-21-Gegner zusammenprügeln lassen, wenn die Proteste sich wieder verschärfen sollten?

Quelle: NachDenkSeiten

Man könnte auch Volker Pispers aus dem Jahr 2000 zitieren:

Der Marsch durch die Institutionen sei doch immer nur als schöne Polonäse gedacht gewesen. Der Weg sei das Ziel. Da müsse man immer im Kreis laufen, sonst werde das nix. Im Grunde sei ein Grüner ein Liberaler, der für Dosenpfand ist. Im Kern gehe es bei den Grünen um die Transformation von einer Sekte zur Kirche. Früher waren es Sektierer (Fundis), die jeden Quatsch geglaubt hätten, heute seien es gelassene Kirchgänger (Realos), die nur einmal in der Woche sagen müssten, dass sie an den Quatsch glauben. 

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Alberne Kritik an Urban Priol

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Der Prozessberichterstatter der Süddeutschen Zeitung Hans Holzhaider beklagt sich in einem Kommentar über Priols Auftritt auf der Anti-Atomkraft-Kundgebung in München am Wochenende.

„Am Samstag auf dem Münchner Odeonsplatz mokierte sich Urban Priol vor etwa 30.000 Zuhörern über Wolfgang Bosbach, den Vorsitzenden des Innenausschusses im Bundestags, der vor einem „Rückfall in die Terrorspirale der siebziger Jahre“ gewarnt habe.

Er höre schon das Stammtischgegrummel, sagte Priol: „Die hätten heute wieder gut zu tun in Deutschland.“ Aber wen „von diesen Nasen“ solle man denn heute entführen? Einer wie der Brüderle „der textet die doch so zu, dass die den Kofferraum aufsperren und sagen: Bitte geh!“

Zur Ehrenrettung des Publikums muss man sagen, dass niemand lachte, und dass etliche Pfiffe zu hören waren. Die angemessene Reaktion wäre gewesen, Priol in derselben Sekunde das Mikrofon aus der Hand zu nehmen.“

Quelle: Süddeutsche

Etliche Pfiffe waren zu hören, was aber auch an den Trillerpfeifen gelegen haben könnte, die auf solchen Protestveranstaltungen obligatorisch sind. Deren Einsatz muss also nicht zwangsläufig etwas mit einer Ablehnung, Priols Äußerung betreffend, zu tun haben. Aber das schreibt Herr Holzhaider auch nicht, er erweckt nur den Eindruck. Herr Holzhaider, der sich bei der SZ zuletzt mit dem Kachelmannprozess und Alice Schwarzer beschäftigte, scheint ein wenig mehr als alle anderen vernommen zu haben. Schließlich hat aber niemand Urban Priol das Mikrofon aus der Hand gerissen und sich darüber empört, dass hier der Terror der RAF verherrlicht werde.

Im Gegenteil. Im Publikum konnte man zum Beispiel ein Plakat mit der tollen Aufschrift, „Die Lüge hat ein kleines Brüderle bekommen!“ erkennen. Aber um den RAF-Vergleich und Brüderle geht’s dem Autor auch nicht, sondern wahrscheinlich um Wolfgang Bosbach, der als innenpolitischer Kümmerer gerngesehener Talkshowgast zu allen Themen ist. Dabei wäre es angebracht, ihm, dem CDU-Gegenentwurf zum SPD-Wiefelspütz, das Mikrofon zu entreißen, um künftig von dem albernen Angstmachegeschwafel verschont zu bleiben.  

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